OGH 12Os23/25m

OGH12Os23/25m11.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz‑Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen O* F* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 19. September 2024, GZ 61 Hv 41/24b‑39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, der Privatbeteiligtenvertreterin MMag. Lerch, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Arslan zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00023.25M.0611.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiete: Jugendstrafsachen, Sexualdelikte

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion einer der im Schuldspruch 3./ festgestellten Taten (auch) unter die Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2004/15 ersatzlos und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird verworfen.

Für die verbleibenden Schuldsprüche wegen mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (zu 3./) sowiemehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (zu 4./) wird O* F* unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB sowie § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden O* F* – soweit hier von Bedeutung – mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 und nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 sowie eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2004/15 (zu 3./) und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (zu 4./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er von 2003 bis Sommer 2005 oder Sommer 2006 (US 6, 19) in B* und auf E*

3./ die am * J* 1998 geborene * S* (sowohl vor als auch nach dem 30. April 2004 jeweils wiederholt [US 5, 20]) mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie hinter ihr liegend an den Oberarmen oder der Hüfte festhielt und mit seinem Penis vaginal penetrierte;

4./ durch die zu 3./ beschriebenen Taten mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen,

wobei die Taten (US 6) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (US 6) zur Folge hatten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise berechtigt.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 19. September 2024 gestellten Antrags (ON 38, 30 iVm ON 37.4) auf „Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zur Glaubhaftigkeit der Angaben“ des Opfers zum Beweis dafür, dass dessen Deponate „nicht erlebnisbasiert“ seien, zu Recht.

[5] Denn die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen obliegt grundsätzlich richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO). Dass es hier ausnahmsweise der Hilfestellung durch einen Sachverständigen bedurft hätte (wie etwa bei Entwicklungsstörungen sowie geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen [RIS‑Justiz RS0120634, RS0097733 {T6, T9}]), behauptete der Antragsteller nicht deutlich und bestimmt.Ebenso wenig legte er dar, weshalb anzunehmen sei, dass sich die Zeugin zur Befundaufnahme bereitfinden würde (siehe vielmehr gegenteilig ON 38, 31; RIS‑Justiz RS0118956 [T3, T4, T5], RS0097584 [T2]), sodass der Antrag im Ergebnis auf eine (unzulässige) Aufnahme eines Erkundungsbeweises abzielte (vgl RIS‑Justiz RS0097576).

[6] Mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot hat das – zudem bloß auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO verweisende (vgl dazu RIS‑Justiz RS0115823, RS0114036) – ergänzende Beschwerdevorbringen auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

[7] Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) unsubstantiiert behauptete „Undeutlichkeit“ des Ausspruchs des Schöffengerichts im Erkenntnis über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) ist nicht Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (vgl RIS-Justiz RS0099407; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 413).

[8] Der Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) entfernt sich zunächst vom eröffneten Anfechtungsrahmen, weil die Anwesenheit weiterer Kinder am Tatort zur Tatzeit keine entscheidende oder erhebliche Tatsache anspricht (siehe aber RIS-Justiz RS0106268, RS0120109). Im Übrigen ist das Erstgericht von diesem Umstand ohnedies ausgegangen (disloziert US 26) und hat sich – der Rüge zuwider – dabei mit den Angaben des Opfers dazu gar wohl auseinandergesetzt (US 26).

[9] Weshalb die Annahme einer leugnenden Verantwortung des Angeklagten in einem (aus Z 5 dritter Fall relevanten) Widerspruch zu den Erwägungen der Tatrichter zu dessen Versuch, eine Einwilligung des Opfers daraus abzuleiten, dass es sich trotz der Taten weiterhin ins Zimmer des Angeklagten begab, stehen sollte, wird von der weiteren Mängelrüge nicht begründet dargelegt (vgl RIS‑Justiz RS0099563).

[10] Ebenso wenig macht sie deutlich, inwiefern die – auch keine entscheidende Tatsache betreffenden (neuerlich RIS-Justiz RS0106268) – weiteren Erwägungen der Tatrichter zu den Angaben des Opfers betreffend den Zustand des Penis des Angeklagten einerseits und dessen – aufgrund des jungen Alters anfangs noch eingeschränkter – Beurteilungsfähigkeit andererseits (US 21) nicht nebeneinander bestehen könnten oder einander sogar ausschließen sollten (vgl aber RIS-Justiz RS0117402 [T15], RS0099651).

[11] Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist die aus dem äußeren Geschehensablauf erschlossene Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 46 f sowie US 48 [zur Fahrlässigkeitsschuld in Ansehung der Qualifikation]) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671; vgl auch RS0089151).

[12] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[13] Indem die Beschwerde bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung Umstände, nämlich die Anwesenheit weiterer Kinder am Tatort zur Tatzeit (US 26), die Wahrnehmbarkeit der Taten durch das sehr junge Opfer (US 21), den Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit einer Sozialeinrichtung, die Frage einer Projektion (US 43) und die fehlende Wahrnehmung von Verletzungen (US 45) ins Treffen führt, Zeugen aufzählt, die nichts beobachtet haben (US 25 f), und auf die Deponate des Angeklagten verweist (US 11 ff), der angab, zufolge Ableistung des Wehrdienstes nicht auf E* gewesen zu sein (US 17 ff), sowie daraus eigene für sie günstigere Schlüsse zieht, nimmt sie nicht Maß an den dargestellten Anfechtungskriterien.

[14] Weshalb die von den Tatrichtern angenommene (disloziert US 26) Anwesenheit weiterer Kinder während der Taten im Zimmer des Angeklagten einen für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand darstellen sollte (vgl aber RIS‑Justiz RS0099689 [T2]), macht die insoweit einen „Feststellungsmangel“ behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar.

[15] Der Verweis auf das zu Z 5a Vorgebrachte entspricht nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).

[16] Ferner behauptet die weitere Rüge (nominell Z 9 lit a, dSn Z 10) zu 3./ einen Rechtsfehler mangels Feststellungen unter dem Aspekt eines substanzlosen Gebrauchs der verba legalia in Bezug auf die Anwendung des Tatmittels der Gewalt.

[17] Sie legt aber nicht dar, weshalb bei den Konstatierungen, wonach der Angeklagte das Opfer mit nicht ganz unerheblicher physischer Kraft an dessen Oberarmen oder Hüfte zur Überwindung eines erwarteten Widerstands festgehalten hat (US 6 f; RIS‑Justiz RS0095776; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 13), der erforderliche Sachverhaltsbezug fehlen sollte (siehe dazu RIS‑Justiz RS0119090) und welcher weiteren Feststellungen es für die Subsumtion unter den Begriff der Gewalt nach § 201 Abs 1 StGB bedurft hätte.

[18] Soweit dieses Vorbringen zugleich als Mängelrüge iSd Z 5 vierter Fall geltend gemacht wird, ist es einer inhaltlichen Erwiderung unzugänglich (neuerlich RIS‑Justiz RS0115902).

[19] Die Subsumtionsrüge (Z 10) geht nicht von den mit Mängelrüge erfolglos bekämpften Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der Erfolgsqualifikation des Eintritts einer schweren Körperverletzung (US 7 f) aus und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[20] Weshalb die in Tatmehrheit (Realkonkurrenz) verwirklichten Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (4./) im Verhältnis der Spezialität stehen sollten (vgl RIS‑Justiz RS0128225; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 32), erklärt die Rüge (Z 10) nicht (siehe RIS-Justiz RS0118415; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 30).

[21] Im bisher erörterten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

[22] Zutreffend zeigt jedoch die weitere Subsumtionsrüge (Z 10) einen Rechtsfehler auf.

[23] Auf ein und demselben Taterfolg (hier in Form einer schweren Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 StGB) beruhende Erfolgsqualifikationen (§ 7 Abs 2 StGB) sind nur einmalig zuzurechnen (jüngst 12 Os 33/25g).

[24] Bei Real- und Idealkonkurrenz der Grundtatbestände nach § 201 Abs 1 StGB und nach § 206 Abs 1 StGB ist daher ein und dieselbe Tatfolge (etwa eine posttraumatische Belastungsstörung von Krankheitswert als schwere Körperverletzung), die sowohl die Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB als auch jene des § 206 Abs 3 erster Fall StGB erfüllen würde, dem Täter nicht doppelt anzulasten. In einem solchen Fall wird die Qualifikation – wegen des gleichen Strafsatzes – jeweils nur entweder nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB oder nach § 206 Abs 3 erster Fall StGB begründet (RIS‑Justiz RS0115550, RS0120828 [T5], vgl auch RS0128224; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 30).

[25] Da nach dem Urteilssachverhalt sämtliche Taten kausal für die erlittene posttraumatische Belastungsstörung waren (US 6), ist zwar zu 4./ des Schuldspruchs die Erfolgsqualifikation des § 206 Abs 3 erster Fall StGB idgF (siehe dazu gleich) begründet, nicht jedoch zu Schuldspruch 3./ auch jene des § 201 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2004/15.

[26] Dieser Subsumtionsfehler erfordert die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung einer der von Schuldspruch 3./ umfassten Taten (auch) unter § 201 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2004/15 und demzufolge auch die Kassation des Strafausspruchs, weshalb sich ein Eingehen auf die weitere dazu aus Z 10 sowie die aus Z 11 vorgebrachte Beschwerdekritik erübrigt.

[27] Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO anzumerken, dass im Fall der Idealkonkurrenz die (einzelne) Tat, dh der zu beurteilende Lebenssachverhalt, in Bezug auf alle eintätig zusammentreffenden strafbaren Handlungen (ohne – hier vom Erstgericht vorgenommener – Kombination verschiedener Rechtsschichten) nach Maßgabe des § 61 zweiter Satz StGB entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen ist (RIS‑Justiz RS0089011 [T3], RS0119085 [T4, T5]; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB § 61 Rz 3). Jedenfalls verfehlt ist demnach die Annahme von Idealkonkurrenz mehrerer strafbarer Handlungen teils nach Tatzeit-, teils nach (von diesem abweichendem) Urteilszeitrecht (11 Os 81/21b Rz 31, 13 Os 9/22f Rz 34, 11 Os 86/22i Rz 11).

[28] Hier sind Taten sowohl von Schuldspruch 3./ (§ 201 StGB) als auch von Schuldspruch 4./ (§ 206 StGB) umfasst. Bei einer streng fallbezogenen, konkreten Gesamtschau der Unrechtsfolgen (RIS‑Justiz RS0119085 [T1], RS0089014) erweisen sich die Urteilszeitgesetze in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (§ 28 StGB, § 5 Z 4 JGG [zur Berücksichtigung der privilegierenden Strafrahmenbestimmungen für Jugendliche beim Günstigkeitsvergleich siehe 12 Os 107/19f) als nicht ungünstiger als das Tatzeitrecht. Denn dem Angeklagten drohte für das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB stets unverändert bis zu siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe (idF BGBl I 2001/130 und idgF) und für die weiteren Verbrechen, soweit § 206 Abs 3 erster Fall StGB infolge materieller Subsidiarität (abermals RIS-Justiz RS0120828) nicht (nochmals) begründet wurde (11 Os 86/22i Rz 10 ff), aus (dem bei den einzelnen Taten nach § 28 Abs 1 StGB den Ausschlag gebenden [vgl 11 Os 81/21b Rz 34, 11 Os 86/22i Rz 17]) § 206 Abs 1 StGB sowohl nach den Tatzeitgesetzen als auch nach Urteilszeitgesetzen jeweils (ohne Strafuntergrenze [§ 5 Z 4 JGG idF BGBl 1988/599 und idgF]) bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Die Taten wären daher zur Gänze – auch in Ansehung des § 201 Abs 1 StGB – den Urteilszeitgesetzen zu unterstellen gewesen.

[29] Dieser Subsumtionsfehler tangiert den anzuwendenden Strafrahmen jedoch nicht und wirkt sich solcherart in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten aus (RIS-Justiz RS0100259 [T2], RS0099767 [T4]; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 f, Höpfel/Ratz in WK2 StGB § 61 Rz 20). Für den Obersten Gerichtshof besteht bei der Strafneubemessung nach dieser Klarstellung keine Bindung an den (zu 3./) insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS-Justiz RS0118870 [T24]).

[30] Bei der zufolge Kassation des Strafausspruchs erforderlichen Strafneubemessung (Ratz, WK-StPO § 296 Rz 1 mwN) für die verbleibenden Schuldsprüche war in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB von einem Strafrahmen von bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.

[31] Als erschwerend ist zu werten, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen begangen und diese durch längere Zeit fortgesetzt hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).

[32] Erschwerend im Rahmen des § 32 Abs 3 StGB wirkt die erhebliche Unterschreitung des Schutzalters beim zu Beginn des Tatzeitraums fünfjährigen Opfer (vgl RIS‑Justiz RS0090958 [T4, T5]).

[33] Mildernd steht dem gegenüber, dass er bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie, dass er diese schon vor längerer Zeit begangen und sich seitdem wohlverhalten hat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB).

[34] Unter Zugrundelegung dieser Strafzumessungstatsachen und der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung war die im Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe tat‑ und schuldangemessen. Diese war gemäß § 43a Abs 3 StGB im dort ersichtlichen Ausmaß bedingt nachzusehen. Einem Vorgehen nach § 43a Abs 2 StGB stand – der Berufung des Angeklagten zuwider – der hohe Unrechtsgehalt entgegen. Die Tatbegehung vor mehr als 18 Jahren verhindert – entgegen der Berufung der Staatsanwaltschaft – die Verhängung einer höheren Freiheitsstrafe.

[35] Der Beschwerdeführer und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

[36] Das Erstgericht erkannte den Angeklagten schuldig, der Privatbeteiligten einen Teilschadenersatzbetrag von 20.000 Euro zu bezahlen.

[37] Die gegen das Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung schlägt fehl.

[38] Die durch die Tat bewirkte posttraumatische Belastungsstörung des Opfers, die mit einer über mehrere Jahre andauernden Gesundheitsschädigung (Angst- und Panikzustände, Depressivität, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, psychovegetative Beschwerden, sexuelle Störungen und Verlust der Lebensqualität und -freude; US 6) verbunden war, rechtfertigt die Zuerkennung von Teilschmerzengeld von 20.000 Euro (§ 1328 ABGB). Im Rahmen der Globalbemessung (§ 273 ZPO; vgl auch § 19 Abs 3 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz) war dieser Betrag auch unter Zugrundelegung des Berufungsvorbringens, wonach das Opfer der Schadensminderungspflicht mangels Inanspruchnahme einer Therapie nicht nachgekommen sei, jedenfalls angemessen.

[39] Der Kostenausspruch stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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