European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080NC00007.25H.0605.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien das Landesgericht Feldkirch als Arbeits‑ und Sozialgericht bestimmt.
Die Kosten der beklagten Partei im Delegierungsverfahren sind weitere Verfahrenskosten. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Äußerung vom 28. Mai 2025, ON 7, selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die in Wien ansässige Klägerin begehrt von der Beklagten, einer früheren Dienstnehmerin, die Bezahlung einer Konventionalstrafe wegen Zuwiderhandelns gegen eine vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung und die Unterlassung der Abwerbung von Kunden der Klägerin und der Verwendung und Weitergabe von von der Klägerin herrührenden Kundendaten. An Personalbeweisen beantragt sie ausschließlich die Vernehmung ihres an ihrer Sitzadresse zu ladenden Geschäftsführers.
[2] Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren, das Vorliegen einer gültigen Konkurrenzklausel und eine Verletzung nachvertraglicher Pflichten. Zum Beweis ihres Vorbringens beantragt sie unter anderem ihre Einvernahme als Partei sowie die Einvernahme von vier Zeugen, die – ebenso wie die Beklagte selbst – ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Feldkirch hätten.
[3] Die Beklagte beantragt weiters die Delegation der Rechtssache an das Landesgericht Feldkirch. Dies sei im Hinblick auf die Einvernahme der im Sprengel dieses Gerichts wohnhaften Zeugen sowie ihrer Einvernahme als Partei, aber auch aufgrund des Umstands zweckmäßig, dass der Ort der beruflichen Tätigkeit der Beklagten ebenfalls Vorarlberg gewesen sei, wo sie (als weitere Zeugen allenfalls noch in Betracht kommende) Kunden der Klägerin betreut habe.
[4] Die Klägerin spricht sich mit der Begründung gegen die Delegation des Verfahrens aus, sie sei in Wien ansässig, ihr zur Parteienvernehmung namhaft gemachter Geschäftsführer sei hier zu laden und hier seien „sämtliche Daten und Unterlagen konzentriert“. Auch befänden sich die von ihr im Zuge des Verfahrens noch zu beantragenden Zeugen im Sprengel des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien.
[5] Das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof mit der Äußerung vor, dass es die Delegierung für zweckmäßig erachte.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Delegierungsantrag der Beklagten ist berechtigt.
[7] 1.1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind nach Abs 2 leg cit dem Obersten Gerichtshof vorbehalten.
[8] 1.2. Eine Delegierung soll nur im Ausnahmefall erfolgen; ohne besondere Gründe darf es nicht zu einer Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung kommen (vgl RS0046441). Gegen den Willen der anderen Partei darf die Delegierung daher nur ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (vgl RS0046589; RS0046324 [insb T7]; RS0046455).
[9] Zielsetzung der Delegierung ist eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit (RS0046333 [T6]). Ein Delegierungsantrag ist daher zweckmäßig, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RS0053169). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder doch ein maßgeblicher Teil davon vor dem Gericht, an das delegiert werden soll, durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung, zumal wenn sonst praktisch das gesamte Beweisverfahren im Wege von Videokonferenzen durchgeführt werden müsste (vgl RS0046333 [insb T3, T38]). Die Zweckmäßigkeit ist daher vor allem anhand des Wohnortes bzw Sitzes der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen zu beurteilen (RS0046540; RS0053169 [T12]).
[10] 2.1. Im vorliegenden Fall wurde bisher die Einvernahme von einer Partei und vier Zeugen mit Wohnsitz in Vorarlberg und von einer Person aus Wien angeboten. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien war (und ist) die Beklagte mit der Betreuung von Kunden der Klägerin (bzw deren Konkurrenzunternehmen, für das die Beklagte nunmehr tätig ist) in Vorarlberg beschäftigt.
[11] Weitere Zeugen aus Wien wurden von der Klägerin bloß angekündigt, jedoch weder in der Klage noch in ihrer Stellungnahme namhaft gemacht oder beantragt; sie sind daher nicht zu berücksichtigen (vgl RS0046333 [T36]). Welche Bedeutung für die Delegation die Klägerin dem Umstand der „Konzentration“ ihrer „Daten und Unterlagen“ in Wien beimessen will, ist im Übrigen nicht ersichtlich.
[12] 2.2. In einer Gesamtschau ist eine Delegierung der Arbeitsrechtssache nach Feldkirch als zweckmäßig anzusehen, sodass sie ungeachtet ihres Ausnahmecharakters und der Einwände der Klägerin (vgl RS0046589; RS0046441) hier anzuordnen war.
[13] 3. Die Beklagte hat zwar im Zwischenstreit über die Delegierung obsiegt, ihr vorbereitender Schriftsatz ON 3 enthält aber neben dem Delegierungsantrag auch Vorbringen zur Sache; diese Prozesshandlung ist auch im Hauptverfahren verwertbar und im Zwischenstreit nicht zu honorieren (RS0036025 [T5]).
[14] Die im Zwischenstreit unterlegene Klägerin hat die von ihr verzeichneten Kosten ihrer (ablehnenden) Äußerung selbst zu tragen (RS0036025 [T2]).
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