OGH 13Os25/25p

OGH13Os25/25p4.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Artner in der Strafsache gegen * D* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. November 2024, GZ 91 Hv 38/24k‑103.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00025.25P.0604.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 3 StGB (II D), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Adhäsionserkenntnis betreffend den Privatbeteiligten * K* aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * D* mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (I und II B) und nach § 212 Abs 3 StGB (II D), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II A) und des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 erster Fall StGB (II C) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I) vom März 2021 bis zum Sommer 2022 mit dem minderjährigen * A*, der seiner Erziehung und Aufsicht als Sozialpädagoge in einer SOS‑Kinderdorf-Wohngruppe (US 5) unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung diesem gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen (A) und von ihm an sich vornehmen lassen (B), indem er

A) in zumindest 14 Angriffen jeweils einen Oralverkehr an ihm vornahm und

B) von ihm einen Analverkehr an sich vornehmen ließ, sowie

II) vom November 2021 bis zum Dezember 2022

A) an dem am * 2009 geborenen * K* geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er ihn jeweils im Bereich des Hodensacks massierte, und zwar zumindest

1) in zwei Angriffen während der Genannte wach war und

2) in einem Angriff während der Genannte schlief oder sich zumindest in schlaftrunkenem Zustand befand,

B) durch die zu II A 1 genannten Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung und Aufsicht als Sozialpädagoge und Bezugsbetreuer in einer SOS-Kinderdorf-Wohngruppe (US 7 f) unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen,

C) durch die zu II A 2 genannte Tat eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er eine geschlechtliche Handlung an ihr vornahm, und

D) den am * 2009 geborenen * K*, der seiner Erziehung und Aufsicht als Sozialpädagoge und Bezugsbetreuer in einer SOS-Kinderdorf-Wohngruppe (US 7 f) unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesem durch intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in seiner Würde verletzt, indem er den Genannten in zumindest vier Angriffen im Bereich der Oberschenkelinnenseite massierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

 

Zum ber echtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde:

[4] Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II D auf, dass dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen zu einem Vorsatz, das Opfer durch die im Urteil näher beschriebene Massage der Oberschenkelinnenseite in seiner Würde zu verletzen, zu entnehmen sind (vgl US 8, zu dem zur Erfüllung des § 218 Abs 1a StGB erforderlichen Vorsatz siehe Philipp in WK2 StGB § 218 Rz 20).

[5] Schon dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des genannten Schuldspruchs, sodass sich ein Eingehen auf das weitere, dagegen gerichtete Vorbringen erübrigt.

[6] Aus der Kassation folgte die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und des Adhäsionserkenntnisses betreffend den Privatbeteiligten * K*.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

[7] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der nachstehend angeführten Beweisanträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt:

[8] Die Anträge (ON 99.1 S 52) auf Vernehmung von

- * G* zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „kein freundschaftliches Verhältnis mit dem Herrn M* gehabt hat“ ,

- * Ar* zum Beweis dafür, dass „sich der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt gegenüber irgendwelchen Jugendlichen, insbesondere dem Herrn * Ar* selbst, und seinem Bruder unangemessen, insbesondere in sexueller Hinsicht verhalten hat“, sowie

- * S* zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte keine pädophilen Neigungen hat, sich nie zu Minderjährigen oder Jugendlichen hingezogen gefühlt hat oder sonst irgendwelche pädosexuellen Interessen hat“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0097540 und RS0124721 [insbesondere T2]),

als Zeugen legten jeweils nicht dar, inwieweit das vom Antragsteller behauptete Ergebnis für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte (RIS‑Justiz RS0118444 [insbesondere T2]).

[9] Soweit der erstgenannte Antrag der Sache nach auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen * M* zielte, war er grundsätzlich auf erhebliche Tatsachen gerichtet, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von – wie hier – schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0028345 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350). Er gab jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Genannte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt hätte (siehe aber RIS-Justiz RS0120109 [T3]).

[10] Gleiches gilt in Ansehung des auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit der beiden Opfer zielenden Antrags auf Beschlagnahme ihrer Mobiltelefone zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte den Opfern nicht in der Nacht geschrieben hat, dass diese zu ihm kommen sollen“ (ON 99.1 S 52).

[11] Dem ohne weiteres Vorbringen gestellten Antrag auf Ladung des Sachverständigen Dr. * Me* zur Erörterung des (zur Frage der Zurechnungsfähigkeit [§ 11 StGB] sowie zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB und des § 21 Abs 2 StGB erstellten [vgl ON 45]) psychiatrischen Gutachtens vom 14. Juni 2024 (ON 103.1 S 3) fehlte es schon an der Bezeichnung eines Beweisthemas (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO). Im Übrigen wurde eben jenes Gutachten (ON 78) nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung nachfolgend gemäß § 252 Abs 2a StPO einverständlich resümierend vorgetragen (ON 103.1 S 4).

[12] Die Einholung des beantragten „weiteren Gutachtens zur Aussagekompetenz/-fähigkeit/-tüchtigkeit, Suggestibilität und Konfabulationstendenzen (Fantasiebegabung)“ des * A* (ON 103.1 S 3) durfte schon deshalb unterbleiben, weil nicht behauptet wurde, dass der Genannte die erforderliche Zustimmung zu einer neuerlichen Exploration erteilt hätte oder erteilen würde (RIS-Justiz RS0118956 [insbesondere T3 und T5] sowie RS0098015 [insbesondere T12 und T13]).

[13] Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

[14] Die Begründung der die Beweisanträge ablehnenden Beschlüsse steht nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS-Justiz RS0121628).

[15] Die Kritik (Z 5 zweiter und vierter Fall), das Erstgericht habe sich mit widersprüchlichen Aussagen der Opfer nicht auseinandergesetzt, die „den Angeklagten entlastenden Aussagen der Opfer gänzlich übergangen“ und „die Widersprüche der Aussagen des Zeugen M* zu den Aussagen der Opfer [...] in keinster Weise gewürdigt“, erklärt nicht, gegen welche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen sie sich wendet (vgl aber RIS‑Justiz RS0130729) und unterlässt im Übrigen die Nennung konkreter, in der Hauptverhandlung vorgekommener Verfahrensergebnisse (vgl aber RIS‑Justiz RS0118316 [insbesondere T4 und T5]).

[16] Die Konstatierungen darüber, wie oft der Beschwerdeführer Oralverkehr an * A* (US 6) und Massagen des Hodensacks des * K* (US 7 f) vorgenommen hat, betreffen hinsichtlich der exakten Anzahl der Übergriffe keine entscheidende Tatsache, weil das Erstgericht die vom Schuldspruch I A und II A erfasste, jeweils gleichartige Verbrechensmenge nur pauschal individualisierte (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33 und 406). Das insoweit Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), das Vorliegen einer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) und Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptende Beschwerdevorbringen verfehlt daher den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0106268).

[17] Die Aussagen des * A*, er habe „schon immer ausprobieren“ wollen, „mit Männern etwas zu haben“, weshalb er am Anfang auch nicht nein gesagt habe, sondern erst danach, weil er „nicht auf Männer stehe“ (ON 34 S 14 iVm ON 103.1 S 2), sowie, dass er sich gedacht hätte, es mit dem Angeklagten einfach auszuprobieren (ON 34 S 15 iVm ON 103.1 S 2), stehen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zum Schuldspruch I zuwider nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Feststellungen über den Missbrauch der Autoritätsstellung durch den Beschwerdeführer (US 7).

[18] Weshalb die dargestellten Aussagepassagen des * A* – wie von der Rüge behauptet – auch für die Feststellungen zum Schuldspruch II B und D (betreffend * K*) von Bedeutung sein sollten, bleibt offen.

[19] Dass * A* angab, er glaube, dass der Umstand, dass der Angeklagte und er Oralverkehr hatten, im Zusammenhang damit steht, dass er Oralverkehr ausprobieren wollte, haben die Tatrichter im Übrigen ohnehin ausdrücklich berücksichtigt (US 12).

[20] Das Beschwerdevorbringen zum Schuldspruch II A 2, * K* hätte in seiner kontradiktorischen Vernehmung ausgesagt, der Beschwerdeführer habe ihn, während er schlief, nur am Oberschenkel gestreichelt, entspricht nicht der Aktenlage (ON 35 S 11).

[21] Gleiches gilt für die von der Rüge behauptete Erklärung des Genannten, die von * A* geschilderte Beobachtung eines Übergriffs des Beschwerdeführers gegen ihn (vgl US 10) habe nicht stattgefunden. Vielmehr hatte * K* nach der Aktenlage angegeben, sich nicht mehr an eine derartige Situation erinnern zu können (ON 103.1 S 2 iVm ON 35 S 11).

[22] Der insoweit jeweils erhobene Einwand der Unvollständigkeit geht daher schon im Ansatz ins Leere.

[23] Entgegen der Beschwerdebehauptung (Z 5 zweiter und vierter Fall) zum Schuldspruch II haben die Tatrichter das Aussageverhalten des * K* ausdrücklich gewürdigt und dargelegt, dass sie dessen Angaben zu den urteilsgegenständlichen Tathandlungen im Rahmen seiner kontradiktorischen Vernehmung (ON 35 iVm ON 103.1 S 2) uneingeschränkt als glaubhaft, nachvollziehbar, schlüssig und lebensnah beurteilten, obwohl er sie bei seiner polizeilichen Vernehmung noch bestritten hatte (US 9 und 10).

[24] Eine auf den Zeugen * M* bezogene Aussage findet sich an der von der Beschwerde genannten Stelle des Protokolls über die kontradiktorische Vernehmung des * K* (ON 35 S 11 iVm ON 103.1 S 2) nicht. Die Kritik der fehlenden Auseinandersetzung (Z 5 zweiter Fall) mit eben jener (nicht vorhandenen) Aussagenpassage bleibt daher unverständlich.

[25] Der – in Bezug auf die Schilderung des ihm vom Beschwerdeführer „gestandenen“ Teils seiner Taten als glaubhaft beurteilte (US 12) – Zeuge * M* hat nach der Aktenlage weder vor der Polizei (ON 22.3 S 5 iVm ON 103.1 S 4) noch vor Gericht (ON 99.1 S 16) angegeben, dass ihm der Beschwerdeführer von Analverkehr mit * A* erzählt habe. Unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit in Ansehung der Glaubwürdigkeitsbeurteilung dieses Zeugen (dazu RIS-Justiz RS0106268 [T9]) waren die Tatrichter daher dem Rügevorbringen zuwider nicht zur Erörterung seiner Aussagepassagen betreffend diesen Vorwurf (Schuldspruch I B) verhalten.

[26] Das gegen die Feststellung der pädophilen Neigung des Angeklagten (US 12) gerichtete Vorbringen der Mängelrüge betrifft keine entscheidende Tatsache (erneut RIS‑Justiz RS0124721 [T2]) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

[27] Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) kann nicht mit Mängelrüge als offenbar unzureichend begründet bekämpft werden (zur Anfechtungsmöglichkeit RIS-Justiz RS0106588 [T13]).

[28] Aktenwidrig ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112, RIS‑Justiz RS0099431). Mit dem Vorwurf, entgegen der Darstellung in den Entscheidungsgründen, wonach die Aussage des * A* vor der Landespolizeidirektion Wien am 25. August 2023 „resümierend protokolliert“ worden sei (US 9), wäre diese wortwörtlich transkribiert worden (vgl ON 22.7 S 2), wird kein solches Fehlzitat behauptet.

[29] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch I vermisst Feststellungen zum Ausnützen der Stellung des Beschwerdeführers gegenüber einer minderjährigen Person die seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstand, übergeht aber die gerade dazu getroffenen Konstatierungen (US 7) und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Ausführung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[30] Zum Schuldspruch II B behauptet die Rüge, die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer die urteilsgegenständlichen Übergriffe in seiner Funktion als Sozialpädagoge einer SOS‑Kinderdorf‑Wohngruppe und Bezugsbetreuer des in dieser lebenden * K* (US 7) mit dem Wissen setzte, dass der Genannte seiner Erziehung und Aufsicht unterstand und er die Übergriffe unter Ausnützung seiner Stellung dem Genannten gegenüber setzte (US 8), würden für eine rechtsrichtige Subsumtion nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB nicht ausreichen, ohne dies methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

[31] Die für den Ausspruch eines Tätigkeitsverbots nach § 220b Abs 1 StGB vom Schöffengericht angestellte Gefährlichkeitsprognose bekämpft die Beschwerde sowohl mit Mängelrüge (Z 5) als auch mit Sanktionsrüge (Z 11). Dabei verkennt sie, dass die Prognosenentscheidung nach § 220b StGB – anders als bei den freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahmen der §§ 21 bis 23 StGB (dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 715 ff sowie RIS-Justiz RS0113980 und RS0118581) – mangels eines konkret genannten gesetzlichen Bezugspunkts bloß Gegenstand der Berufung ist (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 720).

[32] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[33] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt hinzuzufügen, dass die Subsumtion der vom Schuldspruch II C umfassten Tat nach § 205 Abs 1 erster Fall StGB verfehlt ist. Denn nach den Urteilsfeststellungen massierte der Angeklagte das schlafende oder schlaftrunkene Opfer unter Ausnützung dieses Zustands am Hodensack (US 7 f), nahm also nicht – wie für die Erfüllung des Tatbestands des § 205 Abs 1 StGB erforderlich – den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung (zum Begriff Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 21 ff), sondern eine sonstige geschlechtliche Handlung am Opfer vor. Auf der Basis dieser Feststellungen erfüllte er den Tatbestand des § 205 Abs 2 StGB.

[34] § 205 StGB sieht in Abs 1 eine Strafdrohung von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, in Abs 2 eine solche von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor.

[35] Ungeachtet dessen wirkte sich der aufgezeigte Rechtsfehler konkret nicht zum Nachteil des Angeklagten aus, weil das Erstgericht bei der Strafbemessung ohnedies (unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB) nach dem Strafsatz des § 207 Abs 1 StGB (US 4) von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausging (US 15). Solcherart war der Fehler nicht von Amts wegen aufzugreifen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22).

[36] Für das Erstgericht besteht angesichts dieser Klarstellung bei der Fällung des Ergänzungsurteils im zweiten Rechtsgang keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS-Justiz RS0129614 [T1]).

[37] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

[38] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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