OGH 6Ob224/24w

OGH6Ob224/24w4.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* GmbH & Co KG, FN *, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J* I*, 2. V* I*, beide *, verteten durch MMag. Peter Schweiger, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientin U* GmbH, FN *, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 43.836,57 EUR sA und Räumung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Oktober 2024, GZ 40 R 72/24w‑95, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 26. Februar 2024, GZ 23 C 87/22k‑80, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00224.24W.0604.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte rückständigen Mietzins und Räumung. Die beklagten Bestandnehmer des Geschäftslokals (Pizzeria) wendeten eine Mietzinsminderung wegen eingeschränkter Benützbarkeit des Bestandobjekts aufgrund von der Nebenintervenientin beauftragter Bauarbeiten ein.

[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ließ die Nebenintervention auf Seiten der Beklagten zu.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung, änderte jedoch die Entscheidung über die Nebenintervention dahin ab, dass es den Beitritt zurückwies. Das Berufungsurteil in der Hauptsache erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der gegen die Rekursentscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Nebenintervenientin ist mangels Beschwer unzulässig:

[5] 1. Die beklagten Parteien, an deren Seite die Nebenintervenientin beigetreten ist, haben in der Hauptsache rechtskräftig obsiegt. Damit ist jener Prozesserfolg eingetreten, den die Nebenintervenientin durch ihren Beitritt angestrebt hat. Der Klärung ihres rechtlichen Interesses an der Nebenintervention käme daher nur noch theoretische Bedeutung zu. Das Rechtsschutzinteresse der Nebenintervenientin reduziert sich auf die Entscheidung des Rekursgerichts über ihre Kosten. Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO kann die Entscheidung im Kostenpunkt aber nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Dieser entscheidet daher in ständiger Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen, dass der Revisionsrekurs des Nebenintervenienten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache mangels Beschwer unzulässig ist (vgl 2 Ob 140/13x; 7 Ob 287/04p; 6 Ob 302/00f; RS0035548).

[6] 2. Gemäß § 50 Abs 2 ZPO ist der Wegfall des Rechtsschutzinteresses (der Beschwer) bei der Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreits über die Zulassung der Nebenintervention vor dem Obersten Gerichtshof nicht zu berücksichtigen und für die Kostenentscheidung der Erfolg des Rechtsmittels hypothetisch nachzuvollziehen, weil die Beschwer der Nebenintervenientin nach Erhebung ihres Rekurses binnen 14 Tagen erst nachträglich infolge unterlassener Anfechtung des Berufungsurteils binnen vier Wochen in der Hauptsache weggefallen ist (vgl 6 Ob 302/00f; 6 Ob 598/94). Bei einem außerordentlichen Rechtsmittel gehört dazu auch die Prüfung, ob die für die Zulässigkeit festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind (RS0038907 [T1]). Das ist hier nicht der Fall:

[7] 3.1. Der Beitretende hat sein rechtliches Interesse iSd § 18 Abs 1 ZPO zu spezifizieren, insbesondere auch dahingehend, dass es am Obsiegen derjenigen Prozesspartei besteht, auf deren Seite der Nebenintervenient beitritt (6 Ob 41/21d [ErwGr 2.]; 3 Ob 7/19d; 3 Ob 211/10s). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse daher gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]). Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den von der Nebenintervenientin zum Beitritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RS0035678 [T1]).

[8] Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (6 Ob 3/22t [ErwGr 2.1.]).

[9] 3.2. Das Rekursgericht war der Auffassung, ein möglicher Regressanspruch der Klägerin gegen die Nebenintervenientin bestünde nur dann nicht, wenn sich ergäbe, dass das Geschäftslokal durch die Bauarbeiten nicht beeinträchtigt wurde und somit die Mietzinsforderung gegen die Beklagten in voller Höhe zu Recht besteht. Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin könne daher nur am Obsiegen der Klägerin bestehen. Obsiegten hingegen die Beklagten, sei die Nebenintervenientin gerade jenen Regressforderungen ausgesetzt, die diese mit ihrem Beitritt zum Verfahren vermeiden wolle. Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin am Obsiegen der Beklagten sei daher nicht gegeben.

[10] 3.3. Dem hält der außerordentliche Revisionsrekurs keine stichhaltigen Argumente entgegen. Auch der Revisionsrekurs stützt das rechtliche Interesse der Nebenintervenientin auf den von der Klägerin angekündigten Rückgriff wegen Mietzinsausfällen. Welche günstigen rechtlichen Auswirkungen diesbezüglich ein Obsiegen der Beklagten auf die rechtlichen Verhältnisse der Nebenintervenientin habe, legte sie aber weder in erster Instanz noch im Revisionsrekurs dar. Nach dem Beitrittsvorbringen der Nebenintervenientin habe die Klägerin trotz Vorliegens eines rechtskräftigen Titels auf Räumung gegen die beklagten Parteien eine Vereinbarung mit diesen getroffen, dass das Mietverhältnis fortgesetzt werde. Die Klägerin handle betreffend das Zahlungsbegehren rechtsmissbräuchlich, weil es ihr lediglich darum gehe, zu Lasten der Nebenintervenientin das Verfahren zu führen und den Mietzinsminderungsanspruch der Beklagten auf die Nebenintervenientin im Regresswege abzuwälzen. Soweit damit die Unwirksamkeit des Bestandvertrags und demzufolge eine Abweisung (nur) des Zahlungsbegehrens angedeutet werden sollte, ist darauf hinzuweisen, dass ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten mit der Klägerin oder eine für die Beklagte erkennbare Benachteiligung der Nebenintervenientin (vgl 3 Ob 66/06m) im Beitrittsvorbringen nicht behauptet wurde.

[11] 3.4. Der Revisionsrekurs bringt somit keine Rechtsfragen der von § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass er zurückzuweisen gewesen wäre.

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