European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150NS00025.25G.0604.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Wels zuständig.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
[1] Mit beim Bezirksgericht Wels eingebrachtem Strafantrag vom 14. Februar 2025 legte die Staatsanwaltschaft Wien * H* eine dem Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB subsumierte Tat zur Last (ON 1.5, 1; ON 10).
[2] Danach hat er am 22. August 2024 in L* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, das von ihm auf der Internetplattform W* angebotene Mobiltelefon tatsächlich zu liefern, * K* zu einer Handlung, nämlich zur Überweisung von 380 Euro verleitet, die diesen mangels Lieferung des Mobiltelefons in diesem Betrag am Vermögen schädigte (ON 10).
[3] Am 21. März 2025 fasste das Bezirksgericht Wels den „Beschluss“ auf Abtretung des Verfahrens „an das örtlich zuständige Bezirksgericht Fünfhaus“, weil der „Ort der Tatbegehung“ (offenbar gemeint: der Tatausführung) nicht bekannt sei und der Erfolg bei der „kontoführenden Stelle (E*-Bank, *)“ (der Bank des Opfers) eingetreten sei (ON 1.8, 1). Beim Bezirksgericht Fünfhaus wurde die Strafsache zu AZ 13 U 88/25y erfasst.
[4] Am 28. März 2025 brachte die Staatsanwaltschaft Wels beim Bezirksgericht Wels einen Strafantrag gegen H* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB ein, das dieser in L* begangen haben soll (ON 13.3; ON 13.1.2, 1).
[5] Mit Verfügung vom 7. April 2025 trat das Bezirksgericht Wels dieses Verfahren (AZ 15 U 66/25w) – nach Dokumentation der vorgenommenen Prüfung des Strafantrags – an das Bezirksgericht Fünfhaus zur gemeinsamen Führung „nach § 37 StPO“ mit dem dort zu AZ 13 U 88/25y gegen H* anhängigen Verfahren ab (ON 13.1.3, 1).
[6] Das Bezirksgericht Fünfhaus (AZ 13 U 88/25y) verfügte am 10. April 2025 die Einbeziehung des Akts AZ 15 U 66/25w des Bezirksgerichts Wels „gemäß § 37 StPO“ und legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vor. Begründend führte es aus, dass mit Blick auf die Adresse und das „Lebensumfeld“ des Angeklagten H* in L* in Ansehung des Betrugs von einem Handlungsort im Sprengel des Bezirksgerichts Wels auszugehen sei. Zudem werde auf den weiteren Strafantrag (wegen Körperverletzung) verwiesen, „wo der Tatort eindeutig im Sprengel des Bezirksgerichts Wels“ liege und auch das Opfer dort wohnhaft sei (ON 1.9, 1).
[7] Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig, so sind die Verfahren gemäß § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO – der auch im bezirksgerichtlichen Verfahren gilt (Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 7/1) – zu verbinden. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich (auch) in diesem Fall nach § 37 Abs 1 und Abs 2 StPO mit der Maßgabe, dass das Verfahren im (hier vorliegenden) Fall des § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO dem Gericht zukommt, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam geworden ist (§ 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO; RIS‑Justiz RS0132157 Punkt 1.).
[8] Die Rechtswirksamkeit von Strafanträgen kommt im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht in einem förmlichen Beschluss zum Ausdruck, sondern im Akt der Einleitung des Hauptverfahrens, also in der Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 StPO). Darunter ist jedes Verhalten des Gerichts zu verstehen, das die Bejahung der Prozessvoraussetzungen unmissverständlich erkennen lässt. Eine Anordnung der Hauptverhandlung ist somit – abgesehen von der expliziten Dokumentation der erfolgten Vorprüfung – jede Entscheidung, deren Ergebnis keines nach § 450 erster Satz StPO (beschlussförmiger Ausspruch sachlicher Unzuständigkeit), § 451 Abs 2 StPO (beschlussförmige Verfahrenseinstellung) oder § 38 StPO (Wahrnehmung eigener Unzuständigkeit nach § 36 Abs 3, Abs 5; § 37 Abs 1, Abs 2 StPO [somit ohne Berücksichtigung einer erst danach gebotenen Verfahrensverbindung]) ist, also jeder contrarius actus dazu (vgl RIS‑Justiz RS0132157 Punkte 2. und 3.).
[9] Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist Rechtswirksamkeit eines Strafantrags – soweit hier von Interesse – bereits dann anzunehmen, wenn das damit angerufene Bezirksgericht „sein“ Verfahren – iSd § 37 Abs 3 StPO – einem anderen Gericht zur Verbindung mit einem dort anhängigen Hauptverfahren überweist (vgl RIS‑Justiz RS0132157 [T1]).
[10] Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 28. März 2025 (ON 13.3) wurde mit Blick auf die vom Bezirksgericht Wels dokumentierte Prüfung des Strafantrags (und die zugleich verfügte Überweisung zur gemeinsamen Verfahrensführung an das Bezirksgericht Fünfhaus) am 7. April 2025 rechtswirksam (ON 13.1.3, 1).
[11] Der zunächst beim Bezirksgericht Wels eingebrachte und von dort unmittelbar an das Bezirksgericht Fünfhaus überwiesene (§ 38 StPO) Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 14. Februar 2025 (ON 10) wurde hingegen (erst) am 10. April 2025 mit der – die Bejahung der Prozessvoraussetzungen voraussetzenden – Verfügung der gemeinsamen Führung des (auf diesem Strafantrag basierenden) Verfahrens des Bezirksgerichts Fünfhaus mit jenem des Bezirksgerichts Wels rechtswirksam.
[12] Gemäß § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO kommt die Kompetenz zur (gemeinsamen) Führung des Verfahrens daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – dem (zuvorgekommenen und aufgrund der Begehung der Körperverletzung in seinem Sprengel örtlich zuständigen) Bezirksgericht Wels zu.
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