European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00225.24K.0603.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, demAntragsteller die mit 180 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Antragsteller war Mieter und der Antragsgegner Vermieter einer Wohnung in einem Haus in Wien.
[2] Der Antragsteller schloss mit der Hausverwaltung als Vertreter der damaligen Eigentümerin des Hauses am 28. 5. 2015 einen zunächst auf vier Jahre befristeten Hauptmietvertrag.
[3] Mit Schenkungsvertrag vom 21. 12. 2015 schenkte und übergab die damalige Eigentümerin die Liegenschaft ihrem Enkelsohn, sie behielt sich aber für ihren Sohn, den Antragsgegner, das Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft vor. Der Antragsgegner ist somit seit 1. 1. 2016 Fruchtgenussberechtigter an der Liegenschaft.
[4] Mit schriftlicher Vereinbarung vom 9. 5. 2019 wurde das bestehende Mietverhältnis auf die Dauer von weiteren drei Jahren bis 27. 5. 2022 verlängert.
[5] Vor Ablauf der zweiten Befristung am 27. 5. 2022 ersuchte der Antragsteller um Verlängerung des Mietverhältnisses. Mit Schreiben vom 20. 5. 2022 teilte die Hausverwaltung dem Antragsteller mit, dass eine Verlängerung des Mietverhältnisses nicht erwünscht sei und dieses daher wie vereinbart am 27. 5. 2022 ende. Da der Antragsteller jedoch bei Wiener Wohnen angemeldet sei, die Zuweisung einer Wohnung aber noch einige Zeit dauern werde, genehmige man vermieterseits einen Räumungsaufschub um sechs Monate, sohin bis 27. 11. 2022, wobei im Zeitraum 28. 5. 2022 bis 27. 11. 2022 keine Miete mehr, sondern Benützungsentgelt in Höhe der bisherigen Miete gezahlt werde. Aus der Zustimmung zum Räumungsaufschub bis 27. 11. 2022 sei keinesfalls eine etwaige Verlängerung bzw ein Wiederaufleben des Mietverhältnisses abzuleiten, sondern werde der Vermieter eine Räumungsklage einbringen, falls der Mietgegenstand am 27. 11. 2022 nicht übergeben werde. Der Antragsteller unterzeichnete dieses Schreiben zum Zeichen der Kenntnisnahme und seines Einverständnisses und retournierte es vor dem 27. 5. 2022 an die Hausverwaltung.
[6] Da dem Antragsteller bis Anfang November 2022 noch immer keine Gemeindewohnung zugeteilt worden war, genehmigte die Hausverwaltung dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. 11. 2022 einen weiteren Räumungsaufschub bis 9. 1. 2023 und hielt darin unter einem fest, dass er im Zeitraum 28. 5. 2022 bis 9. 1. 2023 keine Miete, sondern ein Benützungsentgelt in Höhe der bisherigen Miete zahle und aus der Zustimmung zum Räumungsaufschub bis 9. 1. 2023 keinesfalls eine etwaige Verlängerung bzw ein Wiederaufleben des Mietverhältnisses abzuleiten sei, sondern der Vermieter eine Räumungsklage einbringen werde, falls der Mietgegenstand nicht bis 9. 1. 2023 übergeben werden sollte. Der Antragsteller unterzeichnete dieses Schreiben zum Zeichen der Kenntnisnahme und seines Einverständnisses und retournierte es vor dem 27. 11. 2022 an die Hausverwaltung.
[7] Mangels Rückstellung der Wohnung am 9. 1. 2023 brachte der Antragsgegner als Kläger gegen den Antragsteller als Beklagten am 17. 1. 2023 eine Räumungsklage ein. In der vorbereitenden Tagsatzung vom 11. 7. 2023 erging ein Versäumungsurteil gegen den Antragsteller, das in Rechtskraft erwuchs.
[8] Die vormalige Eigentümerin verstarb am 5. 5. 2023. Ihr Nachlass wurde am 23. 11. 2023 zur Gänze dem Antragsgegner eingeantwortet.
[9] Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Zulässigkeit des vereinbarten und vorgeschriebenen Hauptmietzinses für die vom Antragsteller gemietete Wohnung.
[10] Mit seinem Antragan die Schlichtungsstelle vom 15. 11. 2022 begehrte der Antragsteller die Feststellung der Nutzfläche der Wohnung, die Feststellung der Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses, die Feststellung, in welchem Ausmaß die Hauptmietzinsvereinbarung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten habe und damit unwirksam sei, die Feststellung einer sich aus der Anhebung ergebenden Teilunwirksamkeit des erhöhten Hauptmietzinses iSd § 16 Abs 9 MRG und die Feststellung, um welchen Gesamtbetrag die eingehobenen Beträge das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten.
[11] Dieser Antrag war zunächst gegen die Eigentümerin des Hauses zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags vom 28. 5. 2015 als Erstantragsgegnerin und den aktuellen Eigentümer als Zweitantragsgegner gerichtet. Nach der Aufforderung der Schlichtungsstelle, den Antrag im Hinblick auf das aus dem vorgelegten Grundbuchsauszug ersichtliche Fruchtgenussrecht zu präzisieren, dehnte der Antragsteller seinen Antrag im Schlichtungsstellenverfahren mit Schriftsatz vom 29. 11. 2022 auf den Fruchtgenussberechtigten als Drittantragsgegner aus. In der Schlichtungsstellenverhandlung am 9. 5. 2023 bestätigte der Antragsteller, dass das Mietverhältnis am 27. 5. 2022 beendet worden sei, und zog den Antrag gegenüber der Erstantragstellerin und dem Zweitantragsteller zurück.
[12] Mit seiner Entscheidung vom 9. 10. 2023 wies die Schlichtungsstelle den Antrag mit der Begründung ab, dass dessen Ausdehnung auf den passivlegitimierten Fruchtgenussberechtigten erst nach Ablauf der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG erfolgt sei. Gegen diese Entscheidung rief der Antragsteller das Gericht an (§ 40 Abs 1 MRG).
[13] Das Erstgericht stellte mit Zwischensachbeschluss fest, dass die Antragstellung gegenüber dem Antragsgegner nicht gemäß § 16 Abs 8 MRG präkludiert sei.
[14] Die Richtigstellung der Parteienbezeichnung analog zu § 235 Abs 5 ZPO durch ausdrückliche Einbeziehung des Fruchtgenussberechtigten als nunmehrigen Antragsgegner in das Verfahren vor der Schlichtungsstelle sei zulässig gewesen. Die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG sei daher auch gegenüber dem Antragsgegner durch die ursprüngliche Antragstellung gewahrt.
[15] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung im Ergebnis, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
[16] Einer näheren Auseinandersetzung mit der Argumentation des Rekurses, dass und warum kein Fall der zulässigen Berichtigung der Parteienbezeichnung außerhalb der Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG vorliege, bedürfe es nicht, weil der Antragsteller seinen Antrag im Schlichtungsstellenverfahren am 29. 11. 2022 auch gegen den nunmehrigen Antragsgegner gerichtet habe und die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG zu diesem Zeitpunkt ohnedies noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Parteien hätten nämlich ungeachtet der Verwendung der Begriffe „Räumungsaufschub“ und „Benützungsentgelt“ inhaltlich zwei weitere befristete Bestandverträge abgeschlossen. Die Antragstellung wäre daher im Hinblick auf die in § 16 Abs 8 Satz 3 MRG normierte Verlängerung der Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten ab der letzten Befristung (bis 9. 1. 2023) präkludiert gewesen.
[17] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, dass festgestellt werde, dass die Anträge gegenüber dem Antragsgegner gemäß § 16 Abs 8 MRG präkludiert seien. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[18] In der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Antragsteller, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
[19] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
[20]
Rechtliche Beurteilung
1. Die verfahrensrechtliche Zulässigkeit eines Zwischensachbeschlusses über die Frage der Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG ist nicht zu prüfen. Die allenfalls unrichtige Lösung dieser Frage bedeutete eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz (RS0040918 [T10]), die ausdrücklich gerügt werden hätte müssen, um im Rechtsmittelverfahren Beachtung finden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen (5 Ob 177/20w; vgl RS0040918 [T17]).
[21] 2.1. Das Rekursgericht verneint die Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG, weil der Antragsteller seinen – namentlich gegen die historische Eigentümerin und den aktuellen Eigentümer gerichteten – Antrag noch im Schlichtungsstellenverfahren zu einem Zeitpunkt auf den Antragsgegner ausgedehnt habe, zu dem die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Parteien hätten das Mietverhältnis nämlich nach Ablauf der letzten wirksam vereinbarten Befristung am 27. 5. 2022 noch zwei Mal – ohne Einhaltung der in § 29 MRG zwingend vorgesehenen Mindestfrist von drei Jahren – verlängert. Dass die Hausverwaltung des Antragsgegners diese Verträge dabei als „Räumungsaufschub“ und das zu leistende Entgelt als „Benützungsentgelt“ bezeichnet und festgehalten habe, dass dadurch keine Verlängerung des Mietverhältnisses zustande komme, ändere nichts daran, dass der übereinstimmende Parteiwille weiterhin auf die Überlassung des Mietgegenstands gegen Entgelt gerichtet gewesen sei, sodass der anderslautenden Bezeichnung keine Bedeutung zukomme. Die zuletzt gewährten Befristungen seien zwar rechtlich nicht durchsetzbar, die in § 16 Abs 8 Satz 3 MRG normierte Verlängerung der Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung von sechs Monaten gelte aber auch im Fall der unwirksamen Verlängerung eines zunächst wirksam befristeten Bestandverhältnisses. Dementsprechend sei die Antragstellung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten ab der letzten (nicht durchsetzbaren) Befristung präkludiert. Der Antragsteller habe den Antrag daher lange vor Ablauf der Präklusionsfrist gegen den Antragsgegner als dem tatsächlichen Vermieter gerichtet.
[22] 2.2. Das Rekursgericht betont in seiner Argumentation die Maßgeblichkeit des übereinstimmenden Parteiwillens für die rechtliche Qualifikation einer vertraglichen Vereinbarung (vgl RS0017814). Richtig ist, dass, wenn sich die Vertragsparteien in der Sache einig sind, ihr übereinstimmender Wille unabhängig davon gilt, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben („falsa demonstratio non nocet“; RS0014005; RS0016236). Haben daher beide Teile dasselbe gewollt, mag es auch vielleicht unvollkommen oder mehrdeutig ausgedrückt worden sein, so gilt das Gewollte ohne Rücksicht auf die Erklärungen als Vertragsinhalt (RS0017839). Die von den Parteien im Zuge einer Verhandlung über den Abschluss eines Vertrags gegenseitig abgegebenen Erklärungen sowie ihre diesen Erklärungen allenfalls nicht entsprechende, jedoch übereinstimmende Absicht sind dabei Gegenstand einer Tatsachenfeststellung. Dagegen ist es eine Frage der rechtlichen Beurteilung der Sache, welche Rechtswirkungen dadurch erzielt wurden (RS0017882 [T2]).
[23] Dem Revisionsrekurswerber, der diese Problematik aus dem Blickwinkel der Konkludenz aufwirft und die Auffassung des Rekursgerichts als Annahme einer stillschweigenden Vertragsverlängerung versteht, ist darin zuzustimmen, dass das Erstgericht keine Feststellungen getroffen hat, wonach die schriftlichen Erklärungen in den als „Räumungsaufschub“ bezeichneten Vereinbarungen nicht der übereinstimmenden Absicht entsprachen. Gleiches gilt für Verhaltensweisen, die die Annahme der schlüssigen Erklärung eines davon abweichenden rechtsgeschäftlichen Willens rechtfertigen könnten. Auch solche hat das Erstgericht nicht festgestellt.
[24] Es trifft auch zu, dass nicht jede Form der Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt zwingend als Bestandvertrag zu qualifizieren ist, vielmehr etwa auch ein Räumungsaufschub den Rechtsgrund für einen entsprechenden Leistungsaustausch bilden kann. Die gemäß den §§ 1114 f ABGB, § 569 ZPO bestehende Vermutung der Erneuerung des Bestandvertrags wird durch jeden Vorgang widerlegt, durch den ein Vertragspartner seinen Willen, die stillschweigende Erneuerung des Vertrags zu verhindern, in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zum Endtermin durch unverzügliche, nach außen erkennbare Erklärungen oder Handlungen so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass bei objektiver Würdigung kein Zweifel an einer ernstlichen Ablehnung der Vertragserneuerung aufkommen kann und für den Bestandnehmer in unzweideutiger Weise zum Ausdruck gebracht wird, dass der Bestandgeber nicht gewillt ist, das Bestandverhältnis über einen bestimmten Termin hinaus fortzusetzen (4 Ob 205/22h; RS0020790; RS0033050; RS0020804). Die Gewährung eines Räumungsaufschubs durch den Bestandgeber um ein halbes Jahr ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnis steht dabei dem erklärten Ablehnungswillen des Bestandgebers in der Regel nicht entgegen (9 Ob 84/04z = RS0033050 [T1]; 2 Ob 527/94; vgl auch 1 Ob 223/08p). In einem solchen Fall kann auch die Entgegennahme der monatlichen Zahlungen durch den Vermieter eine schlüssige Fortsetzung nicht begründen (vgl 4 Ob 205/22h).
[25] 2.3. Die Ausführungen des Rekursgerichts zur Maßgeblichkeit des übereinstimmenden Parteiwillens können vor diesem Hintergrund auch dahin verstanden werden, dass dieses im Grunde die Ernstlichkeit der Ablehnung der Vertragsverlängerung bezweifelt und in der Gewährung eines Räumungsaufschubs genau genommen ein Umgehungsgeschäft sieht.
[26] Nach allgemeinen Grundsätzen liegt ein Umgehungsgeschäft dann vor, wenn ein Rechtsgeschäft zwar nicht dem Buchstaben des Gesetzes nach gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, im Ergebnis aber doch den Zweck des Gesetzesverbots vereitelt, wenn also die Parteien die von einer Norm angeordnete Rechtsfolge dadurch vermeiden, dass sie ein Rechtsgeschäft schließen, das dem Wortlaut nach nicht von dieser Norm betroffen ist, jedoch den gleichen Zweck erfüllt wie das verbotene Geschäft. Das Umgehungsgeschäft unterliegt der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Es ist dabei auf den Normzweck abzustellen. Würde der Normzweck durch die Zulassung des Umgehungsgeschäfts vereitelt werden, ist das Umgehungsgeschäft wie das eigentlich angestrebte Geschäft zu behandeln (5 Ob 16/24z mwN).
[27] Die hier zu beurteilenden Vereinbarungen eines Räumungsaufschubs könnten demnach dann als ein Umgehungsgeschäft zu qualifizieren sein, wenn sie objektiv den Sinn und Zweck gehabt hätten, die Mindestbefristungsdauer zu umgehen, die Parteien ihr Rechtsverhältnis also so gestaltet hätten, dass sie den vom Gesetz verpönten Erfolg der Verkürzung der gesetzlichen Mindestbefristungsdauer erreichen.
[28] Eine subjektive Umgehungsabsicht ist für den Tatbestand des Umgehungsgeschäfts im Allgemeinen – von gesetzlichen Ausnahmetatbeständen wie etwa § 2 Abs 3 MRG abgesehen – nicht erforderlich. Es genügt, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt; auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an (5 Ob 16/24z mwN). Wollte man für vorliegende Konstellation – ausnahmsweise – eine subjektive Umgehungsabsicht fordern, müsste die Rechtsprechung zu dem Ausnahmefall des § 2 Abs 3 MRG Anwendung finden, wonach es bei Vorliegen genügender Anhaltspunkte für eine Umgehungsabsicht Sache des Vermieters ist, die vorhandenen Indizien zu entkräften und den Anschein zu widerlegen (vgl RS0069630; RS0069728).
[29] 2.4. Abgesehen davon, dass sich auf Basis desfestgestellten Sachverhalts das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts noch nicht abschließend beurteilen lässt, darf das Gericht die Parteien in seiner Entscheidung auch nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Es erübrigt sich hier aber, den Parteien Gelegenheit zu geben, vor dem Erstgericht zu diesen bisher nicht (ausreichend) erörterten Gesichtspunkten (ergänzendes) Vorbringen zu erstatten und Beweisanbote zu stellen.Die Entscheidung hängt nämlichletztlich nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage ab, weil der Antragsgegner der selbständig tragfähigen Begründung des Erstgerichts für die Rechtzeitigkeit des Antrags iSd § 16 Abs 8 MRG nichts Stichhaltiges entgegen zu halten vermag.
[30] 3.1. Das Erstgericht verneinte die Präklusion der Anträge nach § 16 Abs 8 MRG und begründete dies damit, dass die Richtigstellung der Parteienbezeichnung auf den Antragsgegner zulässig gewesen und die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG deshalb schon durch die ursprüngliche Antragstellung gewahrt worden sei. Der Antragsteller habe in seinem verfahrenseinleitenden Antrag an die Schlichtungsstelle auf ein zwischen ihm und den beiden namentlich als Antragsgegner angeführten Liegenschaftseigentümern bestehendes Mietverhältnis Bezug genommen und darauf bezogene Anträge gestellt, ohne sich auf bestimmte Mietzinsperioden zu beschränken. Damit sei eindeutig klargestellt, dass sich der Antrag inhaltlich gegen die „Vermieterseite“ (sämtliche tatsächlichen Vermieter) und damit (von vornherein auch) gegen den Antragsgegner als Fruchtgenussberechtigten gerichtet habe, zumal dem Antrag ein Grundbuchsauszug, aus dem sich der Fruchtgenuss des Antragsgegners ergebe, und eine vom Antragsgegner vorgenommene Mietzinsvorschreibung angeschlossen gewesen sei.
[31] 3.2. Nachder Rechtsprechung des Fachsenats ist (auch) im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren die Richtigstellung einer Parteibezeichnung ohne formelle Beschlussfassung darüber dann zulässig, wenn sich der Antrag seinem Sachvorbringen nach eindeutig gegen eine Person in ihrer bestimmten Eigenschaft richtet (5 Ob 272/09z; 5 Ob 108/09g; 5 Ob 93/07y = RS0113769 [T2]). Das gilt insbesondere dann, wenn der Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis, etwa einen Mietvertrag eindeutig ergibt, wer als Verfahrensgegner in Anspruch genommen werden soll. In diesen Fällen hat die Judikatur die Richtigstellung einer nur falsch bezeichneten aber eindeutig klar erkennbaren Partei selbst dann für zulässig angesehen, wenn es dadurch zu einem Parteiwechsel kam (5 Ob 93/07y mwN).
[32] Das gilt zunächst in jenen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren uneingeschränkt, für die nicht – wie hier – eine sukzessive Zuständigkeit der Gerichte nach vorheriger Anrufung der Schlichtungsstelle (§§ 39, 40 MRG) vorgesehen ist und keine Identität der „Sache“ vorliegen muss (5 Ob 272/09z; 5 Ob 108/09g; 5 Ob 93/07y; RS0113769 [T5]). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist allerdings im Fall der Vermietermehrheit zufolge Miteigentums die Ausdehnung des Antrags auf weitere Miteigentümer auch erst im gerichtlichen Verfahren ausnahmsweise dann nicht unzulässig, wenn der Antrag vor der Schlichtungsstelle gegen die Person gerichtet ist, die im Mietvertrag als Hauseigentümer und Vermieter aufscheint. Der Antrag ist dann dahin zu verstehen, dass er nur namentlich gegen den Mehrheitseigentümer (bzw dessen Rechtsnachfolger), inhaltlich aber gegen die „Vermieterseite“ gerichtet ist, was die amtswegige Beiziehung der Minderheitseigentümer auch erst im gerichtlichen Verfahren ermöglicht und erfordert (5 Ob 45/23p; RS0117152; RS0083777 [T18]). Die Durchbrechung des Grundsatzes, ein bei der Schlichtungsstelle nur gegen einen Teil der Miteigentümer gerichteter Antrag könne nicht vor Gericht auf andere Miteigentümer ausgedehnt werden, ist demnach dann angezeigt, wenn nach dem verfahrenseinleitenden Antrag an die Schlichtungsstelle eindeutig ist, dass er in Wahrheit gegen die Person gerichtet ist, die die Vermieterposition innehat und nur fälschlich ein anderer genannt wurde (5 Ob 99/11m).
[33] Diese für die Fälle der Vermietermehrheit zufolge Miteigentums entwickelte Rechtsprechung zur Möglichkeit der Umdeutung lässt sich auf vergleichbare Konstellationen übertragen. So ging es auch in der zitierten Entscheidung zu 5 Ob 45/23p nicht darum, dass eine Umdeutung nur möglich wäre, wenn im Verfahren vor der Schlichtungsstelle die Beiziehung eines weiteren Miteigentümers (und Vermieters) irrtümlich unterblieb. Der Umdeutung stand vielmehr (nur) entgegen, dass vor der Schlichtungsstelle die Benennung des „richtigen“ Eigentümers unterblieben war. Im vorliegenden Fall führte der Antragsteller die historische Eigentümerin als Erstantragsgegnerin und den aktuellen Eigentümer als Zweitantragsgegner namentlich an. Der Mietvertrag und die Verlängerungsvereinbarung (Blg ./2 im Gerichtsakt) wiesen als Vermieter allerdings jeweils die „Hausinhabung des Hauses“ bzw die „Hausinhabung“ auf. Der Antragsteller legte mit dem verfahrenseinleitenden Antrag zudem sowohl einen Grundbuchauszug (Blg ./D im Schlichtungsstellenakt), in dem der Antragsgegner als Fruchtgenussberechtigter aufscheint, als auch eine Mietzinsvorschreibung in dessen Namen (Blg ./C im Schlichtungsstellenakt) vor. In Zusammenschau mit diesen Urkunden ist dieser Antrag mit dem Erstgericht dahin umzudeuten, dass er in Wahrheit zumindest auch gegen den nunmehrigen Antragsgegner gerichtet sein sollte.
[34] 3.3. Wenn ein Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG auf diejenigen Personen richtigzustellen ist (oder – wie hier – schon im Schlichtungsstellenverfahren richtig gestellt wurde), gegen die sich nach dem Inhalt des Antrags in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise der Antrag gerichtet hat, ist die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG bereits durch die Antragstellung gewahrt (RS0113769).
[35] Ist die Präklusion schon mangels Fristversäumnis ohnedies zu verneinen, erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob der vom Antragsteller gesondert gestellte Antrag auf Feststellung der Nutzfläche der Wohnung überhaupt der Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG unterliegt (vgl 5 Ob 206/24s [Feststellung der Urkategorie]).
[36] 4.1. Der Revisionsrekurs istsomit im Ergebnis nicht berechtigt.
[37] 4.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, dem im Revisionsrekursverfahren obsiegenden Antragsteller Kostenersatz zuzuerkennen.
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