OGH 10ObS54/25a

OGH10ObS54/25a3.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Dr. Annerl als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl und andere Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. März 2025, GZ 11 Rs 7/25s‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. November 2024, GZ 32 Cgs 212/24y‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00054.25A.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 251,35 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 41,89 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die 1938 geborene, seit Jahrzehnten in Österreich wohnhafte Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin und bezieht ausschließlich eine Altersrente von der deutschen Rentenversicherung, aber keine österreichische Pensionsleistung. Aufgrund einer Selbstversicherung ist die Klägerin seit 2003 bei der Österreichischen Gesundheitskasse krankenversichert (§ 16 Abs 1 ASVG).

[2] Mit Bescheid vom 10. 7. 2024 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Pflegegeld ab.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die dagegen erhobene und auf § 3a BPGG gestützte Klage mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Klägerin in Österreich keinen primären Leistungsanspruch im Fall der Krankheit habe, sodass nach Art 24 VO (EG) 883/2004 der rentenauszahlende Mitgliedstaat (also Deutschland) und nicht der Wohnsitzmitgliedstaat zuständig sei. Daran ändere auch die von der Klägerin in Österreich abgeschlossene freiwillige Selbstversicherung nichts.

[4] Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob bei der Beurteilung der Anspruchsberechtigung nach § 3a BPGG das Bestehen einer Selbstversicherung nach § 16 Abs 1 ASVG in Österreich als dem Wohnsitzmitgliedstaat die kollisionsrechtliche Zuständigkeit des pensionsauszahlenden Mitgliedstaat (Deutschland) zur Erbringung von Pflege‑(geld‑)leistungen ausschließt.

[5]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

[6] Das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921; RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn diese durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde. Dieser Fall liegt hier vor:

[7] Sämtliche in der Revision als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen hat der Senat bereits davor in seiner Entscheidung zu 10 ObS 40/25t mit ausführlicher Begründung geklärt. Dieser Entscheidung lag ein nahezu identer Sachverhalt zugrunde.

[8] Nach der Entscheidung zu 10 ObS 40/25t sind bei der kollisionsrechtlichen Prüfung der Frage, ob bei Rentenbezug eines Pflegebedürftigen nur aus einem anderen Mitgliedstaat (dort ebenfalls Deutschland) und Wohnsitz in Österreich eine Zuständigkeit Österreichs für die Gewährung von Pflegegeld besteht, dessen Ansprüche auf Sachleistungen aus der österreichischen Krankenversicherung aufgrund einer Selbstversicherung nach § 16 Abs 1 ASVG unberücksichtigt zu lassen, wenn er unter Zugrundelegung einer Wohnsitzfiktion im rentenzahlenden Mitgliedstaat (Art 24 Abs 1 Satz 1 VO [EG] 883/2004) in die Krankenversicherung dieses Staats einbezogen wäre. Eine unzulässige Beschränkung der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ist damit nicht verbunden.

[9] Das Ergebnis zu 10 ObS 40/25t deckt sich mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, zumal in beiden Verfahren in dritter Instanz unstrittig blieb, dass die jeweils klagenden Parteien (unter Annahme eines Wohnsitzes in Deutschland) in die Krankenversicherung des rentenauszahlenden Staats eingebunden wären.

[10] Ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG kann auch dann erfolgen, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision zugelassen hat, der Oberste Gerichtshof diese jedoch mangels einer Rechtsfrage iSd § 2 Abs 1 ASGG, § 502 Abs 1 ZPO zurückweist (RS0085898 [T2]). Im Anlassfall entspricht es auch der Billigkeit, der unterlegenen Versicherten (die nach ihrem Vorbringen von der Unterstützung ihrer Tochter und von Ersparnissen lebt) den Ersatz der Hälfte der Kosten ihrer Rechtsvertretung zuzuerkennen, zumal die Entscheidung im Zeitpunkt des Einbringens der Revision noch von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängig war (vgl RS0085871). Pauschalgebühren sind gemäß § 80 ASGG in Sozialrechtssachen jedoch nicht zu entrichten.

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