European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00040.25T.0603.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Sozialrecht, Unionsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 251,35 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 41,89 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz seit 28. 5. 1986 in Österreich. Sie ist mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, bei dem sie bis zu dessen Pensionierung in der österreichischen Krankenversicherung mitversichert war. Am 19. 4. 2001 stellte sie einen Antrag auf Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 Abs 1 ASVG. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse entsprach diesem Antrag und erkannte ihr für die Zeit ab 1. 1. 2001 einen Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung zu.
[2] Die Klägerin bezieht ausschließlich eine Altersrente von der deutschen Rentenversicherung, die seit 1. 7. 2020 (einschließlich eines Zuschusses zur privaten Krankenversicherung von 43,77 EUR) insgesamt 804,80 EUR beträgt. Sie leistet in Deutschland keine Krankenversicherungsbeiträge, auch nicht zu einer privaten (Pflege‑)Versicherung.
[3] Mit Bescheid vom 26. 6. 2023 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Pflegegeld ab. Da die Klägerin der Krankenversicherung in Deutschland zugehörig sei, sei dieser Staat auch für die pflegebedingten Leistungen zuständig.
[4] Mit ihrer dagegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung von Pflegegeld im gesetzlichen Ausmaß. Für Personen, die eine Rente aus einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnmitgliedstaat beziehen, sei nur dann der rentenauszahlende Mitgliedstaat anstelle des Wohnmitgliedstaats für Geldleistungen bei Krankheit zuständig, wenn der Rentner im Wohnmitgliedstaat keinen primären Leistungsanspruch bei Krankheit habe. Da sie nun aber seit mehr als 20 Jahren in der österreichischen Krankenversicherung selbstversichert sei und sämtliche Leistungen aus dieser Krankenversicherung beziehe, habe sie einen solchen primären Leistungsanspruch in Österreich. Sie sei gemäß § 3a Abs 2 BPGG österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen.
[5] Die Beklagtehält dem entgegen, gemäß § 3a BPGG gebühre der Klägerin in Österreich nur dann Pflegegeld, wenn nach der Verordnung (EG) 883/2004 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig sei. Kollisionsrechtlich sei der pensionsauszahlende Mitgliedstaat, also Deutschland, für die Gewährung dieser Leistungen zuständig.
[6] Das Erstgerichtgab der Klage mit Zwischenurteil dem Grunde nach statt.
[7] Die nach § 16 ASVG freiwillig selbstversicherte Klägerin habe einen primären Leistungsanspruch auf Sachleistungen aus der österreichischen Krankenversicherung. Dies begründe die kollisionsrechtliche Zuständigkeit Österreichs für Pflegeleistungen.
[8] Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies das Klagebegehren ab.
[9] Für Rentner, die nur eine Rente eines anderen Mitgliedstaats beziehen und keinen primären Leistungsanspruch im Fall der Krankheit im Wohnmitgliedstaat haben, sei nach Art 24 VO (EG) 883/2004 grundsätzlich der rentenauszahlende Mitgliedstaat und nicht der Wohnmitgliedstaat zuständig. Auf das tatsächliche Bestehen einer Krankenversicherung im rentenzahlenden Staat oder darauf, ob dort Leistungen im Fall der Pflegebedürftigkeit erbracht werden, komme es nicht an. Entscheidend sei vielmehr, ob ein Sachleistungsanspruch im rentenzahlenden Mitgliedstaat unter der Annahme bestünde, der Rentner würde in diesem Mitgliedstaat wohnen. Unter Zugrundelegung dieser Wohnsitzfiktion käme der Klägerin in Deutschland aufgrund von § 193 dVVG jedenfalls ein eigenständiger Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit zu. Dieser werde auch nicht durch den von der Klägerin behaupteten Sachleistungsanspruch aus der österreichischen Krankenversicherung verdrängt. Die Selbstversicherung gemäß § 16 ASVG sei zwar kein Fall einer bloßen Mitversicherung iSd §§ 122 f ASVG bzw §§ 55 f B-KUVG, also eines bloß abgeleiteten Anspruchs als Familienangehöriger (im Wohnsitzstaat), dem der eigenständige Sachleistungsanspruch (im rentenzahlenden Staat) nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gemäß Art 32 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 von vornherein vorgehe. § 16 ASVG räume nämlich einen eigenen Sachleistungsanspruch ohne erforderlichen Bezug zu einem anderen Versicherten ein. Nach Art 14 Abs 2 VO (EG) 883/2004 und § 16 Abs 1 ASVG setze eine freiwillige Selbstversicherung das Fehlen eines Pflichtversicherungsverhältnisses voraus. Daher sei zu prüfen, ob die – unter Annahme eines Wohnsitzes in Deutschland – bestehende Pflichtversicherung der Klägerin (bzw deren Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung) in Deutschland einer Selbstversicherung der Klägerin in Österreich zuwiderlaufe. Mit Spiegel (Anm zu 10 ObS 38/23w, DRdA 2024/31) sei davon auszugehen, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden eine Selbstversicherung ausgeschlossen sei, weil die Pflichtversicherung (bzw Versicherungspflicht) in Deutschland dem Recht auf Selbstversicherung entgegenstehe. Im Ergebnis sei der Fall einer unzulässigen bzw beendeten Selbstversicherung nach § 16 ASVG somit gleich zu beurteilen wie jener einer bloßen Mitversicherung in Österreich. Für Sachleistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit und folglich auch für Geldleistungen wie das Pflegegeld bleibe nach der VO (EG) 883/2004 ausschließlich Deutschland als rentenauszahlender Staat zuständig. Dies stehe gemäß § 3a Abs 1 BPGG einem Pflegegeldanspruch in Österreich entgegen.
[10] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage, ob eine Selbstversicherung nach § 16 ASVG Grundlage für die Zuständigkeit Österreichs zur Leistung von Pflegegeld sein könne, wenn der Pflegebedürftige ausschließlich eine Rente aus Deutschland beziehe, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[11] Mit ihrerRevisionstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Zwischenurteils des Erstgerichts an.
[12] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Revision keine Folge zu geben.
[13] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
[14] Die Klägerin steht im Revisionsverfahren zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass sie in Österreich im Rahmen ihrer Selbstversicherung nach § 16 ASVG krankenversichert sei und in keinem anderen Mitgliedstaat der Union eine Krankenversicherung existiere, woraus sich ihre Anspruchsberechtigung aus § 3a Abs 1 BPGG ergebe. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts laufe auf eine (mittelbare) Diskriminierung einer Unionsbürgerin (Art 18 AEUV) aufgrund der Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat hinaus und verstoße gegen den Grundsatz der Freizügigkeit (Art 21 AEUV). Die Zugrundelegung der Wohnsitzfiktion zwinge die Klägerin faktisch zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung im Staat der Rentenauszahlung. Tatsächlich bestehe aber keine Versicherungspflicht in Deutschland und liege ein eigenständiger Leistungsanspruch in Österreich vor.
Rechtliche Beurteilung
[15] Dieser Argumentation kommt keine Berechtigung zu:
[16] 1. Gemäß § 3a Abs 1 BPGG besteht Anspruch auf Pflegegeld auch ohne Grundleistung gemäß § 3 Abs 1 und 2 BPGG für österreichische und diesen nach § 3a Abs 2 BPGG gleichgestellte Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sofern nach der VO (EG) 883/2004 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist.
[17] Im Verfahren steht nicht in Zweifel, dass die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und infolge ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts österreichischen Staatsbürgern gemäß § 3a Abs 2 Z 3 BPGG gleichgestellt ist. Für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach § 3a Abs 1 BPGG sind nach ständiger Rechtsprechung allein die Kollisionsregeln nach Art 11 ff VO (EG) 883/2004 heranzuziehen (RS0131205). Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist unstrittig eröffnet.
[18] 2. Das Pflegegeld nach dem BPGG ist als „Leistung bei Krankheit“ iSd Art 3 Abs 1 lit a VO (EG) 883/2004 und zugleich als Geldleistung iSd Art 21 ff, konkret des Art 29 VO (EG) 883/2004 anzusehen (vgl 10 ObS 3/22x Rz 15 f; 10 ObS 38/23w Rz 11 mwN; vgl idS zur VO [EWG] 1408/71: EuGH C‑215/99 , Jauch, Rn 28 und 35).
[19] Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass für die Gewährung von Pflegegeld an Pensionisten (Rentner) mit einer Pension (Rente) eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union nach Art 29 Abs 1 iVm Art 21 VO (EG) 883/2004 in der Regel der pensionsauszahlende Staat und nicht der Wohnsitzstaat zuständig ist (10 ObS 123/16k ErwGr 2.8; 10 ObS 34/20b ErwGr 1.3; 10 ObS 38/23w Rz 13 ua). Die Zuständigkeit des rentenzahlenden Mitgliedstaats setzt voraus, dass aufgrund des Rentenanspruchs eine Einbeziehung in die Krankenversicherung des rentenzahlenden Mitgliedstaats besteht oder eine solche Einbeziehung unter Zugrundelegung einer Wohnsitzfiktion in diesem Mitgliedstaat bestünde (Art 24 Abs 1 Satz 1 VO [EG] 883/2004; eingehend dazu 10 ObS 38/23w Rz 14, 20 und 31; 10 ObS 100/24i Rz 11). Hinzu kommt als negative Tatbestandsvoraussetzung, dass der Pensionist (Rentner) keinen konkurrierenden primären Leistungsanspruch im Fall der Krankheit im Wohnmitgliedstaat hat (vgl 10 ObS 3/22x Rz 24 mwN).
[20] 3. In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof, unter Verweis auf die in Art 32 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 statuierte Rangfolge der Sachleistungsansprüche, wonach ein eigenständiger Sachleistungsanspruch Vorrang vor einem abgeleiteten Anspruch auf Leistungen für Familienangehörige hat, bereits klargestellt, dass abgeleitete Sachleistungsansprüche im Sinn der erwähnten unionsrechtlichen Bestimmung (10 ObS 38/23w Rz 15 ff) für die kollisionsrechtliche Prüfung unberücksichtigt zu bleiben haben. Das wurde zu Ansprüchen zugunsten eines Rentners als Angehöriger („Mitversicherung“) aus der österreichischen Krankenversicherung nach § 123 ASVG (10 ObS 202/21k Rz 16; 10 ObS 31/22i Rz 15) oder § 56 B‑KUVG (10 ObS 3/22x Rz 21) judiziert.
[21] Die hier zu beurteilenden Ansprüche der Klägerin aus der Selbstversicherung nach § 16 ASVG sind allerdings – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – nicht als abgeleitet iSd Art 32 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 zu qualifizieren. Insoweit wird auf die oben zusammengefasst wiedergegebene, zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
[22] 4. Dessen ungeachtet sind diese von der Klägerin ins Treffen geführten Ansprüche auf Sachleistungen aus der österreichischen Krankenversicherung aus den bereits vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Spiegel (DRdA 2024/31) dargelegten Erwägungen bei der vorliegenden kollisionsrechtlichen Prüfung der Zuständigkeit für die Erbringung pflegebedingter Leistungen unbeachtlich.
[23] 4.1. Nach Spiegel vermag ein Sachleistungsanspruch im Wohnmitgliedstaat aus einer Mitversicherung oder freiwilligen Versicherung Art 24 VO (EG) 883/2004 dann nicht zu „überlagern“, wenn die im rentenzahlenden Mitgliedstaat – wie hier in Deutschland (§ 193 Abs 3 dVVG) – an sich bestehende Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung eine solche Mit- oder Selbstversicherung wie eine österreichische Pflichtversicherung ausschließen müsste. Dies folge aus einer konsequenten Anwendung des in Art 32 Abs 1 DVO (EG) 987/2009 zum Ausdruck gebrachten Grundsatzes, dass nationale Besonderheiten einzelner Mitgliedstaaten sich nicht zulasten anderer Mitgliedstaaten auswirken dürfen. Diese „als-ob-Krankenversicherung“ in einem anderen Mitgliedstaat müsse auch in Bezug auf eine Mitversicherung bzw eine freiwillige Versicherung wie eine bestehende Pflichtversicherung in einem anderen Mitgliedstaat als anspruchsausschließend gewertet werden.
[24] 4.2. Der erkennende Senat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an, denen die Klägerin in ihrer Revision nichts Entscheidendes entgegenzusetzen vermag:
[25] 4.2.1. Der von ihr relevierte Umstand, dass sie in Deutschland tatsächlich keinen Wohnsitz hat, damit aber keiner Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung nach § 193 Abs 3 dVVG unterliegt, ist nicht entscheidend. Bei der hier vorzunehmenden rein kollisionsrechtlichen Beurteilung kommt es nämlich bloß darauf an, ob die Klägerin unter Zugrundelegung einer Wohnsitzfiktion in die Krankenversicherung des rentenzahlenden Mitgliedstaats einbezogen wäre (vgl dazu bereits unter Punkt 2.). Dass dies der Fall ist, zieht die Klägerin nicht in Zweifel.
[26] 4.2.2. Ebenso wenig verfängt ihr Rechtsmittelvortrag, wonach sie bereits seit Jahrzehnten zuverlässig in die österreichische Krankenversicherung einbezahlt und daraus im Krankheitsfall auch Leistungen bezogen habe. Soweit sie mit diesem Vorbringen darauf abzielt, dass nach nationalem Recht sehr wohl von einer zulässigen und aufrechten Selbstversicherung nach § 16 Abs 1 ASVG auszugehen sei, ist ihr zu entgegnen, dass es bei der Anwendung der Kollisionsregeln der VO (EG) 883/2004 auf die innerstaatliche Beurteilung des Versicherungsverhältnisses gerade nicht ankommt.
[27] Im Übrigen würde auch nach nationalem Recht eine bestehende Krankenversicherung der Klägerin im Sinn des § 16 Abs 1 ASVG keinen Anspruch auf Pflegegeld begründen. Das BPGG stellt für den Anspruch auf Pflegegeld nicht auf eine Einbeziehung in die Krankenversicherung ab (10 ObS 100/24i Rz 18).
[28] 4.2.3. Nicht zielführend ist ferner der Verweis der Klägerin auf Art 14 Abs 1 VO (EG) 883/2004 und die darin statuierte Ausnahme vom Grundsatz des einheitlichen Sozialrechtsstatuts für den Fall der freiwilligen (Weiter-)Versicherung, mit der Folge, dass eine freiwillige Versicherung – wie die hier in Rede stehende Selbstversicherung nach § 16 ASVG – grundsätzlich auch in einem im Sinn der VO (EG) 883/2004 nicht zuständigen Staat möglich sei (vgl 10 ObS 131/21v Rz 11 mwN).
[29] Für ihren Rechtsstandpunkt positive Folgerungen vermag die Klägerin aus dieser Vorschrift schon vor dem Hintergrund des Abs 2 der genannten Bestimmung nicht abzuleiten, der ausdrücklich normiert, dass eine Person, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Pflichtversicherung unterliegt, in einem anderen Mitgliedstaat keiner freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung unterliegen darf. Die Rechtsansicht der Klägerin liefe letztlich auf eine Rechtswahlmöglichkeit hinaus, wodurch die mit der VO (EG) 883/2004 bezweckte Koordinierung der mitgliedstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit konterkariert würde.
[30] 4.2.4. Weiters begründet der Umstand, dass die Klägerin infolge der Leistungszuständigkeit Deutschlands in unionsrechtlich zulässiger Weise nicht alle Anspruchsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht erfüllt, keine (mittelbare) Diskriminierung iSd Art 4 VO (EG) 883/2004 (10 ObS 34/20b ErwGr 2.5 mwN), beruht diese Beurteilung doch gerade nicht auf der Staatsangehörigkeit der Klägerin (10 ObS 100/24i Rz 19).
[31] 4.2.5. Schließlich nimmt die Klägerin mit ihrer Kritik, sie werde durch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts in ihrem Recht auf Freizügigkeit verletzt, nicht hinreichend darauf Bedacht, dass das bloß koordinierende Sozialrecht der Europäischen Union kein einheitliches, harmonisiertes „Europäisches Sozialversicherungssystem“ schafft, sondern das Sozialrecht der Mitgliedstaaten grundsätzlich unberührt lässt (10 ObS 188/10k ErwGr 2.3.; 10 ObS 83/23p Rz 59). Einem Erwerbstätigen ist nicht garantiert, dass die Ausweitung seiner Tätigkeit auf mehr als einen Mitgliedstaat oder deren Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist (10 ObS 21/20s ErwGr 3.3. unter Hinweis auf EuGH C-134/18 , Vester, Rn 32).
5. Als Ergebnis der vorstehenden Erwägungen wird festgehalten:
[32] Bei der kollisionsrechtlichen Prüfung der Frage, ob bei Rentenbezug eines Pflegebedürftigen nur aus einem anderen Mitgliedstaat und Wohnsitz in Österreich eine Zuständigkeit Österreichs für die Gewährung von Pflegegeld besteht, sind dessen Ansprüche auf Sachleistungen aus der österreichischen Krankenversicherung aufgrund einer Selbstversicherung nach § 16 Abs 1 ASVG unberücksichtigt zu lassen, wenn er unter Zugrundelegung einer Wohnsitzfiktion im rentenzahlenden Mitgliedstaat (Art 24 Abs 1 Satz 1 VO [EG] 883/2004) in die Krankenversicherung dieses Staats einbezogen wäre.
[33] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Dadie Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 2 Abs 1 ASGG, § 502 Abs 1 ZPO abhängig war, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Versicherten den Ersatz der Hälfte der Kosten ihrer Rechtsvertretung zuzuerkennen (vgl RS0085871).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)