OGH 2Ob67/25d

OGH2Ob67/25d3.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch die Dr. Roland Gabl Rechtsanwalts KG in Linz, wegen 10.895,23 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2025, GZ 22 R 12/25h-29.1, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 15. November 2024, GZ 9 C 258/24z-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00067.25D.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nichtFolge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der 2023 verstorbene Vater der Streitteile setzte in seinem Testament den Beklagten als Alleinerben ein und ordnete an, dass die Klägerin ein Drittel seines Kontoguthabens sowie eine Liegenschaft erhalten soll. Am Todestag hatte das Konto einen Einlagenstand von 53.685,71 EUR, was einem Geldlegat von 17.895,23 EUR entspricht. Aus dem im Verlassenschaftsverfahren errichteten Inventar ergeben sich Aktiva von 856.635,60 EUR und Passiva von 22.642,82 EUR. Die der Klägerin zugedachte Liegenschaft wurde mit 179.000 EUR bewertet.

[2] Die Verlassenschaft wurde dem Beklagten aufgrund seiner bedingten Erbantrittserkärung eingeantwortet. Das Verlassenschaftsgericht bestimmte die Gebühren der zur Errichtung des Inventars beigezogenen Sachverständigen mit insgesamt 9.490,08 EUR und die Gerichtskommissionsgebühren mit 21.362,40 EUR. Die Gerichtsgebühr im Verlassenschaftsverfahren betrug 4.170 EUR. Sämtliche Gebühren wurden vom Beklagten bezahlt.

[3] Die Klägerin begehrt unter Berufung auf das zu ihren Gunsten verfügte Geldlegat unter Berücksichtigung einer Teilzahlung des Beklagten von 7.000 EUR weitere 10.895,23 EUR sA.

[4] Der Beklagte hielt dem Klagebegehren unter anderem eine Gegenforderung von 917,40 EUR an anteiligen Gerichtsgebühren, eine Gegenforderung von 4.909,90 EUR an anteiligen Gerichtskommissionsgebühren undeine Gegenforderung von 2.180,82 EUR an anteiligen Sachverständigengebühren aufrechnungsweise entgegen. Die Klägerin hafte für die vom Beklagten bezahlten Gebühren entsprechend dem Wert der zu ihren Gunsten verfügten Vermächtnisse anteilig.

[5] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 10.895,23 EUR und die Gegenforderung mit 6.028,20 EUR zu Recht bestehe und verpflichtete den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von 4.867,03 EUR. Der Erbe sei nach § 24 Abs 2 GGG berechtigt, vom Vermächtnisnehmer den anteiligen Ersatz der von ihm bezahlten Gerichtsgebühr zu verlangen. Diese Vorschrift sei auch auf die vom Erben bezahlten Gerichtskommissionsgebühren anzuwenden. Der Wert des Verlassenschaftsvermögens habe 833.992,78 EUR betragen, wovon die Klägerin insgesamt 196.895,23 EUR erhalten habe, was einem Anteil von 23,61 % entspreche, sodass dem Beklagten hinsichtlich der von ihm bezahlten Gerichts‑ und Gerichtskommissionsgebühr ein anteiliger Ersatzanspruch von 6.028,20 EUR zustehe. Demgegenüber komme ein anteiliger Ersatz der Sachverständigengebühren nicht in Betracht, weil die Kosten der Errichtung des Inventars vom Nachlass zu tragen seien.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 24 Abs 2 GGG auf Gerichtskommissionsgebühren zu.

[7] Gegen die Feststellung des Zurechtbestehens der Gegenforderung und den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass die Gegenforderung als nichtbestehend festgestellt und dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Der Beklagte beantragt das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[9]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Die Pauschalgebühr im Verlassenschaftsverfahren wird nach § 24 Abs 1 GGG nach dem reinen Wert des dem Verfahren zugrunde liegenden Verlassenschaftsvermögens am Todestag des Verstorbenen ermittelt, wobei Vermächtnisse und Pflichtteilsrechte sowie die anfallenden Gebühren und Steuern nicht abgezogen werden. Die Pauschalgebühr ist vom Erben zu entrichten, doch ist er – soweit ihm nicht der Verstorbene die Gebührenentrichtung auferlegt hat – nach § 24 Abs 2 GGG berechtigt, von Vermächtnisnehmern und Pflichtteilsberechtigten den Ersatz der Gebühr, die auf das ihnen zustehende Vermögen entfällt, zu fordern.

[11] 2. Die Klägerin macht geltend, dass sich der Beklagte nur auf § 896 ABGB, nicht aber auf § 24 Abs 2 GGG gestützt habe. Das Gericht ist aber an die von den Parteien vorgenommene rechtliche Qualifikation des gemachten Anspruchs nicht gebunden, sondern hat den vorgetragenen Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (RS0037593; RS0037659). Nur wenn das Begehren ausdrücklich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt wurde, ist es dem Gericht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (RS0037593; RS0037610). Im Zweifel ist eine solche Beschränkung auf einen von mehreren in Frage kommenden Rechtsgründen aber nicht anzunehmen (RS0037610 [T36]; RS0037659 [T6]). Auch dem Vorbringen des Beklagten kann nicht entnommen werden, dass er seine Gegenforderung auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränken hätte wollen.

[12] 3. Die Klägerin macht geltend, dass es sich bei den Gerichts‑ und Gerichtskommissionsgebühren um Kosten des Verlassenschaftsverfahrens handle, die der Beklagte nach § 78 Abs 4 AußStrG iVm § 54 Abs 1 ZPO bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruchs im Verlassenschaftsverfahren verzeichnen hätte müssen, sodass der nunmehrigen Geltendmachung im Zivilprozess die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegenstehe. Dem ist aber entgegenzuhalten, dassim Verlassenschaftsverfahren nach § 185 AußStrG – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Kostenersatz vorgesehen ist. Hinzu kommt, dass die Ansprüche des Vermächtnisnehmers im Klagsweg geltend zu machen sind, sodass darüber im Verlassenschaftsverfahren gar nicht zu entscheiden ist (RS0045775). Dementsprechend hatder Vermächtnisnehmer im Verlassenschaftsverfahren grundsätzlich – von der Geltendmachung der Gläubigerrechte nach §§ 813 bis 815 ff ABGB abgesehen – keine Parteistellung (RS0006581; 5 Ob 68/14g). Schon der Umstand, dass die Zahlungspflicht nach § 24 Abs 2 GGG eine nicht am Verlassenschaftsverfahren beteiligte Person betrifft, steht damit einer Qualifikation als verfahrensrechtlicher Kostenersatzanspruch entgegen.

[13] 4. Der Anspruch des Erben nach § 24 Abs 2 GGG auf anteiligen Ersatz der von ihm entrichteten Gerichtsgebühren ist deshalb kein verfahrensrechtlicher Kostenersatzanspruch, sondern ein materiell‑rechtlicher Regressanspruch, der im Klagsweg geltend zu machen ist (Dokalik/Schuster, Gerichtsgebühren14 § 24 GGG Anm 7; Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren3 374). Der Anspruch nach § 24 Abs 2 GGG unterliegt damit nicht den für Kostenersatzansprüche geltenden Vorschriften (Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth 2 I § 185 AußStrG Rz 10/1). Die Geltendmachung dieses Anspruchs bedarf dementsprechend auch keiner Verzeichnung nach § 78 AußStrG iVm § 54 Abs 1 ZPO.

[14] 5. Die Klägerin richtet sich auch gegen den Zuspruch der anteiligen Gerichtskommissionsgebühren. Nach § 4 GKTG sind zur Entrichtung der die Abhandlung betreffenden Gerichtskommissionsgebühren „alle als Parteien am Verfahren unmittelbar Beteiligten zur ungeteilten Hand verpflichtet“. Dazu gehören jedenfalls die Erben und auch die Pflichtteilsberechtigten (1 Ob 25/98b). Demgegenüber soll Vermächtnisnehmer nach dem Willen des Gesetzgebers keine Zahlungspflicht treffen (ErläutRV 316 BlgNR 12. GP  7). Die Regelung in § 4 GKTG betrifft allerdings nur die Zahlungspflicht gegenüber dem Gerichtskommissär und steht daher einem anteiligen Kostenersatzanspruch des Erben, der die gesamte Gerichtskommissionsgebühr entrichtet hat, nicht entgegen.

[15] 6. Der Klägerin ist dahin beizupflichten, dass § 24 Abs 2 GGG nur den Ersatz der vom Erben entrichteten Gerichtsgebühren vorsieht, während für die hier ebenfalls allein vom Erben entrichteten Gerichtskommissionsgebühren keine entsprechende Regelung existiert. Wohl aber wollte der Gesetzgeber mit § 24 Abs 2 GGG Härten vermeiden, die sich daraus ergeben, dass die im Verlassenschaftsverfahren anfallenden Gerichtsgebühren allein vom Erben zu entrichten sind, obwohl auch Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte Rechte am Verlassenschaftvermögen erwerben (ErläutRV 366 BlgNR 16. GP  33). Der Erbe hat aber nicht nur die Gerichtsgebühren, sondern nach § 4 GKTG auch die Gebühren des Gerichtskommissärs zu entrichten, sodass auch hier die alleinige Belastung des Erben unsachlich erscheint. Dies gilt umso mehr, weil sich die Gerichtskommissionsgebühren gemäß § 3 GKTG nach dem Wert der Verlassenschaft und damit auch nach dem Vermögen richten, das schließlich der Vermächtnisnehmer erhält. Aufgrund der identen Interessenlage ist § 24 Abs 2 GGG deshalb im Wege der Analogie auch auf Gerichtskommissionsgebühren anzuwenden, die der Erbe entrichtet hat (A. Tschugguel in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II § 4 GKTG Rz 4). Die in den Materialien angelegte Unterscheidung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten einerseits und Vermächtnisnehmern andererseits, ist auf dieser Grundlage nicht nachvollziehbar. Der Beklagte hat demnach auch einen Anspruch auf anteiligen Ersatz der von ihm bezahlten Gerichtskommissionsgebühren.

[16] 7. Die Klägerin wendet ein, dass 60 % der Gerichtskommissionsgebühren, jedenfalls aber ein Anteil von 3.461,60 EUR auf die Errichtung des Inventars entfallen sei, sodass sie diesbezüglich keine Zahlungspflicht treffe, weil nach § 802 ABGB und § 168 Abs 3 AußStrG die Kosten des Inventars von der Verlassenschaft zu tragen seien. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Regelung des § 802 ABGB und § 168 Abs 3 AußStrG, wonach die Kosten der Errichtung des Inventars von der Verlassenschaft zu tragen sind, für die bei der Errichtung des Inventars anfallenden Sachverständigengebühren, aufgrund der Sonderregelung in § 4 GKTG aber nicht für die Gerichtskommissionsgebühren gilt. Auch wenn die Gerichtskommissionsgebühren zum Teil durch die Errichtung eines Inventars veranlasst wurden, haftet nach § 4 GKTG nicht etwa die Verlassenschaft, sondern (hier) der Erbe für diese Gebühren, was – auch wenn diese Gebühren zum Teil durch die Errichtung des Inventars veranlasst wurden – einen Regressanspruch nach § 24 Abs 2 GGG rechtfertigt.

[17] 8. Obwohl der Beklagte der Klagsforderung anteilige Gerichts‑ und Gerichtskommissionsgebühren von lediglich 5.827,30 EUR entgegenhielt, haben die Vorinstanzen eine Gegenforderung von 6.028,20 EUR anspruchsmindernd berücksichtigt. Auch das Überschreiten einer compensando eingewendeten Gegenforderung verstößt gegen § 405 ZPO (RS0040846). Da die Klägerin eine Überschreitung der eingewendeten Gegenforderung aber weder in der Berufung noch in der Revision gerügt hat, konnte dieser Verfahrensmangelim Rechtsmittelverfahren nicht mehr aufgegriffen werden (RS0041089; RS0041240).

[18] 9. Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Der Anspruch des Erben nach § 24 Abs 2 GGG auf anteiligen Ersatz der von ihm entrichteten Gerichtsgebühren ist kein verfahrensrechtlicher Kostenersatzanspruch, sondern ein materiell‑rechtlicher Regressanspruch, der im Klagsweg geltend zu machen ist. Aufgrund der identen Interessenlage ist diese Vorschrift im Wege der Analogie auch auf die vom Erben entrichteten Gerichtskommissionsgebühren anzuwenden.

[19] 10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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