European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00069.25W.0603.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. 4. 2022 wurde über das Vermögen des Ehegatten der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte und ihr Mann sind seit 1995 jeweils Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit dem von ihnen darauf errichteten Wohnhaus, das sie seither gemeinsam bewohnen. Im Kaufvertrag hatten die Ehegatten einander wechselseitig ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot eingeräumt, das grundbücherlich einverleibt wurde. Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt 391.000 EUR. Das ob der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Wohnbauförderungsdarlehen haftet mit rund 50.000 EUR unberechtigt aus. Dem Guthaben auf dem Massekonto von derzeit 33.000 EUR stehen 26.000 EUR an Masseforderungen und ca 240.000 EUR an Insolvenzforderungen gegenüber. Eine Naturalteilung der Liegenschaft ist nicht möglich.
[2] Das Erstgericht gab dem Zivilteilungsbegehren des Insolvenzverwalters statt.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, ging von einem 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand aus und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[4] 1. Fehlt der Bewertungsausspruch, ist er an sich vom Berufungsgericht nachzutragen (RS0007073). Eine Rückstellung an dieses ist entbehrlich, wenn der Entscheidungsgegenstand eindeutig 30.000 EUR übersteigt (RS0007073 [T10]). Dies ist hier der Fall, wie das Berufungsgericht in Punkt 4 seiner Entscheidung durch Verweis auf den festgestellten Verkehrswert, der 30.000 EUR übersteigt, festhielt. Dass es keinen formellen Bewertungsausspruch fasste, schadet daher nicht.
[5] 2. Dass das von der Beklagten und ihrem Ehegatten einander eingeräumte Belastungs‑ und Veräußerungsverbot hier grundsätzlich als Verzicht auf den an sich unbedingten Teilungsanspruch zu werten ist, weshalb eine Teilung nur aus wichtigen Gründen verlangt werden kann (vgl RS0013376; RS0010746), haben die Vorinstanzen berücksichtigt. Die Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft kann aber – wie jedes andere Dauerschuldverhältnis – aus wichtigen Gründen dann vorzeitig aufgelöst werden, wenn die weitere Erfüllung unmöglich oder unzumutbar wird (RS0098749). Die Verbindlichkeit zur Fortsetzung der Gemeinschaft und damit der Ausschluss der Teilungsbefugnis hören dann auf, wenn die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft aus wichtigen, objektiven (die gemeinschaftliche Sache betreffenden) oder aus subjektiven (nur die Personen einzelner Teilhaber betreffenden) Gründen unvermeidlich wird (RS0013260; 5 Ob 86/22s). Die Frage, welche schwerwiegenden Gründe die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken, kann nur aus umfassender Sicht aller dafür und dagegen sprechender Gegebenheiten des Einzellfalls beantwortet werden, sodass sie regelmäßig nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist (RS0111817; 5 Ob 99/20z). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.
[6] 3. Der der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 7 Ob 72/08a zugrunde liegende Sachverhalt ist im Gegensatz zu den Revisionsausführungen vergleichbar. Dort sprach der siebente Senat aus (ErwGr 4.), dass der Masseverwalter berechtigt ist, die Auflösung des im wechselseitigen Teilungsverzicht gelegenen Dauerschuldverhältnisses durch außerordentliche Kündigung (auch) wegen wichtiger Gründe zu begehren. Der siebente Senat wertete mit ausführlicher Begründung die schlechte finanzielle Situation des Schuldners, dessen Miteigentumsanteil an der Liegenschaft der einzige im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens verwertbare Vermögenswert war, als ausreichenden subjektiven Grund wirtschaftlicher Natur und verwies dazu auch auf § 97 ABGB, dessen Satz 2 den Wohnungserhaltungsanspruch eines Ehegatten dann ausschließt, wenn der Wohnungsverlust durch die Umstände erzwungen ist. Dass in dem zu 7 Ob 72/08a beurteilten Fall der Schuldner ausgezogen war, macht keinen relevanten Unterschied, zumal die Ehe des Schuldners und der Beklagten dort – wie hier – aufrecht und kein Scheidungsverfahren anhängig war. Auch zu 7 Ob 72/08i hatte die gemeinsame Liegenschaft über 20 Jahre lang als Ehewohnung gedient. Auf das in der Revision erwähnte grundsätzliche Interesse des Schuldners an der Fortsetzung der Rechtsgemeinschaft kommt es im Hinblick darauf, dass dieser keine Verfügungsbefugnisse über seinen Miteigentumsanteil mehr hat (§ 2 Abs 2 und § 3 Abs 1 IO) nicht an.
[7] 4. Das Argument der Beklagten, die schlechte finanzielle Situation ihres Ehegatten sei dessen Sphäre zuzurechnen, erachtete bereits 7 Ob 72/08a als nicht stichhältig. Das auch von der dortigen Beklagten verfolgte Ziel der Erhaltung des Familienbesitzes kann den Ausschluss einer Verwertung des Miteigentumsanteils des Schuldners durch Zivilteilung nicht rechtfertigen, weil dem Schuldner damit praktisch jede Möglichkeit einer wirtschaftlichen Gesundung und seinen Gläubigern die – wohl einzige – Chance auf (teilweise) Befriedigung in absehbarer Zeit genommen wird. Das Interesse am Erhalt des Liegenschaftsvermögens würde somit höher bewertet werden als das Interesse eines einzelnen Familienmitglieds daran, seine missliche finanzielle Lage zu beseitigen oder zumindest zu verbessern und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu erfüllen. Vorbringen der Beklagten, der Schuldner habe seine schlechte finanzielle Situation rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt oder die Gläubiger des Schuldners wären nicht schützenswert, fehlte dort wie auch hier. Eine Obdachlosigkeit der Beklagten droht ihr aufgrund des zu erwarteten Erlöses aus der Zivilteilung der Liegenschaft nicht. Warum die Gläubiger ihres Ehegatten nur deshalb nicht schutzwürdig sein sollten, weil das wechselseitige Veräußerungs‑ und Belastungsverbot grundbücherlich ersichtlich gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar.
[8] 5. Die Argumentation zu den Auswirkungen des wechselseitigen Belastungs‑ und Veräußerungsverbots nach § 364c ABGB verkennt – wie die Vorinstanzen zutreffend hervorgehoben haben – die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung. Demnach würde nur ein auf der ganzen Liegenschaft zugunsten desselben Berechtigten einverleibtes Veräußerungsverbot ein Hindernis für die Bewilligung der Exekution nach § 352 EO zur Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft bilden (RS0010778 [T2]; 5 Ob 99/20z; 3 Ob 231/00t). Das auf dem Liegenschaftsanteil eines Miteigentümers eingetragene Belastungs‑ und Veräußerungsverbot nach § 364c ABGB steht dem Begehren des anderen Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft hingegen nicht entgegen (RS0010783; RS0010778). Auch dem Miteigentümer, dessen Anteil mit einem Belastungs‑ und Veräußerungsverbot belastet ist, steht der Anspruch auf Zivilteilung zu (RS0010786 [T1]). Auch insoweit kann die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.
[9] 6. Damit wäre die Revision zurückzuweisen ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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