European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00009.25G.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Rechtsstreits ist ein (der Höhe nach unstrittiges) Zahlungsbegehren der Klägerin für zwei Warenlieferungen an die Beklagte vom November 2021.
[2] Die Beklagte überwies die ihr in Rechnung gestellten Beträge auf ein polnisches Konto, das der (in Ungarn ansässigen) Klägerin nicht zuzurechnen ist. Der Grund dafür war ein Hacker‑Angriff auf den E-Mail-Verkehr zwischen den beiden in einer langjährigen, kontinuierlichen Geschäftsbeziehung stehenden Parteien, bei dem Dritte eine gefälschte E-Mail-Adresse in die Korrespondenz einschleusten. Sie ersuchten über diese Adresse eine Mitarbeiterin der Beklagten unter Hinweis auf eine neue Bankverbindung der Klägerin um Zahlung auf das neue Konto. Wie genau der Hacker-Angriff stattgefunden hat und ob allenfalls ein dafür ursächlicher „Mangel im Sicherheitsstandard der Klägerin“ vorlag, konnte nicht festgestellt werden.
[3] Das Berufungsgericht gab der Klage statt und erklärte die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Beklagten gelingt es in ihrer außerordentlichen Revision nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
[5] 1. Die Anwendung österreichischen Rechts durch die Vorinstanzen ist nicht Gegenstand der Rechtsrüge und daher auch nicht des Revisionsverfahrens (vgl RS0009230 [T6]). Die Beklagte befasst sich auch in ihrer außerordentlichen Revision ausschließlich mit der Bestimmung des § 907a ABGB.
[6] 2. In der Entscheidung zu 8 Ob 121/24p hat der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Anlassfall mit ausführlicher Begründung klargestellt, dass nach der Bestimmung des § 907a Abs 1 erster Satz ABGB Geldschulden den Schuldner mit einer Bringschuld belasten, weshalb dieser auch grundsätzlich die mit dem Geldtransfer verbundene Gefahr trägt. Anderes gelte gemäß § 907a Abs 1 zweiter Satz ABGB, wenn der Gläubiger nach dem Entstehen der Forderung die Bankverbindung geändert habe; dann trage dieser eine dadurch bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten für die Erfüllung. Eine solche Änderung der Bankverbindung im Sinn des § 907a Abs 1 zweiter Satz ABGB setze aber voraus, dass diese Änderung der Gläubiger selbst vorgenommen habe. Eine Anwendung dieser Ausnahmeregelung auch auf Fälle, bei denen „eine dem Gläubiger nicht zurechenbare dritte Person intervenierte“, komme aufgrund des gesetzlichen Konzepts der Bringschuld nicht in Betracht (8 Ob 121/24p Rz 33 mwN). Aus diesem Grund sei selbst unter der Annahme einer Fahrlässigkeit des Gläubigers (etwa, weil er einen Cyber-Angriff durch zumutbare Maßnahmen verhindern hätte können), die Gefahr des Verlusts allein vom Schuldner zu tragen (8 Ob 121/24p Rz 35 f).
[7] 3. Zu der von der Beklagten in ihrer Zulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage der Gefahrtragung für Hacker-Angriffe auf die E-Mail-Korrespondenz von Geschäftspartnern, in deren Rahmen die Rechnungslegung und die Überweisungen der jeweiligen Zahlungen vereinbart werden, liegt damit bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Soweit die Beklagte behauptet, dass der Hacker-Angriff nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens in einem Bereich erfolgt sei, auf den die Beklagte ihrerseits keinen Einfluss gehabt und den nur die Klägerin zu vertreten habe, entfernt sie sich von den dazu getroffenen (Negativ-)Feststellungen (vgl RS0043312 [T4]).
[8] 4. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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