European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00067.25M.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrte von den Beklagten, gestützt auf eine Vereinbarung vom November 2019, die Entfernung (den Rückbau) eines von diesen ohne Baubewilligung an der Grundstücksgrenze errichteten (und noch vor Einbringung der Klage abgerissenen) Geräteschuppens dergestalt, dass ein Mindestabstand von fünf Metern zum Grundstück des Klägers eingehalten wird, sowie die Unterlassung jeder künftigen Bauführung auf der Liegenschaft der Beklagten, die nicht einen solchen Mindestabstand von fünf Metern einhält.
[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[3] In seiner außerordentlichen Revision gelingt es dem Kläger nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[4] 1. Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall und Auslegungsfragen über die Erklärungsabsicht im Einzelfall sind vom Obersten Gerichtshof – von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – nicht zu überprüfen (RS0042555; RS0044088; RS0044298; RS0044358).
[5] 2.1. In der sogenannten „November-Vereinbarung“ verpflichteten sich die Beklagten gegenüber dem Kläger, binnen acht Wochen ab Aufforderung durch diesen den von ihnen ohne Baugenehmigung direkt an der Grenze zum Grundstück des Klägers errichteten (und folglich auch nicht den in der im Jahr 1979 für ihr Haus erteilten Baubewilligung festgesetzten Mindestabstand zur Grundgrenze von fünf Metern einhaltenden) „Schwarzbau“ (Schuppen/Garage) zu entfernen.
[6] 2.2. Die Auslegung der Vorinstanzen, wonach die Beklagten mit dieser Vereinbarung nicht auch die Verpflichtung übernommen haben, bei der künftigen Errichtung eines baubehördlich genehmigten neuen Gebäudeteils (konkret eines Geräteschuppens und Carports) einen – über die geltenden baurechtlichen Vorschriften hinausgehenden – Mindestabstand von fünf Metern zur Grundgrenze einzuhalten, zumal die im seinerzeitigen Baubescheid enthaltene Auflage eines solchen Mindestabstands bloß auf den Umstand zurückzuführen war, dass damals die Errichtung einer Straße zwischen den beiden Grundstücken geplant war, die allerdings in der Folge nicht umgesetzt wurde, bewirkt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[7] Das – im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge herangezogene – Argument des Berufungsgerichts, es gebe keinen nachvollziehbaren Grund für die Annahme, die Beklagten hätten sich dem Kläger gegenüber freiwillig und unentgeltlich zu etwas verpflichtet, wozu sie von Gesetzes wegen nicht verpflichtet gewesen seien, begründet schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, weil dieses entgegen der Auffassung des Klägers nicht geeignet ist, eine „Aushebelung des gesamten Vertragsrechts“ durch „Einschränkung der Vertragsfreiheit auf bereits gesetzlich geregelte Sachverhalte“ zu suggerieren. Gleiches gilt für die vermeintliche „Pönalisierung der gerichtlichen Rechtsverfolgung“ durch das beweiswürdigende Argument des Berufungsgerichts, dass der Kläger sehr auf sein vermeintliches Recht poche und gleichzeitig meine, die Beklagten hätten auf ihre gesetzlichen Ansprüche hinsichtlich des einzuhaltenden Bauabstands freiwillig zu seinen Gunsten verzichtet. Die vom Kläger kritisierte Argumentation des Berufungsgerichts, wonach der festgestellte Inhalt des der schriftlichen Vereinbarung vorausgegangenen Gesprächs der Streitteile den Wortsinn der Vereinbarung untermauere, führt auch nicht zu einer „Außerkraftsetzung tragender Grundsätze des Vertragsrechts durch Zuerkennung absoluter und nicht reversibler Bindungswirkung von Äußerungen in Vertragsverhandlungen“.
[8] Das Berufungsgericht ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen, indem es eine (im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Baubewilligung stehende) „Vereinbarung“ zwischen den Beklagten und der Gemeinde über einen Mindestabstand von fünf Metern zur Grundgrenze unter Hinweis auf den hoheitlichen Charakter des Baubescheids verneinte. Das Erstgericht hat in seinen Feststellungen nämlich zutreffend zwischen der „November-Vereinbarung“ der Streitteile und den hoheitlichen Vorgängen im Zusammenhang mit der Baubewilligung für das Wohnhaus der Beklagten differenziert und nur an einer Stelle seiner rechtlichen Beurteilung – offenbar irrtümlich – von einem „in der Baubewilligung vereinbarten“ Mindestabstand gesprochen.
[9] Der Argumentation des Klägers, der baurechtliche Mindestabstand bemesse sich zwingend von der Außenwand des Gebäudes bis zur Grundstücksgrenze, wobei nach Errichtung des Hauptgebäudes (hier also des Wohnhauses der Beklagten) die vom Mindestabstand betroffene Fläche auch von Zubauten frei bleiben müsse, ist zu erwidern, dass den Beklagten nach Abschluss der „November-Vereinbarung“ die Errichtung eines Carports und eines Geräteschuppens von der Baubehörde ohnehin unter der Auflage der Einhaltung der gesetzlichen Abstandsregeln (zwei Meter zur Grundstücksgrenze) bewilligt wurde.
[10] 3. Soweit sich der Kläger neben der „November-Vereinbarung“ auch auf eine durch Anbot des Klägers im Schreiben vom 31. Oktober 2019 und dessen Annahme mit E‑Mail der Beklagten vom 5. November 2019 zustande gekommene Vereinbarung beruft, übersieht er, dass der Inhalt dieser Erklärungen nicht über die in der Folge auf deren Grundlage verfasste und unterfertigte „November-Vereinbarung“ hinausgeht.
[11] 4. Die vom Kläger weiters als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob eine Irrtumsanfechtung gegenüber der Vertragsauslegung vorrangig sei, stellt sich hier nicht, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen ausschließlich auf Auslegungsgrundsätzen basieren und ein Irrtum der Beklagten über den Inhalt der Vereinbarung nicht im Raum steht.
[12] 5. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Rechtssache unrichtig beurteilt, wenn der Entscheidung unzulässige überschießende Feststellungen zugrunde gelegt werden (RS0040318 [T2]; RS0036933 [T10, T11, T12]). Feststellungen sind „überschießend“, wenn sie nicht durch ein entsprechendes Prozessvorbingen gedeckt sind (vgl RS0037972). Sie dürfen bei der rechtlichen Beurteilung allerdings dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendung bewegen (RS0040318; RS0036933 [T6]). Letzteres ist hier der Fall, weil die vom Kläger als überschießend gerügte (Negativ-)Feststellung, wie er selbst ausführt, das Gegenteil des von ihm vorgebrachten Sachverhalts abbildet.
[13] 6. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mangelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RS0043150). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers kann weder von einer bloß formelhaften Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht noch von einer Scheinbegründung gesprochen werden.
[14] Auch die behauptete, aber nicht vorliegende „vollständige Übergehung“ bestimmter (rechtlich erheblicher) Passagen der Rechtsrüge durch das Berufungsgericht begründet keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.
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