OGH 3Ob29/25y

OGH3Ob29/25y28.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch die Kühleitner & Lochbichler Rechtsanwälte GmbH in Schwarzach im Pongau, gegen die beklagten Parteien 1. M*, Deutschland, vertreten durch Mag. Christoph Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, und 2. C* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Hochwimmer und Dr. Remy Horcicka, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 11.160 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 28. November 2024, GZ 53 R 285/24d‑39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 10. Juli 2024, GZ 1 C 318/22a‑31, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00029.25Y.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.127,40 EUR (darin 187,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage der Haftung der Zweitbeklagten für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz sowie auf Feststellung der der Haftung für künftige Schäden aus dem Vorfall vom 26. Februar 2022. Dem Zahlungs- und Feststellungsbegehren gegen den Erstbeklagten haben die Vorinstanzen bereits rechtskräftig stattgegeben.

[2] Im Rahmen der Lady-Skiwoche 2022 in G* war auf dem Parkplatz der Bergbahnen ein großes Festzelt aufgestellt, in dem in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2022 ein Konzert stattfand. Die Zweitbeklagte war vom Veranstalter mit der Wahrnehmung sämtlicher Sicherheitsaufgaben, darunter auch die Kontrolle der damals erforderlichen 3G-Nachweise, beauftragt. Die Zweitbeklagte beauftragte ihrerseits ein Einzelunternehmen als Subunternehmer mit der Durchführung der 3G-Kontrollen. Acht bis zehn Mitarbeiter dieses Subunternehmens, darunter auch der Erstbeklagte, waren bei der Veranstaltung vom 25. auf den 26. Februar 2022 tätig. Der Erstbeklagte sowie zwei weitere Mitarbeiter hatten die 3G-Kontrollen im Eingangsbereich (Vorzelt) durchzuführen. Die Veranstaltungsbesucher erhielten dort ein Armband, um später das Zelt verlassen und ohne neuerliche Kontrolle wieder betreten zu können.

[3] Der Kläger, der an diesem Abend mit seiner Freundin die Veranstaltung im Festzelt besucht und nach dem offiziellen Ende gegen 4 Uhr früh das Zelt verlassen hatte, wollte (während der Wartezeit auf ein Taxi) nochmals das Festzelt betreten, als er ohne Vorwarnung vom Erstbeklagten sowie von einem zweiten Security-Mitarbeiter vorne an seiner Jacke gepackt und auf den Hinterkopf geschlagen wurde. Der Kläger geriet aus dem Gleichgewicht und kam zu Sturz, wobei die Security-Mitarbeiter, die ihn noch immer festhielten, auf ihn fielen. Der Kläger erlitt dadurch eine schwere Schulterverletzung (Luxation des Schultergelenks), die einen operativen Eingriff erforderlich machte.

[4] Das Erstgericht gab der Klage auf Schadenersatz sowie auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus dem Sturz gegen beide Beklagten im Wesentlichen statt; die Abweisung eines geringfügigen Zahlungs- sowie eines Zinsenmehrbegehrens blieb unbekämpft. Die Zweitbeklagte sei vom Veranstalter mit sämtlichen Security-Aufgaben betraut gewesen und ein solcher Vertrag habe Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Die Zweitbeklagte, die sich zur Erfüllung ihrer Pflichten eines Unternehmens bedient habe, hafte gemäß § 1313a ABGB auch für das Verschulden der von diesem beschäftigten Personen und damit auch für das des Erstbeklagten.

[5] Das von beiden Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung gegen den Erstbeklagten, gab der Berufung der Zweitbeklagten hingegen Folge und wies die Klage gegen diese ab. Die Zweitbeklagte sei keine Vertragspartnerin des Klägers gewesen. Eine Schutzwirkung für dritte Personen aus einem Vertrag werde aber in solchen Fällen, in denen der Geschädigte einen deckungsgleichen, direkten vertraglichen Schadenersatzanspruch habe, nicht angenommen. Die Zweitbeklagte habe die Anwendbarkeit des § 1313a ABGB stets bestritten und der Kläger verfüge nach seinem eigenen Vorbringen über vertragliche Ansprüche gegen den Veranstalter. Eine Haftung für das Verhalten des Erstbeklagten komme daher nur unter den Voraussetzungen des § 1315 ABGB in Betracht. Vorbringen dazu, dass der Erstbeklagte als für den Tätigkeitsbereich, in dem er eingesetzt gewesen sei, als untüchtig oder gefährlich anzusehen gewesen wäre, habe der Kläger aber nicht erstattet und Anhaltspunkte dafür lägen auch nicht vor.

[6] Das Berufungsgericht erklärte die Revision über Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO nachträglich für zulässig, weil es nicht auszuschließen sei, dass eine mögliche Haftung nach dem Maßstab des § 1315 ABGB zu Unrecht verneint worden sei.

[7] In seiner Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragt der Kläger, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts gegen die Zweitbeklagte wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Die Zweitbeklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[10] 1.1 Sorgfalts- und Schutzpflichten zugunsten dritter, am Vertrag nicht beteiligter Personen bestehen nur dann, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RS0017195). Nach ständiger Rechtsprechung ist Grundvoraussetzung für die Einbeziehung eines (geschädigten) Dritten in den Schutzbereich des Vertrags dessen schutzwürdiges Interesse. Ein solches ist aber zu verneinen, wenn dieser kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit einem Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz gegen einen der beiden Vertragspartner hat (RS0022814 [T1, T15]; RS0129705 [T1]). Steht daher dem Geschädigten ein Anspruch aus eigener vertraglicher Beziehung zum Geschäftsherrn zu, so hindert dies die Geltendmachung der Vertragshaftung des Gehilfen; der Geschädigte muss seinen unmittelbaren Vertragspartner in Anspruch nehmen (RS0022814 [T17]).

[11] 1.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs endet der Bewirtungsvertrag nicht schon mit der Konsumation des verkauften Getränks und seiner Bezahlung, sondern erst mit der Beendigung des Naheverhältnisses zwischen Wirt und Gast, wobei eine kurzfristige Unterbrechung dieses Naheverhältnisses nicht schadet (RS0019248).

[12] 1.3 Der Kläger hat entsprechend seinem Vorbringen einen Bewirtungsvertrag mit dem Veranstalter geschlossen. Dessen vertragliche Haftung für den Vorfall nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung zieht der Kläger nicht in Zweifel. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts dahin, dass der dem Kläger gegen seinen Vertragspartner zustehende vertragliche Schadenersatzanspruch einer Haftung der Zweitbeklagten entgegenstehe, stimmt mit den Rechtsprechungsgrundsätzen überein. Mit der bloßen Behauptung, dass es dem Kläger „unbenommen sein“ müsse, neben dem direkten Schädiger auch dessen Arbeitgeber und auch den Veranstalter „jeweils separat zu belangen“, wird in der Revision keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[13] 2.1 Besorgungsgehilfe im Sinn des § 1315 ABGB ist jede Hilfsperson, deren sich ein Geschäftsherr zur Besorgung irgendwelcher Tätigkeiten bedient (RS0029011). Der Geschädigte hat bei sowohl durch Handlung als auch durch Unterlassung verursachter Schädigung die Untüchtigkeit des Besorgungsgehilfen zu beweisen (RS0124440).

[14] 2.2 Aus einem Verhalten des Besorgungsgehilfen ergibt sich dann seine habituelle Untüchtigkeit, wenn es ihm an den für seine Tätigkeit notwendigen Kenntnissen überhaupt fehlt und auch ein auffallender Mangel an Gewissenhaftigkeit vorliegt, der Besorgungsgehilfe also nicht geeignet ist, entsprechend den fundamentalen Kenntnissen seines Tätigkeitsbereiches zu arbeiten (RS0107261). Ein einmaliges Versagen einer sonst tüchtigen Person begründet noch nicht deren Untüchtigkeit, außer wenn schon aus dem einmaligen Versagen auf deren habituelle Untüchtigkeit geschlossen werden kann (RS0028925 [T1]); selbst grob fahrlässiges Verhalten reicht für sich allein dafür aber noch nicht aus (RS0028925 [T13]).

[15] 2.3 Die Frage einer deliktischen Haftung wegen habitueller Untüchtigkeit beauftragter Unternehmen gemäß § 1315 ABGB kann stets nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0107261 [T3]; RS0028925 [T14]).

[16] Mit seiner Beurteilung, dass das einmalige Verhalten des Erstbeklagten, der vor seinem ersten Arbeitstag eine rund zweistündige Ausbildung absolviert und diese Nebentätigkeit vor dem Vorfall bereits seit etwa zwei Monaten mit rund zehn bis fünfzehn Einsätzen ausgeübt hatte, noch nicht als habituell untüchtig zu qualifizieren sei, hat das Berufungsgericht den ihm zukommenden Ermessensspielraum nicht überschritten. Mit dem Argument, dass für die bei der Veranstaltung erforderliche 3G-Kontrolle, die der Erstbeklagte gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitern des Subunternehmens der Zweitbeklagten durchzuführen hatte, ein „besonderes Maß an Empathie und Erfahrung in Verbindung mit einer entsprechenden Ausbildung zum Personenschutz“ erfordert hätte, zeigt der Kläger ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass es vor dem Vorfall irgendeinen Anhaltspunkt für eine Untüchtigkeit des Erstbeklagten im Sinn des § 1315 ABGB gegeben hätte, vermag der Kläger auch in der Revision nicht zu begründen.

[17] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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