OGH 3Ob30/25w

OGH3Ob30/25w28.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Provisorialsache der gefährdeten Partei S*, vertreten durch die Forsthuber & Partner Rechtsanwälte OG in Baden, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei N* GmbH, *, vertreten durch die Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 10. Dezember 2024, GZ 17 R 178/24h‑12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 31. Oktober 2024, GZ 14 C 1346/24d‑5, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00030.25W.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung wird bestätigt. Sie wird jedoch unwirksam, wenn die gefährdete Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR beim Erstgericht erlegt.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die gefährdete Partei (im Folgenden: Antragstellerin) ist Netzkundin der Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Antragsgegnerin), die Netzbetreiberin am Wohnort der Antragstellerin ist.

[2] Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag. Der Stromverbrauch der Antragstellerin wird mit einem mechanischen Messgerät gezählt, das im Eigentum der Antragsgegnerin steht. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den „eichfälligen“ Zähler gegen ein intelligentes Messgerät („Smart Meter“) auszutauschen und dieses auf Wunsch der Antragstellerin entsprechend § 1 Abs 6 Intelligente Messgeräte‑Einführungsverordnung (IME‑VO) zu konfigurieren („Opt‑Out‑Konfiguration“). Die Antragstellerin lehnt den Austausch unter Verweis auf die Gefahr von „Elektrosmog“ und datenschutzrechtliche Bedenken ab.

[3] Mit einem als „Erste qualifizierte Mahnung vor Vertragsauflösung“ bezeichneten Schreiben vom 27. September 2024 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Hinweis auf die „Eichfälligkeit“ des Zählers sowie auf die vertraglichen Regelungen und gesetzlichen Vorgaben einen Termin für den Zählertausch bekannt. Für den Fall der Nichtbefolgung wies sie darauf hin, zur Unterbrechung der Stromlieferung und Auflösung des Netzzugangsvertrags berechtigt zu sein.

[4] Dem Netzzugangsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der Antragsgegnerin (AB‑VN) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

VIII. Betrieb und Instandhaltung […]

2. N* und der Netzkunde haben die zu ihren jeweiligen Betriebsanlagen gehörenden elektrischen, baulichen oder sonstigen Teile entsprechend den geltenden technischen Regeln zu betreiben und instand zu halten. […]

9. Zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der N* ist diese[r] bzw. den legitimierten Beauftragten der N* der Zutritt zu den Anlagen des Netzkunden und zu den eigenen Anlagen zu gestatten. N* übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. Das Recht von N* gemäß Punkt XXVI. beinhaltet den Eingriff in den Besitz und das Eigentum des Netzkunden im erforderlichen Ausmaß. […]

XI. Messung und Messeinrichtungen

1. N* hat allen Netzkunden eine zuverlässige, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte durch die dem Netzkunden zugeordneten Messgeräte zu gewährleisten. N* führt die Erfassung der vom Netzkunden eingespeisten oder entnommenen Energie (Arbeit und allenfalls beanspruchte Leistung) durch.

2. Die erforderlichen Mess-, Steuer- und Datenübertragungseinrichtungen (im Folgenden: Messeinrichtungen) werden von N* nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden hinsichtlich Art, Zahl, Ort und Größe festgelegt, eingebaut, überwacht, entfernt und erneuert, soweit nichts anderes vereinbart oder in der Systemnutzungsentgelt‑Verordnung vorgesehen oder in den geltenden technischen Regeln festgelegt wurde.

3. Die Verpflichtung zum Einbau von intelligenten Messgeräten ('Smart Meter') ist N* gemäß § 83 Abs 1 ElWOG 2010 in Zusammenhang mit der Intelligente Messgeräte‑Einführungsverordnung (IME‑VO) vorgeschrieben. Die Entscheidung, ob konventionelle Messeinrichtungen oder intelligente Messeinrichtungen ('Smart Meter') eingesetzt werden, obliegt N* unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insbesondere § 83 Abs 1 ElWOG 2010 und IME‑VO). Insbesondere legt N* fest, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Gebiet intelligente Messgeräte eingesetzt werden. N* hat den Netzkunden schriftlich und zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes und die damit verbundenen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz sowie Bereitstellung und Übermittlung der Informationen gemäß §§ 81a bis 84a ElWOG 2010 zu informieren. […] N* hat den Wunsch eines Netzkunden, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen. […]

5. Will der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellen, hat er diesen Wunsch N* zeitgerecht mitzuteilen. Diese hat daraufhin dem Netzkunden die hierfür geltenden Spezifikationen bekannt zu geben. N* gibt dabei die Zählertechnologie vor. [...]

7. Der Netzkunde stellt in seinem Bereich den erforderlichen Platz für die Messeinrichtungen auf eigene Kosten zur Verfügung und verpflichtet sich, diese nach den Anweisungen von N* zu verwahren. N* ist berechtigt, den Messplatz unentgeltlich zu nutzen und notwendige Umbauarbeiten vorzunehmen, die für einen allfälligen Tausch / Modernisierung der Messeinrichtung erforderlich sind. N* übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. […]

8. Die Messeinrichtungen werden entsprechend den im Maß‑ und Eichgesetz bzw. den in den Eichvorschriften festgelegten Zeitabständen geeicht. Der für die Nacheichung oder aus sonstigen technischen Gründen erforderliche Wechsel der betroffenen Messeinrichtungen wird nach Terminabstimmung und auf Wunsch im Beisein des Netzkunden oder dessen Vertreters durchgeführt. N* wird sich bemühen, auf Terminwünsche des Netzkunden einzugehen, wobei Termine oder Zeitfenster von 2 Stunden vereinbart werden können. Kann der Termin oder das Zeitfenster von 2 Stunden nicht eingehalten werden, ist mit dem Netzkunden ehestmöglich ein Ersatztermin zu vereinbaren. […]

XXVI. Aussetzung der Vertragsabwicklung

1. Jeder Vertragspartner darf seine Verpflichtungen aus dem Netzzugangsvertrag einschließlich der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen dann aussetzen und insbesondere die Netzdienstleistungen unterbrechen, wenn der andere Vertragspartner die Bestimmungen des Vertrages verletzt und nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung vorliegt. […]

2. Als Zuwiderhandlungen, die eine sofortige Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigen, gelten:

[…]

3. Alle übrigen Zuwiderhandlungen wie z.B. Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung) berechtigen N* nur dann zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung), wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweilig mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Bei jeder Mahnung hat N* auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Beratungsstelle des bestehenden Energielieferanten, soweit diese gemäß § 82 Abs 7 ElWOG einzurichten ist, hinzuweisen. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen (qualifiziertes Mahnverfahren). […]

XXVII. Vertragsauflösung aus wichtigem Grund

1. Das Recht beider Vertragspartner zur Auflösung des Netzzugangsvertrages aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

2. Ein wichtiger Grund liegt für N* insbesondere dann vor, wenn: [...]

b) der Netzkunde – trotz eines durchgeführten Mahnverfahrens nach Punkt XXVI. Ziffer 3 – die Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag nicht beendet; […]“

[5] Die Antragstellerin begehrt – soweit nach rechtskräftiger Abweisung eines Antragsteils noch von Relevanz – die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, der Antragsgegnerin werde zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin auf Gewährung des Netzzugangs auf Basis des mit der Antragsgegnerin geschlossenen Netznutzungsvertrags bis zur Beendigung eines von der Antragstellerin binnen vier Wochen einzuleitenden Streitschlichtungsverfahrens gemäß § 22 Abs 2 ElWOG 2010, falls aber gegen den Bescheid der Regulierungsbehörde rechtzeitig eine Klage eingebracht werden sollte, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über diese Klage verboten, mit der Trennung vom Netz oder mit Stromabschaltung zu drohen oder den Netzzugang zu beenden, soweit damit die Zustimmung der Antragstellerin zum Ausbau/Austausch/Einbau eines intelligenten Messgeräts zur Stromaufzeichnung („Smart Meter“) bzw eines Messgeräts ihr – mangels näherer Umschreibung durch die Netzbetreiberin – unbekannter Art, Type und Beschaffenheit bewirkt werden solle. Die Antragstellerin steht auf dem Standpunkt, dass sie aufgrund des aufrechten Netzzugangsvertrags einen Anspruch auf Netzzugang habe und die Antragsgegnerin zur Auflösung des Vertrags nicht berechtigt sei. Die Antragsgegnerin könne die „allfällige“ Eichfälligkeit des bestehenden Messgeräts dadurch beenden, dass sie den vorhandenen Stromzähler nacheiche oder gegen einen digitalen Zähler ohne Kommunikationsmodul austausche.

[6] Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin ab.

[7] Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung infolge Rekurses der Antragstellerin (mit Ausnahme der von der Antragstellerin nicht bekämpften und daher in dritter Instanz nicht mehr relevanten Abweisung eines Mehrbegehrens). Der Oberste Gerichtshof habe jüngst zu 3 Ob 191/24w erkannt, dass die Weigerung des Netzbenutzers, dem Netzbetreiber für einen geplanten Zählertausch Zutritt zu einem Objekt zu gewähren, es nicht rechtfertige, anstelle der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe faktisch zur Selbsthilfe im Wege der (Androhung der) Stromabschaltung zu greifen. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der AB‑VN in Zusammenhang mit einer Aussetzung der Vertragsabwicklung sowie einer Vertragsauflösung bei einer bestehenden Eichfälligkeit des Messgeräts vorliege.

[8] Gegen den stattgebenden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie primär die Abweisung des Sicherungsantrags anstrebt; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[9] In ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Antragstellerin, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und teilweise berechtigt .

[11] 1. Die Zulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs für den vorliegenden Provisorialantrag wird von den Parteien zutreffend nicht in Frage gestellt (3 Ob 191/24w Rz 12–16).

[12] 2. § 381 Z 2 EO ermöglicht die Erlassung einstweiliger Verfügungen zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldansprüche, wenn solche Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

[13] 3. Die Antragstellerin beantragt die Sicherung des Anspruchs auf Gewährung des Netzzugangs auf der Grundlage des mit der Antragsgegnerin geschlossenen (und unstrittig aufrecht bestehenden) Netzzugangsvertrags. Die Antragsgegnerin steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass sie aufgrund der Weigerung der Antragstellerin, den „eichfälligen“ mechanischen Zähler durch ein intelligentes Messgerät (allenfalls in der „Opt‑Out‑Konfiguration“) ersetzen zu lassen, zur (Androhung der) Trennung der Netzverbindung und zur Auflösung des Vertrags berechtigt sei.

[14] 4. Zu klären ist, ob die Antragsgegnerin ein den Netzzugangsvertrag verletzendes Verhalten der Antragstellerin bescheinigt hat, das „nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) darstellt oder als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag“ (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN) zu werten ist. Im ersten Fall ermöglichen die AB‑VN der Antragsgegnerin die Aussetzung ihrer Pflicht auf Gewährung des Netzzugangs (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN), im zweiten Fall die Auflösung des Netzzugangsvertrags aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN). Als Beispiel einer Vertragsverletzung, die den Netzbetreiber – nach zwei qualifizierten Mahnungen (von denen hier nach den getroffenen Feststellungen bisher nur die erste erfolgt ist) – zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) berechtigt, führt der Vertrag die „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung)“ an (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN).

[15] 5. Der Oberste Gerichtshof hat zu 3 Ob 191/24w, 9 Ob 95/24x und 7 Ob 167/24w (zu vergleichbaren AB‑VN einer anderen Netzbetreiberin) dargelegt, dass die Weigerung des Netzbenutzers, der Netzbetreiberin Zugang zu seinem Objekt zu gewähren, damit sie einen (grundsätzlich funktionsfähigen) Stromzähler austauschen kann, qualitativ nicht den Fällen des Zahlungsverzugs und der Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung gleichzuhalten sei. Die Weigerung des Netzbenutzers rechtfertige es daher nicht, dass die Netzbetreiberin, statt gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ihr Recht auf Austausch des Zählers faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchzusetzen versuche.

[16] Diese rechtliche Beurteilung, die das Rekursgericht für den vorliegenden Fall übernahm, betraf Fälle, in denen die Netzbetreiberin mechanische Zähler mit gültiger Eichung austauschen wollte (9 Ob 95/24x: Eichung bis Dezember 2031; 7 Ob 167/24w: Eichung bis Dezember 2028; 3 Ob 191/24w: Eichung bis Dezember 2026).

[17] 6. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass der vorliegende Fall insofern anders gelagert ist, als der im Objekt der Antragstellerin verwendete Zähler bereits „eichfällig“ ist. Die Antragstellerin bestreitet weder, dass der Zähler nach dem Maß‑ und Eichgesetz (MEG) eichpflichtig ist, noch dass die Antragsgegnerin die Eichpflicht zu erfüllen hat, noch dass die Gültigkeit der Eichung des Zählers (Nacheichfrist) bereits abgelaufen ist.

[18] 6.1. Die Netzbenutzer haben dem Netzbetreiber ein Systemnutzungsentgelt zu entrichten. Dieses setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen, die (dem Grunde nach) gesetzlich vorgegeben sind (§§ 51 ff ElWOG 2010) und (der Höhe nach) durch Verordnung der Regulierungsbehörde bestimmt werden (§ 51 Abs 2 ElWOG 2010 iVm der Verordnung der Regulierungskommission der E‑Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden [Systemnutzungsentgelte‑Verordnung 2018 – SNE‑V 2018]). Die Höhe des Systemnutzungsentgelts hängt (auch) vom Verbrauch ab, den der Elektrizitätszähler ermittelt.

[19] 6.2. Gemäß § 7 Abs 1 MEG sind Messgeräte, deren Richtigkeit durch ein rechtlich geschütztes Interesse gefordert wird, nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnitts A leg cit eichpflichtig. Wer ein eichpflichtiges Messgerät verwendet oder bereit hält, ist gemäß § 7 Abs 2 MEG dafür verantwortlich, dass es geeicht ist. Gemäß § 8 Abs 1 Z 4 lit a MEG unterliegen Elektrizitätszähler ohne und mit abrechnungsrelevanten Zusatzeinrichtungen oder Tarifeinrichtungen, die im amtlichen oder rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden, der Eichpflicht. Gemäß § 14 MEG sind eichpflichtige Messgeräte innerhalb bestimmter Fristen zur Nacheichung vorzulegen. Für Elektrizitätszähler sieht § 15 Z 7 lit b und c sowie Z 10 MEG, abhängig von der konkreten Ausgestaltung, Nacheichfristen von zehn oder zwanzig Jahren vor. § 18 Z 2 lit b MEG ermächtigt die Bundesministerin oder den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, durch Verordnung die gemäß § 15 MEG bestehende Nacheichfrist hinsichtlich bestimmter Messgeräte um jeweils höchstens fünf Jahre zu verlängern, wenn durch Prüfungen von Teilmengen der in einem bestimmten Jahr geeichten Messgeräte nach festzulegenden allgemein anerkannten statistischen Verfahren zu erwarten ist, dass die Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Messgeräte für diesen Zeitraum gewährleistet ist. § 1 der aufgrund dieser Ermächtigung ergangenen Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Verlängerung der Nacheichfrist für Elektrizitätszähler und elektrische Tarifgeräte regelt eine solche Verlängerung der Nacheichfrist um jeweils fünf Jahre für die in § 15 Z 7 lit b und c sowie Z 10 MEG angeführten Elektrizitätszähler, wenn deren Richtigkeit vor Ablauf der Gültigkeit der Eichung durch eine Stichprobenprüfung nachgewiesen worden ist.

[20] 6.3. Der Zweck der Eichpflicht ist die Sicherstellung der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der eichpflichtigen Messgeräte für die Dauer der Nacheichfrist (vgl § 18 Z 2, § 38 Abs 4, 6 MEG und § 1 der VO über die Verlängerung der Nacheichfrist für Elektrizitätszähler und elektrische Tarifgeräte). Ein Elektrizitätszähler, dessen Nacheichfrist abgelaufen ist, erfüllt diesen gesetzlichen Zweck nicht; er gewährleistet keine richtige Messung des Stromverbrauchs. Damit ist auch die richtige Abrechnung des vom Netzbenutzer auf der Grundlage des ElWOG 2010, der SNE‑V 2018 und des Netzzugangsvertrags geschuldeten Systemnutzungsentgelts gefährdet. Die Netzbetreiberin läuft in dieser Konstellation Gefahr, durch eine falsche Stromverbrauchsmessung und -abrechnung nicht das in Gesetz und Verordnung vorgesehene Systemnutzungsentgelt zu erhalten. Umgekehrt läuft auch der Netzbenutzer Gefahr, zu viel Entgelt zu zahlen.

[21] 6.4. Vor diesem Hintergrund könnte ein in der dauerhaften Weigerung, der Antragsgegnerin Zutritt zum Objekt zu gewähren, um einen „eichfälligen“ Zähler auszutauschen, gelegener Verstoß der Antragstellerin gegen Punkt VIII Z 9 und Punkt XI Z 7 AB‑VN nicht als eine bloß „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) zu werten sein, sondern als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN), weil dann ein der „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen“ (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN) vergleichbarer Fall vorläge, wenn der Netzbenutzer eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung verhindert.

[22] 7. Ein solcher Verstoß ist hier aber nicht zu prüfen. Die Antragstellerin hält der Antragsgegnerin vielmehr entgegen, dass sie der Eichpflicht auch dadurch nachkommen könne, dass sie den vorhandenen Stromzähler nacheiche oder ihn gegen einen digitalen Zähler ohne Kommunikationsmodul austausche. Sie verweigert den Zutritt zum Objekt damit ausschließlich zur Verhinderung des Austauschs des vorhandenen eichfälligen Stromzählers durch eine ganz bestimmte andere Art.

[23] Ist ein Austausch des vorhandenen eichfälligen Stromzählers in einer von der Antragstellerin gewünschten Form rechtlich zulässig (rechtskonform) und faktisch möglich, so liegt jedenfalls kein der „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen“ (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN) vergleichbarer Fall vor, wenn und weil eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung weiterhin möglich ist.

[24] 7.1. Dass ein Austausch mit einem (geeichten) Zähler in der von der Antragstellerin gewünschten Form (analog oder digital ohne Kommunikationsmodul) rechtlich nicht zulässig oder faktisch nicht möglich wäre, behauptet die Antragsgegnerin im Revisionsrekurs nicht. Dem Revisionsrekurs ist auch nicht zu entnehmen, dass bei Berücksichtigung der von der Antragstellerin genannten alternativen Möglichkeiten eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung nicht mehr möglich wäre. § 1 IME‑VO enthält keine Verpflichtung zum Einbau eines intelligenten Messgeräts konkret bei der Antragstellerin, sondern (lediglich) eine Zielverpflichtung: Nach § 1 Abs 1 Z 2 IME‑VO hat jeder Netzbetreiber (im Rahmen der technischen Möglichkeiten) bis Ende 2024 mindestens 95 vH der an sein Netz angeschlossenen Zählpunkte als intelligente Messgeräte auszustatten. Das in erster Instanz erstattete Vorbringen der Antragstellerin, wonach die Antragsgegnerin ihre Ausrollungspflicht mit über 99 % bereits übererfüllt habe, wird von der Antragsgegnerin durch das in ihrem (hilfsweise erhobenen) Widerspruch enthaltene Vorbringen bestätigt, wonach ein statistisches Verfahren zur Verlängerung der Nacheichfrist daran scheitere, dass in ihrem Stromnetz nur noch weniger als 38 analoge Strommessgeräte vorhanden seien. Ausgehend davon ist aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Antragsgegnerin dieser Zielverpflichtung nicht bereits nachgekommen wäre bzw im Fall des Einbaus eines Stromzählers ohne Kommunikationsmodul bei der Antragstellerin nicht weiterhin nachkäme.

[25] 7.2. Im Ergebnis trifft die Antragstellerin mit ihrem Verhalten daher (bloß) die Entscheidung, welche Art von Messeinrichtung bei ihr zum Einsatz kommen soll. Da eine solche Entscheidung gemäß Punkt XI Z 3 AB‑VN „unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen“ der Antragsgegnerin obliegt und sie selbst in dem Fall, dass der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellt, gemäß Punkt XI Z 5 AB‑VN die Zählertechnologie vorgeben kann, könnte in dem Verhalten der Antragstellerin eine Zuwiderhandlung gegen den Netzzugangsvertrag vorliegen, der dieses Wahlrecht grundsätzlich der Antragsgegnerin zuordnet.

[26] Die Frage, ob ein Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, aufgrund des Unionsrechts (vgl dazu die Vorlagefrage an den EuGH zu C‑468/24 ) oder aufgrund der von der Antragstellerin geäußerten gesundheitlichen oder datenschutzrechtlichen (vgl dazu die weiteren Vorlagefragen an den EuGH zu C‑468/24 ) Bedenken im Rahmen seines vertraglichen Wahlrechts zu berücksichtigen hat, muss hier aber nicht geklärt werden. Selbst wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausginge, dass die von der Antragstellerin erhobenen Einwände gegen den Einbau eines „Smart Meters“ nicht zutreffen und die Antragstellerin den Einbau somit zu dulden hätte, läge nämlich (nur) eine Vertragsverletzung vor, der durch die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe begegnet werden könnte, und es wäre auch dann nicht ersichtlich, warum der Antragsgegnerin eine Verbrauchsmessung und Abrechnung in einer von der Antragstellerin gewünschten Form nicht zumindest vorübergehend – bis zur Klärung, ob die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin behauptete Duldungspflicht trifft – zumutbar sein sollte oder warum ihr dies weniger zumutbar wäre als der Antragstellerin die Stromabschaltung und Auflösung des Netzzugangsvertrags.

[27] Bei der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Zuwiderhandlung handelt es sich somit selbst bei Annahme eines unbeschränkten (vertraglichen) Wahlrechts um eine „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) und nicht um eine „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN), sodass die Antragsgegnerin weder zur Aussetzung der Vertragsabwicklung noch zur Vertragsauflösung berechtigt ist.

[28] 7.3. Ausgehend vom bisher festgestellten Sachverhalt – über den von der Antragsgegnerin hilfsweise erhobenen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung wird das Erstgericht noch zu entscheiden haben – ist daher kein Grund ersichtlich, der die Antragsgegnerin nach den AB‑VN zur (Androhung der) Unterbrechung der Netzdienstleistung gegenüber der Antragstellerin berechtigt, sei es durch Aussetzung der Vertragsabwicklung (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) oder nach Vertragsauflösung aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN).

[29] 8. Dass im vorliegenden Fall durch die unberechtigte (Androhung der) Stromabschaltung ein unwiederbringlicher Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO zu befürchten ist, wird im Revisionsrekurs – zutreffend (9 Ob 95/24x Rz 31; 7 Ob 167/24w Rz 17) – nicht bezweifelt. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass die Antragstellerin den Einbau eines „Smart Meters“ (mit einer „Opt‑Out‑Konfiguration“) zu dulden (und sie dafür Zugang zum Objekt zu erhalten) habe, ist dies nicht Gegenstand des Provisorialverfahrens, in dem es vielmehr um die Berechtigung der Antragsgegnerin geht, einen solchen Anspruch durch (Drohung mit) Stromabschaltung oder Auflösung des Netzzugangsvertrags durchzusetzen (9 Ob 95/24x Rz 26; 7 Ob 167/24w Rz 13; 3 Ob 191/24w Rz 22). Da die Zufügung des angedrohten Übels (die Abschaltung des Stroms vor gerichtlicher Klärung des Duldungsanspruchs der Antragsgegnerin) nicht erlaubt ist, ist auch die Drohung mit diesem Übel mit Widerrechtlichkeit behaftet (RS0014873 [T1]).

[30] 9. Das Rekursgericht hat die einstweilige Verfügung daher zu Recht erlassen.

[31] 10.1. Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist jedoch – auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag erst durch das Rechtsmittelgericht (RS0005496) – nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts vom Erlag einer Sicherheit durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruchs abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (RS0005711 [T7]). Die Kaution dient somit lediglich zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten (RS0005453). Die Bemessung der Sicherheitsleistung liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines dem Antragsgegner eventuell drohenden Schadens (RS0005584).

[32] 10.2. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung bringt einen derartigen beachtlichen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsgegnerin mit sich. Im Fall des Bestehens einer Duldungspflicht der Antragstellerin zum Einbau eines „Smart Meters“ wäre der – von ihr dann unrechtmäßig erzwungene – Einbau eines anderen Messgeräts mit höheren Kosten für die Antragsgegnerin verbunden. Die Antragsgegnerin befürchtet auch bei Einbau eines Messgeräts in der von der Antragstellerin gewünschten Form die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Geldstrafe. Auch wenn sie diese Befürchtung nicht mit der für die Abweisung des Sicherungsantrags hinreichenden Sicherheit konkretisieren konnte, kann eine Bestrafung im Rahmen eines solchen Verwaltungsstrafverfahrens mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens auch nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe ist daher gerechtfertigt. Sollte sich diese als unzureichend herausstellen, kann sie jederzeit erhöht werden (RS0005584 [T5]).

[33] 10.3. Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung der Rekursentscheidung in Vollzug gesetzt wurde, ist der Auftrag zum Erlag der Sicherheit zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (RS0005722 [T1]).

[34] 11. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Revisionsrekurses auf § 43 Abs 2, § 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO und hinsichtlich der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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