OGH 9Ob14/25m

OGH9Ob14/25m27.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Dr. P*gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Georg Angermaier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch Gloß Pucher Leitner Gloß Enzenhofer Mimler, Rechtsanwälte in St. Pölten, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Ing. W* GmbH, *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.866 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil und den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2024, GZ 18 R 137/24m‑4, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 26. April 2024, GZ 3 C 1197/21g‑71, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00014.25M.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisions‑ und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisions‑ und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist als Techniker bei der Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers (idF Erstnebenintervenientin) angestellt und führte am 16. 11. 2020 in der Maschinenhalle der Beklagten Arbeiten durch. Als er die Halle durch das dort befindliche Rolltor betrat, löste sich ein Teil des Rolltors und verletzte ihn am Kopf.

[2] Das Rolltor wurde 2009 eingebaut. Es ist mit einem ZAK‑System (Zwangsanlaufkontrollgetriebe) ausgestattet. Einer der beiden Spindelbügel des ZAK‑Systems war steckengeblieben, dadurch fiel der andere aus der Gewindeführung. Warum der Spindelbügel stecken blieb, kann nicht festgestellt werden.

[3] Das Rolltor wird seit 2. 10. 2014 einmal jährlich von der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten (idF: Zweitnebenintervenientin) im Auftrag der Beklagten geprüft. Eine Wartung wurde weder beauftragt noch durchgeführt. Die letzte Prüfung vor dem Unfall fand am 8. 9. 2020 statt.

[4] In der Betriebsanleitung (Anleitung für Montage, Betrieb und Wartung) des Herstellers des Rolltors wird unter der Überschrift „Prüfung und Wartung“ eine zumindest jährliche Prüfung und Wartung durch einen Sachkundigen empfohlen, da sonst die Gefahr von Verletzungen, die Gefahr von Beschädigungen und das Erlöschen der Gewährleistung drohe.

[5] Der Kläger begehrt, zuletzt gestützt auf § 1319 ABGB, Schmerzengeld, Verdienstentgang und pauschale Aufwendungen von insgesamt 6.866 EUR sA sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagte für sämtliche Spät- und Dauerfolgen aus dem Unfall zu haften habe.

[6] Die Beklagte bestreitet. Sie sei ihrer Verpflichtung zur jährlichen Überprüfung gemäß § 8 Abs 1 AM‑VO nachgekommen. Sie habe darauf vertraut und auch vertrauen dürfen, dass die Zweitnebenintervenientin als Spezialistin die Prüfung fach‑ und ordnungsgemäß durchführe.

[7] Die Arbeitgeberin des Klägers trat dem Verfahren auf Seiten des Klägers als (Erst‑)Nebenintervenientin bei.

[8] Das von der Beklagten mit der Prüfung beauftragte Unternehmen trat dem Verfahren auf Seiten der Beklagten als (Zweit‑)Nebenintervenientin bei.

[9] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe ihren Sorgfaltspflichten entsprochen, indem sie die Zweitnebenintervenientin mit der Prüfung des Rolltors beauftragt habe.

[10] Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers Folge, stellte fest, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht besteht, hob die Entscheidung über das Feststellungsbegehren auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurück an das Erstgericht. Es bejahte eine Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB. Das Rolltor sei zwar jährlich durch die fachkundige Zweitnebenintervenientin gemäß § 8 AM‑VO geprüft, allerdings seit der Montage nie gewartet worden, obwohl nach der Betriebsanleitung der Herstellerin eine jährliche Prüfung und Wartung vorzunehmen sei. Dies stelle eine objektive Sorgfaltswidrigkeit dar. Da Feststellungen zur Schadenshöhe fehlten, könne aber nur mit Zwischenurteil ausgesprochen werden, dass die Klagsforderung dem Grunde nach zu Recht besteht. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens bedürfe es noch der Klärung, ob mit künftigen Schäden zu rechnen sei, weshalb in diesem Umfang die Entscheidung aufzuheben sei.

[11] Die ordentliche Revision bzw der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurden vom Berufungsgericht zugelassen, weil zum Verhältnis von Herstellerangaben zu öffentlich‑rechtlichen Bestimmungen (hier: AM‑VO) bei der Beurteilung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision der Beklagten ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig. Sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

[13] 1. Der Besitzer eines Werkes haftet gemäß § 1319 ABGB, wenn das Schadensereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werks ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat.

[14] 2. Erforderlich sind jene Schutzvorkehrungen und Kontrollmaßnahmen, die vernünftigerweise nach der Verkehrsauffassung erwartet werden können (RS0030049). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzuwenden (RS0023525 [T6]). Die Haftung setzt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus (vgl RS0023525).

[15] 3. Die Betrauung eines befugten Gewerbsmannes mit der Sicherung einer Gefahrenquelle genügt in der Regel zur Erbringung des Entlastungsbeweises, es sei denn, der Bauherr hat erkannt oder erkennen müssen, dass der bestellte Unternehmer die notwendigen Vorschriften offenbar nicht beachtet (RS0023835).

[16] 4. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt richtet sich dabei immer nach den Umständen des Einzelfalls und begründet – von einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0029874, RS0029991).

[17] 5. Das Berufungsgericht ist von dieser Rechtsprechung ausgegangen, gegen die sich auch die Revision nicht wendet. Die Rechtsauffassung, dass im konkreten Fall die Unterlassung jeglicher Wartung des Rolltores über einen Zeitraum von 12 Jahren eine objektive Sorgfaltswidrigkeit darstellt, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums. Diesbezüglich exkulpiert auch die Beauftragung einer Fachfirma mit der Prüfung der Anlage nicht, da diese nach den Feststellungen nie mit einer Wartung beauftragt wurde.

[18] Die Revision macht im Wesentlichen geltend, dass die Betriebsanleitung im Zusammenhang mit dem ZAK‑System nur die Vorgangsweise bei Störungen beschreibt. Dabei übergeht sie jedoch, dass in dieser Betriebsanleitung („Anleitung für Montage, Betrieb und Wartung“) zuvor ausdrücklich angeführt wird, dass der Betreiber der Toranlage diese jährlich prüfen und warten muss, ansonsten unter anderem die Gefahr von Verletzungen entsteht. Auch wenn in einem weiteren Abschnitt darauf hingewiesen wird, dass bei normalen Betriebsbedingungen alle Lagerstellen, einschließlich Getriebe auf Lebensdauer geschmiert und wartungsfrei sind, konnte die Beklagte demzufolge nicht davon ausgehen, dass überhaupt keine Wartung der Anlage nötig ist.

[19] 6. Warum die Verpflichtung zu einer jährlichen Wartung eine Überspannung der Sorgfaltspflicht darstellen soll, lässt sich der Revision nicht entnehmen, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da die Beklagte in 12 Jahren keine einzige Wartung beauftragt hat. Die Rechtsauffassung, dass der Beklagten damit nicht der Beweis gelungen ist, dass sie alle Vorkehrungen getroffen hat, die vernünftigerweise nach der Auffassung des Verkehrs erwartet werden können, ist nicht korrekturbedürftig.

[20] 7. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage kommt das Rechtsmittel der Beklagten nicht zurück. Die Revision und der Rekurs der Beklagten sind daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[21] 8. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der vom Berufungsgericht ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung nicht entgegen. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfragen verneinte Zulässigkeit eines Rechtsmittels findet ein Kostenvorbehalt nicht statt (vgl 3 Ob 215/23y mwN). Der Kläger und der Nebenintervenient auf Seiten der klagenden Partei haben auf die Unzulässigkeit der Revision und des Rekurses hingewiesen. Ein Streitgenossenzuschlag war nicht zuzusprechen, da das Rechtsmittel nur von der Beklagten erhoben wurde. Die verzeichnete Verbindungsgebühr steht mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu.

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