OGH 9Ob49/25h

OGH9Ob49/25h27.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. V*, 2. E*, beide *, und 3. R*, alle vertreten durch Mag. Matthias Ringhof, Rechtsanwalt in Saalfelden am Steinernen Meer, gegen die beklagten Parteien 1. G*gesellschaft mbH, *, 2. Land *, 3. S*, 4. S*, beide *, 5. Mag. U*, 6. *, 7. Mag. E*, 8. T*, 9. Mag. C*, 10. H*, beide *, 11. R*, 12. C*, 13. J*, 14. C*, 15. H*, 16. T*, beide *, und 17. S*, die erst- bis viertbeklagten Parteien, die vierzehntbeklagte und die siebzehntbeklagte Partei jeweils vertreten durch Dr. Christian Schubeck und Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Gesamtstreitwert: 14.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2025, GZ 53 R 311/24b‑40, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 21. August 2024, GZ 18 C 311/23p‑33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00049.25H.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.709,41 EUR (darin 284,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Eigentümer von Grundstücken, auf denen Reihenhäuser errichtet sind. Auf der angrenzenden Nachbarliegenschaft der Beklagten befindet sich unmittelbar an der Grenze zu den Grundstücken der Kläger eine ca 20 m lange und 15 bis 20 cm breite Winkelstützmauer, an die direkt die Reihenhausgärten der Kläger anschließen. Die Ursache für die Wasseransammlungen auf den Grundstücken der Kläger liegt in der schlechten Sickerfähigkeit des Erdreichs dieser Grundstücke. Mit Ausnahme des von der Mauerkrone der Winkelstützmauer auftreffenden und zur Hälfte auf der Mauerseite der Grundstücke der Kläger abfließenden Niederschlagswassers kommt es zu keinem Eindringen von Oberflächen- oder Niederschlagswasser vom Grundstück der Beklagten. Selbst wenn durch technische Maßnahmen ein Abfließen des von auf der Mauerkrone auftreffenden Niederschlagswassers auf die Grundstücke der Kläger vermieden würde, würden dennoch die Wasseransammlungen auf den Grundstücken der Kläger nicht ausbleiben.

[2] Das Erstgerichtwies das auf Unterlassung der Zuleitung von Oberflächen- und Niederschlagswässern vom Grundstück der Beklagten, insbesondere von der Oberseite der an der Grenze zu den Grundstücken der Kläger befindlichen Winkelstützmauer auf die Grundstücke der Kläger gerichtete Klagebegehren ab. Ein Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB bestehe nicht, weil sich die willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse auf das Grundstück der Kläger nur ganz geringfügig auswirke und diese Folge von keinem Vernünftigen als nennenswerter Nachteil angesehen werde.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, ließ aber die ordentliche Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 1 ZPO zu, weil nicht auszuschließen sei, dass das Berufungsgericht dem Umstand, dass es sich bei den Liegenschaften der Kläger um bebaute Liegenschaften handle, zu wenig Beachtung geschenkt und deshalb möglicherweise zu Unrecht lediglich geringfügige Auswirkungen auf deren Grundstücke angenommen habe.

[4] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragten die Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe.

[5] Die 1. bis 4., 14. und 17. Beklagtenbeantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Kläger als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision der Kläger ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – nicht zulässig; sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch den Obersten Gerichtshof bereits geklärt (vgl RS0112921). Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[7] 1. Gemäß § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB ist eine unmittelbare Zuleitung (auch von Wasser) ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

[8] 2. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein auf § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch aber dann nicht berechtigt, wenn sich eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse, durch die es zu einer unmittelbaren Zuleitung auf das Nachbargrundstück kommt, auf dieses nur geringfügig auswirkt und dies kein vernünftiger Mensch als nennenswerten Nachteil ansähe. Unmittelbare Einwirkungen mit nur geringfügigen Auswirkungen auf das betroffene Grundstück können demnach nicht mit Unterlassungsklage (Eigentumsfreiheitsklage) abgewehrt werden (1 Ob 27/21h Rz 14 = RdU 2021/99, 185 [zust Kerschner]; 9 Ob 58/22b Rz 14 mwN; 1 Ob 100/24y Rz 15; RS0121625).

[9] 3. Einer Klarstellung der Rechtslage, wie von den Revisionswerbern gefordert, bedarf es nicht. Der auf § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB gestützte Unterlassungsanspruch erfordert – im Gegensatz zu jenem nach § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB – keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des von der Immission beeinträchtigten Grundstücks, sondern eine unmittelbare Zuleitung zB von Wasser ist „unter allen Umständen“ unzulässig, ohne dass es auf die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ankommt. Nur dort, wo sich die unmittelbare Zuleitung auf das Nachbargrundstück nur geringfügig auswirkt und dies kein vernünftiger Mensch als nennenswerten Nachteil ansähe oder das Unterlassungsbegehren nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls insgesamt als Rechtsmissbrauch (Schikane) zu beurteilen ist (9 Ob 58/22b Rz 14 mwN), untersagt die Rechtsprechung einen Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB. Damit steht auch die in der Revision erwähnte Entscheidung 2 Ob 111/07y nicht in Widerspruch, in der nur der Schikaneeinwand der dort Beklagten, nicht aber die Frage der geringfügigen Auswirkung der unmittelbaren Zuleitung von Wasser auf das Nachbargrundstück geprüft wurde.

[10] 4. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB ist auch nicht uneinheitlich. Richtig ist, dass sich die jüngere, nunmehr ständige Rechtsprechung sowohl auf bebaute, als auch auf unbebaute, teils landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bezieht. Die noch in der Entscheidung 1 Ob 169/06v erfolgte Bezugnahme auf unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke hatte ihren Grund darin, dass der Oberste Gerichtshof, folgend dem Verwaltungsgerichtshof (vgl 1 Ob 615/94 mwH = RS0045800 [T2]), in der älteren Rechtsprechung davon ausging, dass § 39 Abs 1 WRG, wonach der Eigentümer eines Grundstücks den natürlichen Abfluss der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstücks nicht willkürlich ändern darf, nur auf landwirtschaftlich genutzte Grundstücke zur Anwendung gelangt. Nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (2002/07/0058, folgend dem Obersten Gerichtshof, 1 Ob 33/77; 1 Ob 615/94) ist die Bestimmung – die im Gegensatz zu Abs 3 leg cit keine Einschränkung auf landwirtschaftlich genutzte Grundstücke enthält – aber auch auf bebaute Grundstücke anzuwenden, wenn – wovon hier mangels gegenteiliger Behauptungen der Kläger auszugehen ist – baubehördliche Vorschriften für die Abwendung jener Gefahren, die aus der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers bei bebauten Grundstücken resultieren können, keine Regelung treffen (vgl Lindner in Oberleitner/Berger, WRG-ON4.02 § 39 Rz 9 mwN; Weiß in Kerschner, WRG – Kurzkommentar Wasserrechtsgesetz [2022] § 39 WRG 1959 Rz 5 je mwN). Die Revisionswerber vermögen auch nicht zu begründen, weshalb § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB nur auf unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke angewendet werden soll, ist doch bei der Prüfung der geringfügigen Auswirkung der unmittelbaren Zuleitung von Wasser auf das Nachbargrundstück ohnehin auf die konkreten Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

[11] 5. Ob die Auswirkungen auf ein Grundstück bloß geringfügig sind und für die klagende Partei keine nennenswerten Nachteile entstehen, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (9 Ob 58/22b Rz 14; 1 Ob 100/24y Rz 16 = RS0121625 [T3]). Eine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigen die Revisionswerber nicht auf.

[12] Die Revision der Kläger ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte