OGH 4Ob28/25h

OGH4Ob28/25h22.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der gefährdeten Partei A*, vertreten durch Forsthuber & Partner Rechtsanwälte in Baden, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei N* GmbH, *, vertreten durch die Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über die Revisionsrekurse der gefährdeten Partei und der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 10. Dezember 2024, GZ 17 R 177/24m‑15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 13. November 2024, GZ 4 C 1419/24s‑7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00028.25H.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

1. Der Antrag der gefährdeten Partei auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und ihr Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen deren mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

2. Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung wird bestätigt. Sie wird jedoch unwirksam, wenn die gefährdete Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR beim Erstgericht erlegt.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Antragsgegnerin) betreibt ein Stromnetz, die gefährdete Partei (in der Folge: der Antragsteller) ist ihr Kunde. Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag, dessen Bestandteil die Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der Antragsgegnerin („AB-VN“) sind.

[2] Derzeit wird der Stromverbrauch des Antragstellers mit einem mechanischen Zähler ermittelt, der eichfällig ist. Dieses Gerät verfügt nicht über die Funktionen Fernauslesbarkeit und bidirektionale Datenübertragung.

[3] Die AB-VN lauten auszugsweise:

VIII. Betrieb und Instandhaltung […]

2. [Die Antragsgegnerin] und der Netzkunde haben die zu ihren jeweiligen Betriebsanlagen gehörenden elektrischen, baulichen oder sonstigen Teile entsprechend den geltenden technischen Regeln zu betreiben und instand zu halten. […]

9. Zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der [Antragsgegnerin] ist diese[r] bzw. den legitimierten Beauftragten der [Antragsgegnerin] der Zutritt zu den Anlagen des Netzkunden und zu den eigenen Anlagen zu gestatten. [Die Antragsgegnerin] übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. Das Recht von [der Antragsgegnerin] gemäß Punkt XXVI. beinhaltet den Eingriff in den Besitz und das Eigentum des Netzkunden im erforderlichen Ausmaß. […]

XI. Messung und Messeinrichtungen

1. [Die Antragsgegnerin] hat allen Netzkunden eine zuverlässige, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte durch die dem Netzkunden zugeordneten Messgeräte zu gewährleisten. [Die Antragsgegnerin] führt die Erfassung der vom Netzkunden eingespeisten oder entnommenen Energie (Arbeit und allenfalls beanspruchte Leistung) durch.

2. Die erforderlichen Mess-, Steuer- und Datenübertragungseinrichtungen (im Folgenden: Messeinrichtungen) werden von [der Antragsgegnerin] nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden hinsichtlich Art, Zahl, Ort und Größe festgelegt, eingebaut, überwacht, entfernt und erneuert, soweit nichts anderes vereinbart oder in der Systemnutzungsentgelt-Verordnung vorgesehen oder in den geltenden technischen Regeln festgelegt wurde.

3. Die Verpflichtung zum Einbau von intelligenten Messgeräten ('Smart Meter') ist [der Antragsgegnerin] gemäß § 83 Abs 1 ElWOG 2010 in Zusammenhang mit der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO) vorgeschrieben. Die Entscheidung, ob konventionelle Messeinrichtungen oder intelligente Messeinrichtungen ('Smart Meter') eingesetzt werden, obliegt [der Antragsgegnerin] unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insbesondere § 83 Abs 1 ElWOG 2010 und IME-VO). Insbesondere legt [die Antragsgegnerin] fest, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Gebiet intelligente Messgeräte eingesetzt werden. [Die Antragsgegnerin] hat den Netzkunden schriftlich und zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes und die damit verbundenen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz sowie Bereitstellung und Übermittlung der Informationen gemäß §§ 81a bis 84a ElWOG 2010 zu informieren. […] [Die Antragsgegnerin] hat den Wunsch eines Netzkunden, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen. [Die Antragsgegnerin] hat dem Netzkunden den Zugriff auf die Schnittstellen eines intelligenten Messgerätes innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt der Anfrage des Netzkunden oder des vom Netzkunden Beauftragten zu gewähren. Die genauen Spezifikationen der Schnittstellen sind innerhalb dieser Frist diskriminierungsfrei und kostenlos zur Verfügung zu stellen.

[...]

5. Will der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellen, hat er diesen Wunsch [der Antragsgegnerin] zeitgerecht mitzuteilen. Diese hat daraufhin dem Netzkunden die hierfür geltenden Spezifikationen bekannt zu geben. [Die Antragsgegnerin] gibt dabei die Zählertechnologie vor. Befindet sich der Netzkunde in einem Bereich, in welchem bereits intelligente Messgeräte zum Einsatz kommen, so hat er entsprechend der Intelligente Messgeräte-Anforderungsverordung (IMA-VO 2011) und den Vorgaben [der Antragsgegnerin] ein mit dem Netz [der Antragsgegnerin] vollkompatibles Messgerät beizustellen. Soweit Messeinrichtungen vom Netzkunden selbst beigestellt werden, ist das Entgelt für Messleistungen entsprechend zu vermindern und sind allenfalls erforderliche zusätzliche Leistungen zu vergüten.

6. Die vom Netzkunden beigestellten Messeinrichtungen sind [der Antragsgegnerin] zum Zweck der Überprüfung der angegebenen Spezifikationen zu übergeben und werden von dieser eingebaut, überwacht, abgelesen und entfernt, soweit nichts anderes vereinbart wurde. Im Falle des Einsatzes von intelligenten Messgeräten im betroffenen Netzgebiet hat der Netzkunde, der konventionelle Messeinrichtungen beigestellt hat, die Wahl, entweder eine kompatible intelligente Messeinrichtung beizustellen, oder die Beistellung zu beenden.

7. Der Netzkunde stellt in seinem Bereich den erforderlichen Platz für die Messeinrichtungen auf eigene Kosten zur Verfügung und verpflichtet sich, diese nach den Anweisungen von [der Antragsgegnerin] zu verwahren. [Die Antragsgegnerin] ist berechtigt, den Messplatz unentgeltlich zu nutzen und notwendige Umbauarbeiten vorzunehmen, die für einen allfälligen Tausch / Modernisierung der Messeinrichtung erforderlich sind. [Die Antragsgegnerin] übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. […]

8. Die Messeinrichtungen werden entsprechend den im Maß- und Eichgesetz bzw. den in den Eichvorschriften festgelegten Zeitabständen geeicht. Der für die Nacheichung oder aus sonstigen technischen Gründen erforderliche Wechsel der betroffenen Messeinrichtungen wird nach Terminabstimmung und auf Wunsch im Beisein des Netzkunden oder dessen Vertreters durchgeführt. [Die Antragsgegnerin] wird sich bemühen, auf Terminwünsche des Netzkunden einzugehen, wobei Termine oder Zeitfenster von 2 Stunden vereinbart werden können. Kann der Termin oder das Zeitfenster von 2 Stunden nicht eingehalten werden, ist mit dem Netzkunden ehestmöglich ein Ersatztermin zu vereinbaren. […]

XXVI. Aussetzung der Vertragsabwicklung

1. Jeder Vertragspartner darf seine Verpflichtungen aus dem Netzzugangsvertrag einschließlich der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen dann aussetzen und insbesondere die Netzdienstleistungen unterbrechen, wenn der andere Vertragspartner die Bestimmungen des Vertrages verletzt und nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung vorliegt. […]

2. Als Zuwiderhandlungen, die eine sofortige Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigen, gelten:

[…]

3. Alle übrigen Zuwiderhandlungen wie z.B. Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung) berechtigen [die Antragsgegnerin] nur dann zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung), wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweilig mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Bei jeder Mahnung hat [die Antragsgegnerin] auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Beratungsstelle des bestehenden Energielieferanten, soweit diese gemäß § 82 Abs 7 ElWOG einzurichten ist, hinzuweisen. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen (qualifiziertes Mahnverfahren). […]

XXVII. Vertragsauflösung aus wichtigem Grund

1. Das Recht beider Vertragspartner zur Auflösung des Netzzugangsvertrages aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

2. Ein wichtiger Grund liegt für [die Antragsgegnerin] insbesondere dann vor, wenn: [...]

b) der Netzkunde – trotz eines durchgeführten Mahnverfahrens nach Punkt XXVI. Ziffer 3 – die Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag nicht beendet; […]“

[4] Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den mechanischen Stromzähler für die Verbrauchsstelle des Antragstellers gegen ein intelligentes Messgerät auszutauschen und dieses auf Wunsch des Antragstellers so zu konfigurieren, dass lediglich ein digitaler Stromzähler vorliegt, bei dem einmal jährlich und für Abgrenzungen (Ummeldung; Stromlieferantenwechsel etc) der Zählerstand ausgelesen wird („Opt-Out-Konfiguration“ iSd § 1 Abs 6 Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung bzw IME‑VO).

[5] Der Antragsteller verweigert dies primär unter Verweis auf seine Grundrechte auf Datenschutz und Achtung seines Privat- und Familienlebens sowie unter Berufung auf seine körperliche Unversehrtheit.

[6] Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 30. 9. 2024 („erste qualifizierte Mahnung“) mit, dass sein mechanischer Stromzähler eichfällig sei und deshalb nicht mehr zur Strommessung verwendet werden könne. Eine Nacheichung sei gesetzlich nicht zulässig. Ohne zuverlässige Verbrauchsmessung sei der Antragsgegnerin die Aufrechterhaltung des Netznutzungsvertrags nicht mehr zumutbar. Sie stellte einen Zähleraustausch rund drei Wochen später in Aussicht und schloss Informationen über den einzubauenden „Smart Meter“ an. Für den Fall der Nichtbefolgung sei sie nach den AB-VN berechtigt, die Stromlieferung zu unterbrechen und/oder den Netznutzungsvertrag mit dem Kläger aufzulösen.

[7] In einem späteren Schreiben an den Antragstellervertreter erklärte die Antragsgegnerin, dass sie als Netzbetreiberin zum Austausch veralteter Zähler verpflichtet sei und die von § 1 Abs 6 IME-VO umschriebene „Opt-Out-Konfiguration“ lediglich die Parametrisierung der Zählerfunktionen betreffe, weshalb der Antragsteller Widerspruch lediglich gegen bestimmte „intelligente“ Funktionen erheben könne.

[8] Die Antragsgegnerin hat für den Einbau des „Smart Meters“ zu * eine Klage beim Bezirksgericht N* auf Duldung des Ausbaus eines analogen Stromverbrauchsmessgeräts zum Zwecke des Austauschs gegen ein digitales Messgerät eingebracht (in der Folge: Duldungsverfahren). Das Verfahren ist bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren C‑468/24 , Netz Niederösterreich, über das Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts St. Pölten zu 21 R 81/24f unterbrochen.

[9] Der Antragsteller begehrte, der Antragsgegnerin zu verbieten, 1. ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Gewährung des Netzzugangs zu unterlassen; konkret in Form der Androhung oder Umsetzung der Stromabschaltung (zB durch Ausbau des/der verbauten Messgeräte(s), soweit damit die Zustimmung des Antragstellers zum Ausbau/Austausch/Einbau a. eines Messgeräts ihr – mangels näherer Beschreibung durch die Antragsgegnerin – unbekannter Art, Type, Beschaffenheit; oder b. eines „Smart Meters“; bewirkt werden soll; 2. den Strombezugsvertrag mit dem Antragsteller (allein) aus dem Grund zu beenden, dass er sich weigert, statt des vorhandenen Zählers ein Gerät laut a. oder b. einbauen zu lassen. Die Gefährdung der Stromversorgung sei ein unwiederbringlicher Schaden. Die AB-VN der Antragsgegnerin seien sittenwidrig. Der Antragsteller sei mit einer Nacheichung oder dem Einbau eines geeichten mechanischen Zählers einverstanden oder könne selbst einen geeichten mechanischen Zähler bereitstellen.

[10] Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung aller Sicherungsanträge. Die E-Control als zuständige Regulierungsbehörde habe ihr bereits mit Anzeigen wegen ungeeichter Zähler gedroht. Eine Verlängerung der Nacheichfrist sei faktisch nicht möglich, weil es nur noch zu wenig mechanische Zähler für die dafür erforderliche stichprobenartige Kontrolle gebe. Dem Antragsteller drohe vom „Smart Meter“ keine Gefahr: Er sei gesundheitlich unbedenklich und übermittle in der „Opt-Out-Konfiguration“ gemäß § 1 Abs 6 IME-VO nur einmal jährlich und für Abgrenzungen aus Anlass des Netzkunden (Ummeldung, Stromlieferantenwechsel und ähnliches) den Zählerstand in verschlüsselter Form. Bereits über 99,97 % der Strommessgeräte der Antragsgegnerin seien „Smart Meter“. Der Antragsteller sei nach Gesetz und Vertrag zur Duldung des Einbaus eines „Smart Meters“ verpflichtet. Sein Angebot, selbst einen Zähler beizustellen, komme nach der qualifizierten Mahnung zu spät. Der Antragsteller könne außerdem den „Smart Meters“ auch noch nach dessen Einbau gegen ein anderes rechtskonformes Gerät seiner Wahl austauschen. Laut § 83 Abs 1 ElWOG 2010 müssen Strommessgeräte über moderne technische Funktionen wie Fernauslesbarkeit und bidirektionale Datenübertragung verfügen. Wenn ein Netzbetreiber ein nicht geeichtes Strommessgerät verwende, sei er gemäß § 63 Abs 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) mit bis zu 10.900 EUR Geldstrafe zu bestrafen. Eine Nacheichung oder Installation von Messgeräten, die keine „Smart Meter“ seien, sei gemäß § 99 Abs 2 Z 14 ElWOG 2010 mit einer Geldstrafe von bis zu 75.000 EUR bedroht. Gemäß § 10 Abs 1 der Netzdienstleistungsverordnung Strom 2012 (END-VO) sei der Netzbetreiber zudem verpflichtet, die Zählertechnologie so auszuwählen, dass eine zuverlässige und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte möglich sei. Dies seien nur „Smart Meter“. Nach § 1 Abs 1 Z 3 IME-VO sei der Umstieg auf „Smart Meter“ im Rahmen der technischen Machbarkeit bis Ende 2022 zu mindestens 95 % umzusetzen.

[11] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Antragsgegnerin gefährde das Recht des Antragstellers auf Netzzugang nicht, sondern stelle diesen durch angekündigten Austausch des mechanischen Stromzählers gegen einen § 1 Abs 6 IME-VO und dem Vertrag zwischen den Parteien entsprechenden „Smart Meter“ vielmehr sicher. Einen Anspruch auf Netzzugang ohne „Smart Meter“ habe der Antragsteller nicht bescheinigt. Die von der Antragsgegnerin angebotene „Opt‑Out-Konfiguration“ des „Smart Meters“ entspreche den Anforderungen von § 1 Abs 6 IME-VO, sodass nach der Rechtsprechung die Grundrechte des Antragstellers auf Datenschutz und Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens verhältnismäßig berücksichtigt seien. Die ePrivacy-Richtlinie (RL 2002/58/EG ), ihre nationale Umsetzung im TKG 2021 und die Cookie-Judikatur (EuGH C‑673/17 , Planet49) seien nicht einschlägig, weil sie Kommunikationsnetze und nicht Stromnetze beträfen. Die Überwachungskamera-Judikatur zu § 16 ABGB sei ebenso wenig heranzuziehen, weil ein Strommessgerät – anders als eine Videokamera – nicht der Überwachung privaten Verhaltens diene. Eine allfällige Stromabschaltung habe ihre Ursache einzig darin, dass der Antragsteller Vertragspflichten verletze.

[12] Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des zweiten Sicherungsbegehrens (Verbot zur Beendigung des Strombezugsvertrags). Jedoch erließ es die einstweilige Verfügung gemäß dem ersten Begehren und verbot der Antragsgegnerin die Drohung mit Netz- oder Stromabschaltung und die Beendigung des Netzzugangs. Es gewährte dem Antragsteller eine Frist von vier Wochen für die Einleitung eines Rechtfertigungsverfahrens, konkret eines Streitschlichtungsverfahrens gemäß § 22 Abs 2 ElWOG 2010. Eine Stromabschaltung beziehungsweise Verweigerung des Netzzugangs könne einen unwiederbringlichen Schaden iSd § 381 Z 2 EO darstellen. Einbau und Verwendung eines „Smart Meters“ verletzte zwar keine Grundrechte des Antragstellers, jedoch habe der Antragsteller aus dem Netzzugangsvertrag einen sicherungsfähigen Anspruch auf Zugang zum Stromnetz der Antragsgegnerin. Daran ändere die fehlende Klagbarkeit des Anspruchs wegen Vorschaltung eines Streitschlichtungsverfahrens nach § 22 Abs 2 Z 1 ElWOG 2010 nichts. Die Antragsgegnerin dürfe ihr Recht auf Austausch des Zählers nicht faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchsetzen. Da kein Strombezugsvertrag zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin bestehe, habe der Antragsteller auch keinen sicherungsfähigen Anspruch gegen die Beendigung eines solchen. Im Ergebnis sei somit dem ersten, nicht aber dem zweiten Sicherungsbegehren stattzugeben.

[13] Das Rekursgericht bewertete den Streitgegenstand mit 5.000 EUR, jedoch nicht 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nur hinsichtlich des stattgebenden Teils des Beschlusses, nicht aber hinsichtlich des abweisenden Teils des Beschlusses zu.

[14] Der Revisionsrekurs des Antragstellers richtet sich formell gegen die gesamte Entscheidung und ist auf Stattgebung auch des zweiten Sicherungsbegehrens (Strombezugsvertrag) gerichtet. Außerdem beantragt er die Anberaumung einer Verhandlung und einen „Ausspruch im Zuständigkeitsstreit“, dass jenes Gericht zuständig sei, bei dem auch „das Hauptverfahren“ anhängig sei (Bezirksgericht N*).

[15] Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortungen ua das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

[16] Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin will die Abweisung des gesamten Sicherungsantrags erreichen.

[17] Der Antragsteller beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Der Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher unzulässig.

[19] Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist auch teilweise berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs des Antragstellers

[20] 1. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung ist zurückzuweisen, weil eine solche im Gesetz nicht vorgesehen ist (9 Ob 8/19w; RS0044000; vgl § 526 Abs 1 ZPO). Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, inwieweit eine Verhandlung einer Klärung der hier strittigen Rechtsfragen dienlich sein sollte.

[21] 2. Vorausgeschickt sei, dass das Rekursgericht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur mit Rechtsfragen zum antragsstattgebenden Teil seiner Entscheidung begründet.Formal bekämpft der Antragsteller den antragsabweisenden Teil zwar ebenfalls, inhaltliche Ausführungen dazu fehlen allerdings. Jedenfalls wäre es aber Sache des Antragstellers gewesen, erhebliche Rechtsfragen iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, die das Rekursgericht (zu seinen Lasten) unrichtig gelöst hat. Dies gelingt ihm nicht, was kurz (§ 510 Abs 3 ZPO iVm §§ 78 EO, 528a ZPO) zu begründen ist:

[22] 3. Den Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschluss des vom Antragsteller im Provisorialverfahren zunächst angerufenen Bezirksgerichts N* vom 6. 11. 2024 zu *hat das Landesgericht St. Pölten mit Beschluss vom 27. 11. 2024 zu 21 R 251/24f bestätigt. Die Zuständigkeit des Erstgerichts wurde damit rechtskräftig bejaht. Ergänzend sei erwähnt, dass sich das Rekursgericht mit einer vom Antragsteller behaupteten Nichtigkeit wegen örtlicher Unzuständigkeit inhaltlich befasst und diese verneint hat, sodass dies vor dem Obersten Gerichtshof im Regelfall ohnedies nicht mehr aufgegriffen werden könnte (RS0097225 [T1, T8]).

[23] 4. Die Ausführungen „zum Sicherungsbegehren bei abgelaufener Eichung“ wenden sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts (inhaltlich laufen sie auf eine – vom Antragsteller ohnedies separat eingebrachten – Beantwortung des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin hinaus); sie bedürfen keiner näheren Erörterung.

[24] 5. Der behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO liegt nicht vor, zumal das Gericht gemäß § 391 Abs 1 Satz 1 EO die Zeit, für welche es die einstweilige Verfügung bewilligt, von Amts wegen zu bestimmen hat, ohne dabei an die Anträge der Parteien gebunden zu sein; es hat deshalb die Fristbestimmung erforderlichenfalls auch ohne Antrag der gefährdeten Partei beizusetzen (RS0005363).

[25] Der ausführlich begründeten Auffassung des Rekursgerichts, das Hauptverfahren sei nicht das zwischen den Parteien anhängige Verfahren zur Duldung des Zählertauschs bzw der Widerklage, sondern ein erst einzuleitendes bzw nach den Behauptungen des Antragstellers bereits eingeleitetes Streitschlichtungsverfahren über seinen Anspruch auf Unterlassung der Beendigung des Netznutzungsvertrags vor der Regulierungsbehörde nach § 22 ElWOG 2010 (unter Verweis auf 3 Ob 191/24w), sodass die einstweilige Verfügung für die Dauer dieses Schlichtungsverfahrens bzw eines allenfalls daran anschließenden gerichtlichen Verfahrens zu befristen sei, tritt der Antragsteller im Übrigen nicht inhaltlich substanziiert entgegen.

[26] 6. Gegen die Abweisung des Verbots, den Strombezugsvertrag zu beenden, führt der Antragsteller nur ins Treffen, er habe erkennbar den „Netzzugangsvertrag“ zwischen den Streitteilen gemeint. Er bekämpft dies daher nur formal, nicht aber inhaltlich. Im Übrigen hat das Rekursgericht der Antragsgegnerin zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung des Netzzugangs auf Basis des zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrags ohnehin auch verboten, den Netzzugang zu beenden, sodass die Argumentation des Antragstellers weder nachvollziehbar ist noch eine erhebliche Rechtsfrage anspricht.

[27] 7. Soweit sich der Antragsteller gegen die Kostenentscheidung wendet, übersieht er, dass das Gericht zweiter Instanz in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig entscheidet (RS0044233). § 528 Abs 2 Z 3 ZPO schließt die Überprüfung der Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof aus (RS0044228; vgl auch RS0053407).

[28] 8. Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist daher zurückzuweisen.

[29] 9. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Gemäß §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO hat sie daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung.

II. Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin

[30] 1. Die Zulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs für den vorliegenden Provisorialantrag wird von den Parteien zutreffend nicht in Frage gestellt (3 Ob 191/24w Rz 12–16).

[31] 2. § 381 Z 2 EO ermöglicht die Erlassung einstweiliger Verfügungen zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldansprüche, wenn solche Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

[32] 3. Der Antragsteller beantragt die Sicherung des Anspruchs auf Gewährung des Netzzugangs auf der Grundlage des mit der Antragsgegnerin geschlossenen (und unstrittig aufrecht bestehenden) Netzzugangsvertrags. Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, dass sie aufgrund der Weigerung des Antragstellers, den eichfälligen mechanischen Zähler durch ein intelligentes Messgerät (allenfalls in der „Opt‑Out‑Konfiguration“) ersetzen zu lassen, zur (Androhung der) Trennung der Netzverbindung und zur Auflösung des Vertrags berechtigt sei.

[33] 4. Zu klären ist, ob die Antragsgegnerin ein den Netzzugangsvertrag verletzendes Verhalten des Antragstellers bescheinigt hat, das „nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) darstellt oder als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag“ (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN) zu werten ist. Im ersten Fall ermöglichen die AB‑VN der Antragsgegnerin die Aussetzung ihrer Pflicht auf Gewährung des Netzzugangs (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN), im zweiten Fall die Auflösung des Netzzugangsvertrags aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN). Als Beispiel einer Vertragsverletzung, die den Netzbetreiber – nach zwei qualifizierten Mahnungen, deren Vorliegen der Antragsteller hier nicht bestreitet – zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) berechtigt, führt der Vertrag die „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung)“ an (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN).

[34] 5. Der Oberste Gerichtshof hat zu 9 Ob 95/24x, 7 Ob 167/24w und 3 Ob 191/24w (betreffend vergleichbare AB‑VN einer anderen Netzbetreiberin) dargelegt, dass die Weigerung des Netzbenutzers, der Netzbetreiberin Zugang zu seinem Objekt zu gewähren, damit sie einen (grundsätzlich funktionsfähigen) Stromzähler austauschen kann, qualitativ nicht den Fällen des Zahlungsverzugs und der Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung gleichzuhalten sei. Die Weigerung des Netzbenutzers rechtfertige es daher nicht, dass die Netzbetreiberin, statt gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ihr Recht auf Austausch des Zählers faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchzusetzen versuche.

[35] Diese rechtliche Beurteilung betraf Fälle, in denen die Netzbetreiberin mechanische Zähler mit gültiger Eichung austauschen wollte (9 Ob 95/24x: Eichung bis Dezember 2031; 7 Ob 167/24w: Eichung bis Dezember 2028; 3 Ob 191/24w: Eichung bis Dezember 2026).

[36] 6. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass der vorliegende Fall insofern anders gelagert ist, als der im Objekt des Antragstellers verwendete Zähler – anders als die Zähler in den Vorentscheidungen – eichfällig ist. Der Antragsteller bestreitet weder, dass der Zähler nach dem Maß- und Eichgesetz (MEG) eichpflichtig ist, noch, dass die Antragsgegnerin die Eichpflicht zu erfüllen hat, noch, dass die Gültigkeit der Eichung des Zählers (Nacheichfrist) abgelaufen ist.

[37] 6.1. Die Netzbenutzer haben dem Netzbetreiber ein Systemnutzungsentgelt zu entrichten. Dieses setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen, die (dem Grunde nach) gesetzlich vorgegeben sind (§§ 51 ff ElWOG 2010) und (der Höhe nach) durch Verordnung der Regulierungsbehörde bestimmt werden (§ 51 Abs 2 ElWOG 2010 iVm der Verordnung der Regulierungskommission der E‑Control, mit der die Entgelte für die Systemnutzung bestimmt werden [Systemnutzungsentgelte‑Verordnung 2018 – SNE‑V 2018]). Die Höhe des Systemnutzungsentgelts hängt (auch) vom Verbrauch ab, den der Elektrizitätszähler ermittelt.

[38] 6.2. Gemäß § 7 Abs 1 MEG sind Messgeräte, deren Richtigkeit durch ein rechtlich geschütztes Interesse gefordert wird, nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes A des MEG eichpflichtig. Wer ein eichpflichtiges Messgerät verwendet oder bereit hält, ist gemäß § 7 Abs 2 MEG dafür verantwortlich, dass es geeicht ist. Gemäß § 8 Abs 1 Z  4 lit a MEG unterliegen Elektrizitätszähler ohne und mit abrechnungsrelevanten Zusatzeinrichtungen oder Tarifeinrichtungen, die im amtlichen oder rechtsgeschäftlichen Verkehr verwendet oder bereitgehalten werden, der Eichpflicht. Gemäß § 14 MEG sind eichpflichtige Messgeräte innerhalb bestimmter Fristen zur Nacheichung vorzulegen. Für Elektrizitätszähler sieht § 15 Z 7 lit b und c sowie Z 10 MEG, abhängig von der konkreten Ausgestaltung, Nacheichfristen von zehn oder zwanzig Jahren vor. § 18 Z 2 lit b MEG ermächtigt die Bundesministerin oder den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, durch Verordnung die gemäß § 15 MEG bestehende Nacheichfrist hinsichtlich bestimmter Messgeräte um jeweils höchstens fünf Jahre zu verlängern, wenn durch Prüfungen von Teilmengen der in einem bestimmten Jahr geeichten Messgeräte nach festzulegenden allgemein anerkannten statistischen Verfahren zu erwarten ist, dass die Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Messgeräte für diesen Zeitraum gewährleistet ist. § 1 der aufgrund dieser Ermächtigung ergangenen Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Verlängerung der Nacheichfrist für Elektrizitätszähler und elektrische Tarifgeräte regelt eine solche Verlängerung der Nacheichfrist um jeweils fünf Jahre für die in § 15 Z 7 lit b und c sowie Z 10 MEG angeführten Elektrizitätszähler, wenn deren Richtigkeit vor Ablauf der Gültigkeit der Eichung durch eine Stichprobenprüfung nachgewiesen worden ist.

[39] 6.3. Der Zweck der Eichpflicht ist die Sicherstellung der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der eichpflichtigen Messgeräte für die Dauer der Nacheichfrist (vgl § 18 Z 2, § 38 Abs 4, 6 MEG und § 1 der VO über die Verlängerung der Nacheichfrist für Elektrizitätszähler und elektrische Tarifgeräte). Ein Elektrizitätszähler, dessen Nacheichfrist abgelaufen ist, erfüllt diesen gesetzlichen Zweck nicht; er gewährleistet keine richtige Messung des Stromverbrauchs. Damit ist auch die richtige Abrechnung des vom Netzbenutzer auf der Grundlage des ElWOG 2010, der SNE‑V 2018 und des Netzzugangsvertrags geschuldeten Systemnutzungsentgelts gefährdet. Die Netzbetreiberin läuft in dieser Konstellation Gefahr, durch eine falsche Stromverbrauchsmessung und -abrechnung nicht das in Gesetz und Verordnung vorgesehene Systemnutzungsentgelt zu erhalten. Umgekehrt läuft auch der Netzbenutzer Gefahr, zu viel Entgelt zu zahlen.

[40] 6.4. Vor diesem Hintergrund könnte ein in der dauerhaften Weigerung, der Antragsgegnerin Zutritt zum Objekt zu gewähren, um einen eichfälligen Zähler auszutauschen, gelegener Verstoß des Antragstellers gegen Punkt VIII Z 9 und Punkt XI Z 7 AB‑VN nicht als eine bloß „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) zu werten sein, sondern als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN), weil dann ein der „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen“ (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN) vergleichbarer Fall vorläge, wenn der Netzbenutzer eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung verhindert.

[41] 7. Ein solcher Verstoß ist hier aber nicht zu prüfen. Der Antragsteller hält der Antragsgegnerin vielmehr entgegen (und tat dies offenbar bereits vor Ablauf der Nacheichfrist), dass sie der Eichpflicht auch dadurch nachkommen könne, dass sie den vorhandenen Stromzähler nacheiche oder ihn gegen einen digitalen Zähler ohne Kommunikationsmodul austausche. Er verweigert den Zutritt zum Objekt damit ausschließlich zur Verhinderung des Austauschs des vorhandenen eichfälligen Stromzählers durch eine ganz bestimmte andere Art. Wäre ein Austausch des vorhandenen eichfälligen Stromzählers in einer vom Antragsteller gewünschten Form rechtlich zulässig und faktisch möglich, würde kein der „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen“ (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN) vergleichbarer Fall vorliegen, wenn und weil eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung weiterhin möglich wäre.

[42] 7.1. Dass ein Austausch mit einem (geeichten) Zähler in der vom Antragsteller gewünschten Form (analog oder digital ohne Kommunikationsmodul) rechtlich nicht zulässig oder faktisch nicht möglich wäre, behauptet die Antragsgegnerin im Revisionsrekurs nicht. Dem Revisionsrekurs ist auch nicht zu entnehmen, dass bei Berücksichtigung der vom Antragsteller genannten alternativen Möglichkeiten eine ordnungsgemäße Verbrauchsmessung und Abrechnung nicht mehr möglich wäre. Anders als von der Antragsgegnerin in erster Instanz vertreten, enthält § 1 IME‑VO keine Verpflichtung zum Einbau eines intelligenten Messgeräts konkret beim Antragsteller, sondern (lediglich) eine Zielverpflichtung: Nach § 1 Abs 1 Z 2 IME‑VO hat jeder Netzbetreiber (im Rahmen der technischen Möglichkeiten) bis Ende 2024 mindestens 95 vH der an sein Netz angeschlossenen Zählpunkte als intelligente Messgeräte auszustatten. Angesichts der Behauptung der Antragsgegnerin in erster Instanz, dass (schon) 99,97 % ihrer Strommessgeräte „Smart Meter“ seien, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Antragsgegnerin dieser Zielverpflichtung nicht bereits nachgekommen wäre (und auch bei Einbau eines Stromzählers ohne Kommunikationsmodul beim Antragsteller weiterhin nachkommen würde).

[43] 7.2. Im Ergebnis trifft der Antragsteller mit seinem Verhalten daher (bloß) die Entscheidung, welche Art von Messeinrichtung bei ihm zum Einsatz kommen soll. Da eine solche Entscheidung gemäß Punkt XI Z 3 AB‑VN „unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen“ der Antragsgegnerin obliegt und sie selbst in dem Fall, dass der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellt, gemäß Punkt XI Z 5 AB‑VN die Zählertechnologie vorgeben kann, könnte in dem Verhalten des Antragstellers eine Zuwiderhandlung gegen den Netzzugangsvertrag vorliegen, der dieses Wahlrecht grundsätzlich der Antragsgegnerin zuordnet.

[44] Die Frage, ob ein Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, aufgrund des Unionsrechts (vgl die diesbezügliche Vorlagefrage an den EuGH zu C‑468/24 ) oder aufgrund der vom Antragsteller gesundheitlichen oder datenschutzrechtlichen (vgl die weiteren Vorlagefragen an den EuGH zu C‑468/24 ) Bedenken zu berücksichtigen hat, muss hier aber nicht geklärt werden. Selbst wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausginge, dass diese vom Antragsteller erhobenen Bedenken gegen den Einbau eines „Smart Meters“ nicht zutreffen und der Antragsteller den Einbau somit zu dulden hätte, läge nämlich eine Vertragsverletzung vor, der die Antragsgegnerin durch Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe begegnen könnte, und es wäre auch dann nicht ersichtlich, warum der Antragsgegnerin eine Verbrauchsmessung und Abrechnung in einer vom Antragsteller gewünschten Form nicht zumindest vorübergehend – bis zur Klärung, ob den Antragsteller die von ihr behauptete Duldungspflicht trifft – zumutbar (oder warum ihr dies weniger zumutbar als dem Antragsteller die Stromabschaltung und Auflösung des Netzzugangsvertrags) sein sollte.

[45] Bei der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Zuwiderhandlung handelt es sich somit um eine „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) und nicht um eine „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN), sodass die Antragsgegnerin weder zur Aussetzung der Vertragsabwicklung noch zur Vertragsauflösung berechtigt ist.

[46] 7.3. Die Antragsgegnerin hat daher keinen Sachverhalt bescheinigt, der sie nach den AB‑VN zur (Androhung der) Unterbrechung der Netzdienstleistung gegenüber dem Antragsteller berechtigt, sei es durch Aussetzung der Vertragsabwicklung (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) oder nach Vertragsauflösung aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN).

[47] 8. Dass im vorliegenden Fall durch die unberechtigte (Androhung der) Abschaltung des Stroms ein unwiederbringlicher Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO zu befürchten ist, wird im Revisionsrekurs – zutreffend (9 Ob 95/24x Rz 31; 7 Ob 167/24w Rz 17) – nicht bezweifelt. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass der Antragsteller den Einbau eines „Smart Meters“ (mit einer „Opt‑Out‑Konfiguration“) zu dulden (und sie dafür Zugang zum Objekt zu erhalten) habe, ist dies nicht Gegenstand des Provisorialverfahrens, in dem es vielmehr um die Berechtigung der Antragsgegnerin geht, einen solchen Anspruch durch (Drohung mit) Stromabschaltung oder Auflösung des Netzzugangsvertrags durchzusetzen (9 Ob 95/24x Rz 26; 7 Ob 167/24w Rz 13; 3 Ob 191/24w Rz 22). Da die Zufügung des angedrohten Übels (die Abschaltung des Stroms vor gerichtlicher Klärung des Duldungsanspruchs der Antragsgegnerin) nicht erlaubt ist, ist auch die Drohung mit diesem Übel mit Widerrechtlichkeit behaftet (RS0014873 [T1]).

[48] 9. Das Rekursgericht hat die einstweilige Verfügung (im nun von der Antragsgegnerin bekämpften Umfang) somit zu Recht erlassen.

[49] 10.1. Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist jedoch – auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag erst durch das Rechtsmittelgericht (RS0005496) – nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts vom Erlag einer Sicherheit durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruchs abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Antragsgegners mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (RS0005711 [T7]). Die Kaution dient somit lediglich zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten (RS0005453). Die Bemessung der Sicherheitsleistung liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines dem Antragsgegner eventuell drohenden Schadens (RS0005584).

[50] 10.2. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung bringt hier einen derartigen beachtlichen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsgegnerin mit sich. Im Fall des Bestehens einer Duldungspflicht des Antragstellers zum Einbau eines „Smart Meters“ wäre der – vom Antragsteller dann unrechtmäßig erzwungene – Einbau eines anderen Messgeräts mit höheren Kosten für die Antragsgegnerin verbunden (neuerlicher Wechsel des Messgeräts). Die Antragsgegnerin befürchtet auch bei Einbau eines Messgeräts in der vom Antragsteller gewünschten Form die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Geldstrafe. Auch wenn sie diese Befürchtung nicht mit der für die Abweisung des Sicherungsantrags hinreichenden Sicherheit konkretisieren konnte, kann eine Bestrafung im Rahmen eines solchen Verwaltungsstrafverfahrens mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens auch nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe ist daher gerechtfertigt. Sollte sie sich als unzureichend herausstellen, kann sie jederzeit erhöht werden (RS0005584 [T5]).

[51] 10.3. Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung der Entscheidung des Erstgerichts in Vollzug gesetzt wurde, ist der Auftrag zum Erlag der Sicherheit zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (RS0005722 [T1]).

[52] 11. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Revisionsrekurses auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO und hinsichtlich der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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