OGH 14Os31/25b

OGH14Os31/25b13.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Madari LL.M. (WU), BSc (WU) in der Strafsache gegen * P* wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG, AZ 25 Hv 120/24w des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 31. Jänner 2025, GZ 25 Hv 120/24w-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Ramusch LL.M., LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00031.25B.0513.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. Jänner 2025, GZ 25 Hv 120/24w-10, verletzt im Schuldspruch § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG.

Dieses Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, wird im Schuldspruch, demgemäß auch in den Aussprüchen über die Strafe und die Kostenersatzpflicht ebenso aufgehoben wie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und es wird dem Landesgericht Linz aufgetragen, das Verfahren nach §§ 35, 37 SMG durchzuführen.

 

Gründe:

[1] Mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen und in gekürzter Form ausgefertigten, auch einen Freispruch enthaltenden Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 31. Jänner 2025, GZ 25 Hv 120/24w-10, wurde * P* der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Danach hat er von Mitte November 2023 bis 17. November 2024 in L* vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich unbekannte Mengen Cannabiskraut (beinhaltend THCA und Delta-9-THC) und Ecstasy-Tabletten (beinhaltend MDMA), durch Ankauf von unbekannten Suchtgifthändlern zum Eigengebrauch erworben und besessen.

[3] Zugleich fasste das Gericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluss, vom Widerruf der vom Landesgericht Linz zu AZ 33 Hv 53/22y gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen.

[4] Den Ausschluss eines diversionellen Vorgehens (auch) nach § 35 iVm § 37 SMG begründete die Einzelrichterin damit, dass der Verurteilte „bereits mehrfach auf Grund von Tathandlungen mit der gleichen schädlichen Neigung verurteilt wurde und bereits mehrfach gem § 35 Abs 9 SMG vorgegangen wurde“ (ON 10, 3).

[5] Annahmen dazu, dass der Verurteilte die Taten während einer Probezeit nach § 35 Abs 1 SMG begangen hätte, sind dem Urteil – und im Übrigen auch den Akten (vgl ON 9) – nicht zu entnehmen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil zum Teil mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[7] Nach Einbringen der Anklage hat das Gericht die Bestimmungen über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung (§§ 35 und 36 SMG) sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen (§ 37 SMG).

[8] Wird durch eine Tat (wie hier) das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 und 2 SMG begründet, ist demnach – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – Diversion nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG stets geboten und nicht an Überlegungen zur Schwere der Schuld oder zur Prävention geknüpft. Demnach steht der vorläufigen Verfahrenseinstellung nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG eine einschlägige Vorstrafenbelastung ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass bereits nach § 35 Abs 9 SMG vorgegangen wurde (vgl zu allem RIS-Justiz RS0131952, RS0132559, RS0113620 [T4]; Schwaighofer in WK2 SMG § 35 Rz 19; Schroll/Kert, WK-StPO § 203 Rz 32 ff).

[9] Lehnt das Gericht ein diversionelles Vorgehen ab, hat es – im Sinn des sich aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO ergebenden Gebots, die als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen, entscheidungswesentlichen Tatsachen in den Entscheidungsgründen des Urteils in gedrängter Darstellung anzuführen – Feststellungen zu treffen, welche die Nichtanwendung der genannten Diversionsbestimmungen tragen (RIS-Justiz RS0119091 [T9]).

[10] Dies gilt auch für eine gekürzte Urteilsausfertigung, die nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO (der gemäß § 488 Abs 1 StPO im Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter Anwendung findet) im Fall einer Verurteilung (unter anderem) die vom Gericht als erwiesen angenommenen, entscheidenden Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten hat. In diesem Sinn entscheidend sind auch Tatsachen, die für die (Nicht-)Anwendung von Diversionsbestimmungen den Ausschlag geben (RIS-Justiz RS0125764 [T3], RS0119091 [T7]; Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 60 iVm Rz 31; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399 und 659).

[11] Da im gegenständlichen Fall die Annahmen zur einschlägigen Vorstrafenbelastung des P* und zum in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgten Vorgehen nach § 35 Abs 9 SMG das Unterbleiben diversionellen Vorgehens nach den Bestimmungen des SMG nicht tragen, verletzt das angefochtene Urteil § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG.

[12] Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten zum Nachteil, sie war daher wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO; zur Aufhebung des gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefassten Beschlusses vgl RIS-Justiz RS0100194 [T5]). Von der Kassation rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

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