OGH 1Ob27/25i

OGH1Ob27/25i13.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei R*, vertreten durch die Forsthuber & Partner Rechtsanwälte (OG) in Baden, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei N* GmbH, *, vertreten durch die Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen einstweiliger Verfügung, über die Revisionsrekurse der gefährdeten Partei und der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 10. Dezember 2024, GZ 17 R 168/24p‑16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 6. November 2024, GZ 4 C 1407/24a‑6, teilweise abgeändert, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00027.25I.0513.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Exekutionsrecht, Grundbuchsrecht, Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Der Antrag der gefährdeten Partei auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wird zurückgewiesen.

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung wird bestätigt. Sie wird jedoch unwirksam, wenn die gefährdete Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR beim Erstgericht erlegt.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die gefährdete Partei (in der Folge: Antragstellerin) ist (Strom‑)Netzkundin der Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Antragsgegnerin), die Netzbetreiberin an der Verbrauchsstelle einer ihr gehörenden Liegenschaft ist. Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag.

[2] Der Stromverbrauch der Antragstellerin wird mit einem analogen Zähler gezählt, der im Eigentum der Antragsgegnerin steht. Die Eichfrist für den Zähler ist abgelaufen. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den „eichfälligen“ Zähler gegen ein intelligentes Messgerät („Smart Meter“) auszutauschen und dieses auf Wunsch der Antragstellerin entsprechend § 1 Abs 6 Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO) zu konfigurieren („Opt‑Out-Konfiguration“). Die Antragstellerin lehnt den Austausch unter Verweis auf ihr Grundrecht auf Datenschutz sowie unter Berufung auf ihre körperliche Unversehrtheit ab.

[3] Mit einem als „erste qualifizierte Mahnung“ bezeichneten Schreiben vom 30. 9. 2024 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Hinweis auf die „Eichfälligkeit“ des Zählers sowie auf die vertraglichen Regelungen und gesetzlichen Vorgaben einen Termin für den Zählertausch bekannt. Für den Fall der Nichtbefolgung wies sie darauf hin, zur Unterbrechung der Stromlieferung und Auflösung des Netzzugangsvertrags berechtigt zu sein.

[4] Das Antwortschreiben der Antragstellerin vom 7. 10. 2024, in dem sie ihre Bedenken wegen Datenschutz und Gesundheit thematisierte und ihre Bereitschaft signalisierte, das bestehende Messgerät nacheichen oder ein geeichtes (analoges) Messgerät einbauen zu lassen, beantwortete die Antragsgegnerin letztlich mit dem als „letzte qualifizierte Mahnung vor Vertragsauflösung“ bezeichneten Schreiben vom 21. 10. 2024. Darin wies sie die Antragstellerin auf die „Eichfälligkeit“ des Stromzählers sowie darauf hin, dass ein Austausch auf ein neues Gerät einer – näher bezeichneten – Marke vorgesehen sei. Die Aufrechterhaltung des Netzzugangsvertrags sei für sie unzumutbar; für den Fall, dass der Austausch weiterhin nicht möglich sei, wurde die Auflösung des Netzzugangsvertrags mit Wirkung zum 13. 11. 2024 erklärt.

[5] Dem Netzzugangsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der Antragsgegnerin (AB‑VN) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

VIII. Betrieb und Instandhaltung […]

2. N* und der Netzkunde haben die zu ihren jeweiligen Betriebsanlagen gehörenden elektrischen, baulichen oder sonstigen Teile entsprechend den geltenden technischen Regeln zu betreiben und instand zu halten. […]

9. Zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der N* ist diese[r] bzw. den legitimierten Beauftragten der N* der Zutritt zu den Anlagen des Netzkunden und zu den eigenen Anlagen zu gestatten. N* übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. Das Recht von N* gemäß Punkt XXVI. beinhaltet den Eingriff in den Besitz und das Eigentum des Netzkunden im erforderlichen Ausmaß. […]

XI. Messung und Messeinrichtungen

1. N* hat allen Netzkunden eine zuverlässige, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Erfassung der Verbrauchswerte durch die dem Netzkunden zugeordneten Messgeräte zu gewährleisten. N* führt die Erfassung der vom Netzkunden eingespeisten oder entnommenen Energie (Arbeit und allenfalls beanspruchte Leistung) durch.

2. Die erforderlichen Mess-, Steuer- und Datenübertragungseinrichtungen (im Folgenden: Messeinrichtungen) werden von N* nach den technischen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Netzkunden hinsichtlich Art, Zahl, Ort und Größe festgelegt, eingebaut, überwacht, entfernt und erneuert, soweit nichts anderes vereinbart oder in der Systemnutzungsentgelt-Verordnung vorgesehen oder in den geltenden technischen Regeln festgelegt wurde.

3. Die Verpflichtung zum Einbau von intelligenten Messgeräten ('Smart Meter') ist N* gemäß § 83 Abs 1 ElWOG 2010 in Zusammenhang mit der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO) vorgeschrieben. Die Entscheidung, ob konventionelle Messeinrichtungen oder intelligente Messeinrichtungen ('Smart Meter') eingesetzt werden, obliegt N* unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (insbesondere § 83 Abs 1 ElWOG 2010 und IME-VO). Insbesondere legt N* fest, ob und gegebenenfalls wann und in welchem Gebiet intelligente Messgeräte eingesetzt werden. N* hat den Netzkunden schriftlich und zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgerätes und die damit verbundenen Rahmenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz sowie Bereitstellung und Übermittlung der Informationen gemäß §§ 81a bis 84a ElWOG 2010 zu informieren. […] N* hat den Wunsch eines Netzkunden, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen. […]

5. Will der Netzkunde Messeinrichtungen selbst beistellen, hat er diesen Wunsch dem Netzbetreiber zeitgerecht mitzuteilen. Dieser hat daraufhin dem Netzkunden die hiefür geltenden Spezifikationen bekannt zu geben. Der Netzbetreiber gibt dabei die Zählertechnologie vor. Befindet sich der Netzkunde in einem Bereich, in welchem bereits intelligente Messgeräte zum Einsatz kommen, so hat er entsprechend der Intelligente Messgeräte- Anforderungsverordnung (IMA-VO 2011) und den Vorgaben des Netzbetreibers ein mit dem System des Netzbetreibers vollkompatibles Messgerät beizustellen.[…]

7. Der Netzkunde stellt in seinem Bereich den erforderlichen Platz für die Messeinrichtungen auf eigene Kosten zur Verfügung und verpflichtet sich, diese nach den Anweisungen von N* zu verwahren. N* ist berechtigt, den Messplatz unentgeltlich zu nutzen und notwendige Umbauarbeiten vorzunehmen, die für einen allfälligen Tausch / Modernisierung der Messeinrichtung erforderlich sind. N* übt dieses Recht unter möglichster Berücksichtigung der Interessen des Netzkunden aus. […]

8. Die Messeinrichtungen werden entsprechend den im Maß- und Eichgesetz bzw. den in den Eichvorschriften festgelegten Zeitabständen geeicht. Der für die Nacheichung oder aus sonstigen technischen Gründen erforderliche Wechsel der betroffenen Messeinrichtungen wird nach Terminabstimmung und auf Wunsch im Beisein des Netzkunden oder dessen Vertreters durchgeführt. N* wird sich bemühen, auf Terminwünsche des Netzkunden einzugehen, wobei Termine oder Zeitfenster von 2 Stunden vereinbart werden können. Kann der Termin oder das Zeitfenster von 2 Stunden nicht eingehalten werden, ist mit dem Netzkunden ehestmöglich ein Ersatztermin zu vereinbaren. […]

XXVI. Aussetzung der Vertragsabwicklung

1. Jeder Vertragspartner darf seine Verpflichtungen aus dem Netzzugangsvertrag einschließlich der Allgemeinen Verteilernetzbedingungen dann aussetzen und insbesondere die Netzdienstleistungen unterbrechen, wenn der andere Vertragspartner die Bestimmungen des Vertrages verletzt und nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung vorliegt. […]

2. Als Zuwiderhandlungen, die eine sofortige Aussetzung der Vertragsabwicklung rechtfertigen, gelten:

[…]

3. Alle übrigen Zuwiderhandlungen wie z.B. Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung) berechtigen N* nur dann zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung), wenn dem eine zweimalige Mahnung inklusive jeweilig mindestens zweiwöchiger Nachfristsetzung vorangegangen ist. Die zweite Mahnung hat auch eine Information über die Folge einer Abschaltung des Netzzuganges nach Verstreichen der zweiwöchigen Nachfrist sowie über die damit einhergehenden voraussichtlichen Kosten einer allfälligen Abschaltung zu enthalten. Bei jeder Mahnung hat N* auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Beratungsstelle des bestehenden Energielieferanten, soweit diese gemäß § 82 Abs 7 ElWOG einzurichten ist, hinzuweisen. Die letzte Mahnung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen (qualifiziertes Mahnverfahren). […]

XXVII. Vertragsauflösung aus wichtigem Grund

1. Das Recht beider Vertragspartner zur Auflösung des Netzzugangsvertrages aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

2. Ein wichtiger Grund liegt für N* insbesondere dann vor, wenn: [...]

b) der Netzkunde – trotz eines durchgeführten Mahnverfahrens nach Punkt XXVI. Ziffer 3 – die Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag nicht beendet; […]“

 

[6] Zwischen den Streitteilen ist beim Bezirksgericht T* zu *ein Verfahren anhängig, in dem die Antragsgegnerin (als dort Klägerin) die Verpflichtung der Antragstellerin (als dort Beklagte) zur Duldung des Austauschs des an der Verbrauchsstelle vorhandenen Strommessgeräts begehrt.

[7] DieAntragstellerin begehrt mit ihrem Sicherungsantrag, der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens * des Bezirksgerichts T* zu verbieten, mit einer Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) zu drohen oder den Netzzugang abzuschalten, umihre Zustimmung zum Einbau eines intelligenten Messgeräts zur Stromaufzeichnung („Smart Meter“) oder eines Messgeräts einer ihr – mangels näherer Beschreibung durch die Antragsgegnerin – unbekannten Art, Type und Beschaffenheit zu bewirken sowie den Strombezugsvertrag mit ihr (nur) aus dem Grund zu beenden, dass diese sich weigert, statt des vorhandenen Zählers ein Messgerät ihr unbekannter Type, Art, Beschaffenheit bzw ein Messgerät im Sinn des § 83 Abs 1 ElWOG („Smart Meter“) einbauen zu lassen.

[8] Die Antragstellerin hätte aufgrund des aufrechten Netzzugangsvertrags einen Anspruch auf Netzzugang und sei nicht verpflichtet, den Austausch des „eichfälligen“ mechanischen Zählers durch ein intelligentes Messgerät zu dulden. Durch die Stromabschaltung drohe ein unwiederbringlicher Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO.

[9] Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Sicherungsantragsund entgegnet, aufgrund der Weigerung der Antragstellerin, ihr den Austausch des „eichfälligen“ Zählers zu ermöglichen, zur (Androhung der) Aussetzung ihrer vertraglichen Pflicht auf Gewährung des Netzzugangs und zur (Androhung der) Vertragsauflösung aus wichtigem Grund berechtigt zu sein.

[10] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Antragstellerin würde gegen die in Punkt VIII Z 9 und Punkt XI Z 7 AB‑VN vorgesehene Mitwirkungsobliegenheit verstoßen. Das sei eine „übrige Zuwiderhandlung“ gemäß Punkt XXVI Z 3 AB‑VN und eine Verletzung einer „wesentlichen anderen Pflicht“ gemäß Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN. ie Weigerung der Antragstellerin, der Antragsgegnerin eine rechtskonforme Abrechnung zu ermöglichen, mache es ihr unmöglich, ihre eigentliche Vertragsleistung des Netzanschlusses und der Netznutzung zu erbringen. Die Antragsgegnerin sei daher zur (Androhung der) Stromabschaltung und Vertragsauflösung berechtigt. Die Antragstellerin hätte weder einen Anspruch auf Netzzugang ohne „Smart Meter“ bescheinigt, noch dass die Antragsgegnerin auf vertragswidrige Art und Weise eine Abschaltung oder Vertragsauflösung angekündigt habe. Die negativen Folgen der Stromabschaltung könnten ein legitimes Sicherungsinteresse der Antragstellerin ebenfalls nicht begründen, weil ihre Ursache in der Nichteinhaltung eigener vertraglicher Pflichten liege.

[11] Das Rekursgericht bestätigte die abweisende Entscheidung im Umfang des beantragten Verbots der Beendigung des Strombezugsvertrags. Im Übrigen änderte es die Entscheidung ab und erließ die beantragte einstweilige Verfügung, allerdings mit Wirkung bis zur Beendigung eines von der Antragstellerin bei der Regulierungskommission der E-Control gegen die Antragsgegnerin binnen vier Wochen einzuleitenden oder bereits eingeleiteten Streitschlichtungsverfahrens gemäß § 22 Abs 2 ElWOG bzw – falls innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids eine Klage dagegen eingebracht werden sollte – bis zur rechtskräftigen Beendigung des über diese Klage eingeleiteten Verfahrens.

[12] Die behauptete Nichtigkeit aufgrund der Unzuständigkeit des Erstgerichts verneinte das Rekursgericht mit der Begründung, dass der zu sichernde Anspruch nicht mit dem von der Antragsgegnerin vor dem Bezirksgericht T* geltend gemachten Anspruch identisch sei. Der Oberste Gerichtshof habe zu 3 Ob 191/24w betreffend vergleichbare AB‑VN festgehalten, dass die Weigerung des Netzbenutzers, dem Netzbetreiber für einen geplanten Zählertausch Zutritt zu seinem Objekt zu gewähren, es nicht rechtfertige, anstelle der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe faktisch zur Selbsthilfe im Wege der (Androhung der) Stromabschaltung zu greifen. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall. Hauptverfahren sei allerdings nicht das zwischen den Parteien anhängige Verfahren zur Duldung des Zählertauschs, sondern ein erst einzuleitendes bzw bereits eingeleitetes Streitschlichtungsverfahren über den Unterlassungsanspruch der Antragstellerin. Damit sei die einstweilige Verfügung zu befristen. Da ein Strombezugsvertrag zwischen den Parteien nicht bestehe, sei insoweit die Abweisung zu bestätigen.

[13] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands des dem Sicherungsantrag stattgebenden Beschlusses 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur – in vielen gleichgelagerten Verfahren relevanten – Frage fehle, ob die Weigerung des Netzbenutzers, dem Netzbetreiber Zutritt zum Objekt zu gewähren, selbst dann keine Vertragsauflösung rechtfertige, wenn der Zähler „eichfällig“ sei.

[14] Gegen den dem Sicherungsantrag stattgebenden Teil der Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit einem auf dessen Abweisung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[15] Formell gegen die gesamte Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem primären Antrag, über den Zuständigkeitsstreit abzusprechen, wobei die Zuständigkeit des Gerichts gegeben sei, „bei dem auch das Hauptverfahren anhängig ist“, hilfsweise dem Antragsbegehren vollinhaltlich mit Wirksamkeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens * des Bezirksgerichts T* stattzugeben; in eventu werden Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben.

[17] Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

I. Revisionsrekurs der Antragstellerin

[18] 1. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung ist zurückzuweisen, weil eine solche im Gesetz nicht vorgesehen ist (9 Ob 8/19w; RS0044000; vgl § 526 Abs 1 ZPO). Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, inwieweit eine Verhandlung einer Klärung der hier strittigen Rechtsfragen dienlich sein sollte.

[19] 2. Vorausgeschickt sei, dass das Rekursgericht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur mit Rechtsfragen zum antragsstattgebenden Teil seiner Entscheidung begründete. Formal bekämpft die Antragstellerin den antragsabweisenden Teil zwar ebenfalls, inhaltliche Ausführungen dazu fehlen allerdings. Jedenfalls wäre es aber Sache der Antragstellerin gewesen, erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, die das Rekursgericht (zu ihren Lasten) unrichtig gelöst hat. Dies gelingt ihr nicht, was kurz (§ 510 Abs 3 ZPO iVm §§ 78 EO, 528a ZPO) zu begründen ist:

[20] 2.1. Die Verneinung einer im Rekurs gerügten Nichtigkeit durch die zweite Instanz – hier die Unzuständigkeit des Erstgerichts – ist im Provisorialverfahren nicht weiter anfechtbar (RS0097225 [T1, T8]; 7 Ob 44/14t). Im Übrigen wurde die Zuständigkeit des Erstgerichts rechtskräftig bejaht (Verfahren * des Bezirksgerichts T*; 10 Ob 1/25g).

[21] 2.2. Die Ausführungen zum „Sicherungsbegehren bei abgelaufener Eichung“ wenden sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts (inhaltlich entsprechen sie einer – von der Antragstellerin ohnedies eingebrachten – Rechtsmittelbeantwortung). Sie bedürfen daher keiner näheren Erörterung.

[22] 2.3. Der behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO liegt nicht vor, zumal das Gericht gemäß § 391 Abs 1 Satz 1 EO die Zeit, für welche es die einstweilige Verfügung bewilligt, von Amts wegen zu bestimmen hat, ohne dabei an die Anträge der Parteien gebunden zu sein; es hat deshalb die Fristbestimmung erforderlichenfalls auch ohne Antrag der gefährdeten Partei beizusetzen (RS0005363).

[23] Der Auffassung des Rekursgerichts, das Hauptverfahren sei nicht das zwischen den Parteien anhängige Verfahren zur Duldung des Zählertauschs, sondern ein erst einzuleitendes bzw nach den Behauptungen der Antragstellerin bereits eingeleitetes Streitschlichtungsverfahren über ihren Anspruch auf Unterlassung der Beendigung des Netznutzungsvertrags vor der Regulierungsbehörde nach § 22 ElWOG (unter Verweis auf 3 Ob 191/24w), sodass die einstweilige Verfügung für die Dauer dieses Schlichtungsverfahrens bzw eines allenfalls daran anschließenden gerichtlichen Verfahrens zu befristen sei, tritt die Antragstellerin auch nicht inhaltlich substanziiert entgegen.

[24] 2.4. Die Abweisung des Verbots, den Strombezugsvertrag zu beenden, bekämpft die Antragstellerin nur mit dem Argument, sie hätte erkennbar den Netzzugangsvertrag zwischen den Streitteilen gemeint. Sie bekämpft dies daher nur formal, nicht aber inhaltlich. Im Übrigen hat das Rekursgericht der Antragsgegnerin zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin auf Gewährung des Netzzugangs auf Basis des zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrags ohnehin auch verboten, den Netzzugang zu beenden, sodass die Argumentation der Antragstellerin weder nachvollziehbar ist noch eine erhebliche Rechtsfrage anspricht.

[25] 3. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung wendet, übersieht sie, dass das Gericht zweiter Instanz in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig entscheidet (RS0044233). § 528 Abs 2 Z 3 ZPO schließt die Überprüfung der Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof aus (RS0044228).

[26] 4. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist daher zurückzuweisen.

[27] 5. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Gemäß §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO hat sie daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung (5 Ob 50/12g mwN).

II. Revisionsrekurs der Antragsgegnerin

[28] 1. Das Rekursgericht hat die Zulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs in der Begründung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich bejaht. Der Revisionsrekurs tritt dem nicht entgegen. Damit liegt eine bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs im Sinn des § 42 Abs 3 JN vor (vgl RS0114196 [T9a]).

[29] 2.1. § 381 Z 2 EO ermöglicht die Erlassung einstweiliger Verfügungen zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldansprüche, wenn solche Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

[30] 2.2. Die Antragstellerin beantragt die Sicherung ihres Anspruchs auf Gewährung des Netzzugangs auf der Grundlage des mit der Antragsgegnerin geschlossenen (und aufrecht bestehenden) Netzzugangsvertrags. Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, dass sie aufgrund der Weigerung der Antragstellerin, den „eichfälligen“ mechanischen Zähler durch ein intelligentes Messgerät (allenfalls in der „Opt‑Out-Konfiguration“) ersetzen zu lassen, zur (Androhung der) Trennung der Netzverbindung berechtigt sei.

[31] 2.3. Im vorliegenden Verfahren ist daher zu klären, ob die Antragsgegnerin ein den Netzzugangsvertrag verletzendes Verhalten der Antragstellerin bescheinigt hat, das „nicht bloß eine geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN) darstellt oder als „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten aus diesem Vertrag“ (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN) zu werten ist. Im ersten Fall ermöglichen die AB‑VN der Antragsgegnerin die Aussetzung ihrer Pflicht auf Gewährung des Netzzugangs (Punkt XXVI Z 1 und 3 AB‑VN), im zweiten Fall die Auflösung des Netzzugangsvertrags aus wichtigem Grund (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN). Als Beispiel einer Vertragsverletzung, die den Netzbetreiber – nach zwei qualifizierten Mahnungen – zur physischen Trennung der Netzverbindung (Abschaltung) berechtigt, führt der Vertrag die „Nichterfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen (Zahlungsverzug, Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung)“ an (Punkt XXVI Z 3 AB‑VN).

[32] 2.4. Der Oberste Gerichtshof hat zu 3 Ob 191/24w, 7 Ob 167/24w und 9 Ob 95/24x (betreffend vergleichbare AB‑VN einer anderen Netzbetreiberin) dargelegt, dass die Weigerung des Netzbenutzers, der Netzbetreiberin Zugang zu seinem Objekt zu gewähren, damit sie einen (grundsätzlich funktionsfähigen) Stromzähler austauschen kann, qualitativ nicht den Fällen des Zahlungsverzugs und der Verweigerung einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung gleichzuhalten sei. Die Weigerung des Netzbenutzers rechtfertige es daher nicht, dass die Netzbetreiberin, statt gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ihr Recht auf Austausch des Zählers faktisch im Wege der Selbsthilfe – durch Androhung der Stromabschaltung – durchzusetzen versuche. Diese rechtliche Beurteilung betraf Fälle, in denen die Netzbetreiberin mechanische Zähler mit gültiger Eichung austauschen wollte (3 Ob 191/24w: Eichung bis Dezember 2026; 7 Ob 167/24w: Eichung bis Dezember 2028; 9 Ob 95/24x: Eichung bis Dezember 2031).

[33] 2.5. Im vorliegenden Fall ist – anders als in den zitierten Entscheidungen – bereits die „Eichfälligkeit“ des Zählers eingetreten. Der Oberste Gerichtshof ist nunmehr zu 10 Ob 18/25g auch für diese Sachverhaltskonstellation zum Ergebnis gelangt, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Zuwiderhandlung um eine „geringfügige und alsbald behebbare Zuwiderhandlung“ (Punkt XXVI Z 1 AB‑VN) und nicht um eine „Verletzung wesentlicher anderer Pflichten“ aus dem Netzzugangsvertrag (Punkt XXVII Z 2 lit b AB‑VN) handelt, sodass die Antragsgegnerin weder zur Aussetzung der Vertragsabwicklung noch zur Vertragsauflösung berechtigt ist. Dieser ausführlich begründeten Entscheidung schließt sich der erkennende Senat an.

[34] 2.6. Dass durch die unberechtigte (Androhung der) Abschaltung des Stroms ein unwiederbringlicher Schaden im Sinn des § 381 Z 2 EO zu befürchten ist, wird im Revisionsrekurs – zutreffend (9 Ob 95/24x Rz 31; 7 Ob 167/24w Rz 17) – nicht in Frage gestellt.

[35] 2.7. Das Rekursgericht hat die einstweilige Verfügung somit zu Recht erlassen.

[36] 3.1. Gemäß § 390 Abs 2 EO ist der Vollzug einer einstweiligen Verfügung – auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag erst durch das Rechtsmittelgericht (RS0005496) – nach dem Ermessen des Gerichts vom Erlag einer Sicherheit durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruchs abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen.

[37] Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (RS0005711 [T7]). Die Kaution dient somit lediglich zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten (RS0005453). Die Bemessung der Sicherheitsleistung liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines dem Antragsgegner eventuell drohenden Schadens (RS0005584).

[38] 3.2. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung bringt einen derartigen beachtlichen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsgegnerin mit sich. Im Fall des Bestehens einer Duldungspflicht der Antragstellerin zum Einbau eines „Smart Meters“ wäre der – von der Antragstellerin dann unrechtmäßig erzwungene – Einbau eines anderen Messgeräts mit höheren Kosten für die Antragsgegnerin verbunden (neuerlicher Wechsel des Messgeräts). Die Antragsgegnerin befürchtet auch bei Einbau eines Messgeräts in der von der Antragstellerin gewünschten Form die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Geldstrafe. Auch wenn sie diese Befürchtung nicht mit der für die Abweisung des Sicherungsantrags hinreichenden Sicherheit konkretisieren konnte, kann eine Bestrafung im Rahmen eines solchen Verwaltungsstrafverfahrens nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe ist daher gerechtfertigt. Sollte sie sich als unzureichend herausstellen, kann sie jederzeit erhöht werden (RS0005584 [T5]).

[39] 3.3. Da die einstweilige Verfügung bereits durch Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts in Vollzug gesetzt wurde, ist der Auftrag zum Erlag der Sicherheit zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (RS0005722 [T1]).

[40] 4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin auf §§ 40, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO und hinsichtlich der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin auf § 393 Abs 1 EO. Der geringfügige Erfolg der Antragsgegnerin fällt kostenmäßig nicht ins Gewicht; insbesondere ist die Auferlegung einer Sicherheitsleistung nicht als kostenrechtlich relevantes Obsiegen zu werten (17 Ob 24/09t Punkt C.3. mwN).

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