European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00037.25K.0513.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * K* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in der Nacht zum 9. Juni 2024 in G* * Kn* vorsätzlich zu töten versucht (§ 15 StGB), indem er mit der geöffneten Klinge eines Springmessers eine schwungvolle Schnittbewegung in Richtung dessen Halsbereichs führte, wodurch dieser eine an sich schwere Verletzung und eine auffallende Verunstaltung erlitt, und zwar eine tiefreichende, rund 15 cm lange Schnittverletzung an der linken Gesichts- und Kopfseite, vom linken Mundwinkel über das linke Ohrläppchen bis zum Hinterhaupt ziehend, mit vollständiger Durchtrennung des großen Kaumuskels, des oberen Anteils der Ohrspeicheldrüse, von kleinen Seitenästen des Gesichtsnervs und von einem Seitenast der Schläfenschlagader, Verletzung des Jochbeinmuskels, Sensibilitätsstörung an der linken Ohrmuschel und dem Zurückbleiben einer auffallenden Narbe im Gesicht.
[3] Die Geschworenen bejahten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB). Hingegen verneinten sie die (alternativ gefasste) Zusatzfrage nach Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) und Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB).
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[5] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert, gestützt auf den Inhalt der Anklageschrift (siehe aber RIS-Justiz RS0117448 [insb T2]) sowie (wörtlich zitierte) Passagen der Verantwortung des Angeklagten, wonach er, weil ihn Kn* attackiert, nämlich (zusammengefasst) getreten, gewürgt und ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe, vor diesem „richtig Angst“ gehabt, „unmittelbar nach dem Schlag“ des Kn* eine „Panikattacke verspürt“ und dann mit dem Messer in der Hand eine „Bewegung in Richtung der Person ausgeführt“ habe (ON 27.5 S 6 ff, ON 53 S 4 ff [6 f]), und auf Ausführungen des Sachverständigen Dr. * H*, wonach beim Angeklagten im Hinblick auf den „biografischen Verlauf“ von „erhöhter Ängstlichkeit“ und einer „panischen Reaktion“ auszugehen sei (ON 30.2 S 24, ON 58 S 8), das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach §§ 15, 76 StGB.
[6] Indem sie dabei nicht von der – den (auch) für die Verwirklichung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB erforderlichen (RIS-Justiz RS0092113) Tötungsvorsatz in Abrede stellenden (ON 53 S 7 f), die vermisste Fragestellung somit gerade nicht indizierenden – Verantwortung des Angeklagten in ihrer Gesamtheit ausgeht, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0120766 [insb T5]; zum Verhältnis des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr [§ 3 Abs 1 StGB] und des Entschuldigungsgrundes der Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt [§ 3 Abs 2 StGB] zu § 76 StGB siehe im Übrigen Birklbauer in WK2 StGB § 76 Rz 25 ff mwN).
[7] Mit dem Hinweis auf die eben zitierten, isoliert hervorgehobenen Passagen (vgl aber RIS‑Justiz RS0120766 [T6], RS0101087 [T5]) aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H* spricht die Rüge kein die begehrte Eventualfragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis (konkret: für das Vorliegen eines nicht nur heftigen, sondern auch allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekts zur Tatzeit; vgl dazu RIS‑Justiz RS0092271, RS0092259, RS0092115, RS0092138) an (vgl aber RIS‑Justiz RS0100860 [T1]).
[8] Gleiches gilt für die Berufung auf das in der Hauptverhandlung abgespielte Video des Tatgeschehens (ON 13.1 iVm ON 53 S 9; vgl dazu im Übrigen auch RIS‑Justiz RS0130728).
[9] Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS-Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490).
[10] Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Tatsachenrüge (Z 10a), indem sie (erneut) mit dem Inhalt der Anklageschrift argumentiert (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 12). Mit dem Hinweis auf die (im Rahmen der Fragenrüge dargelegte) Verantwortung des Angeklagten, wonach er aus Angst und während einer „Panikattacke“ gehandelt habe, Ausführungen des Sachverständigen zur „panischen Reaktion“ des Angeklagten, den Inhalt der Videoaufzeichnung vom Tatgeschehen (ON 13.1), woraus sich ein Fußtritt, Würgen und Faustschläge in Kopfhöhe durch das Opfer ergeben hätten, sowie die Aussagen der Zeugen * L* (ON 27.7 S 4, ON 53 S 13 f), * S* (ON 27.10 S 3, ON 53 S 12 f) und * R* (ON 27.9 S 4, ON 53 S 14 f), die die Situation und das Verhalten des Angeklagten bis zum Tatzeitpunkt als „friedlich und freundlich“ bezeichnet hätten, weckt die Rüge keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zum Ausdruck kommenden Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).
[12] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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