European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00033.25X.0513.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil * S* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1./) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
1./ am 3. März 2022 in L* * G* durch kräftiges und längere Zeit andauerndes Würgen vorsätzlich getötet;
2./ am 4. August 2022 in F* * D* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Mordes, falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch war, indem er im Rahmen seiner Vernehmung als Beschuldigter gegenüber einem Polizeibeamten des Landeskriminalamts für V* erklärte, D* habe G* getötet.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung (ON 201, 10 ff) seiner in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (ON 200, 29 ff) in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.
[5] Zu Recht abgewiesen wurde der Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Gerichtsmedizin (zusammengefasst) zum Beweis, dass sich auf der im Tatzeitpunkt getragenen Kleidung des Opfers, insbesondere an der Oberbekleidung (Spur C.14) sowie im oberen Bereich der Jogginghose (Spur C.16) keine Faserspuren befinden, die mit der Kleidung des Angeklagten S* zur Tatzeit übereinstimmen, und dass keine DNA‑Spuren des Angeklagten S* an der Kleidung (gemeint:) des Opfers anhaften. Der Antrag wurde (sinngemäß und zusammengefasst wiedergegeben) damit begründet, dass die Tat nach den übereinstimmenden Aussagen der Angeklagten S* und D* vom Täter teilweise in einer auf dem Torso des Opfers hockenden Position verübt worden und daher indiziert sei, dass der Täter auf der Kleidung des Opfers Spuren hinterlassen hat, weshalb das Fehlen derselben vom Angeklagten S* dessen Täterschaft ausschließen würde.
[6] Damit ließ der Antrag aber – auch mit Blick auf die im Antragszeitpunkt bereits vorliegenden Beweisergebnisse, insbesondere das Gutachten aus dem Fachbereich der Forensischen Genetik und Spurenkunde (ON 201, 5 ff [7]) – nicht erkennen, inwiefern das Beweisthema geeignet sein sollte, die zur Feststellung der entscheidenden Tatsache der Täterschaft des Angeklagten anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen, lässt doch das Fehlen von DNA-Spuren des Beschwerdeführers oder von Fasern seiner zur Tatzeit getragenen Kleidung auf jener des Opfers nichtden Schluss zu, der Angeklagte habe die Tat nicht begangen (RIS‑Justiz RS0107445 [T1], RS0116987).
[7] Die beantragte zeugenschaftliche Vernehmung von * Da* und * De* konnte unterbleiben, weil das Beweisthema, am Abend des 2. März 2022 habe „eine gute Stimmung zwischen den Angeklagten und dem Opfer“ geherrscht und sei ein Konflikt über ein Darlehen nicht thematisiert worden, keinen für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand anspricht (siehe aber RIS‑Justiz RS0118319).
[8] Einen Konnex zur Schuld‑ oder zur Subsumtionsfrage nicht erkennen ließ auch der abgewiesene Antrag auf Vernehmung des Zeugen * B* zum Beweis, dass es zwischen dem Angeklagten S* und G* „keinen Konflikt bzw. Streit bezüglich des gegenständlichen Darlehens gegeben hat sowie dass die finanzielle Lage keine Notlage war und die Kündigung ihrer Stelle als Zahnarzt-Assistentin von ihr selbst ausgegangen ist“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0118444 [T2, T4]).
[9] Gleiches gilt für die vom Schwurgerichtshof abgelehnte Vernehmung der Zeugen * H*, * Bi* und * E* zum Beweis, dass es „keinen Streit über das Darlehen zwischen dem Angeklagten S* und dem Opfer gegeben hat“ und (betreffend die Zeugen H* und Bi* zusätzlich) zum Beweis, dass der Angeklagte S* über ausreichende finanzielle Mittel zur Darlehensrückzahlung verfügte.
[10] Dass die Anklagebehörde im Geschehen rund um einen Kredit, den das Opfer für den Beschwerdeführer aufgenommen haben soll, den „zentralen Punkt“ für ein „Tatmotiv“ erblickte, wie in den diesbezüglichen Anträgen unter Berufung auf die Anklageschrift behauptet wurde, ändert daran nichts (zur Irrelevanz der Beweggründe eines Verhaltens für die Annahme eines Vorsatzes vgl RIS‑Justiz RS0088761 [insb T2]).
[11] Inwiefern die im Zusammenhang mit dem „Darlehenskonflikt“ begehrten Beweisaufnahmen „auch zur Klärung der Glaubwürdigkeit“ nicht näher genannter Beweispersonen oder „als Kontrollbeweise“ sowie unter dem Aspekt der Waffengleichheit „zur Wahrung eines fairen Verfahrens gemäß Art 6 MRK“ erforderlich gewesen wären, wurde in den Anträgen nicht erklärt.
[12] Keine erheblichen Tatsachen betrifft auch der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung von * R* und * En* zum Beweis, dass es kurze Zeit vor der Tat einen Konflikt zwischen den Genannten und (dem Mitangeklagten) D* gegeben hat, was „als mögliches alternatives Motiv entsprechend zu beleuchten“ sei (RIS‑Justiz RS0116503).
[13] Dies gilt auch für den Antrag auf Vernehmung des Zeugen * I* zum Beweis, dass „D* nach der Tat gegenüber dem Hausmeister I* angegeben hat, nicht zu wissen, wem das beschädigte Fahrzeug des Opfers gehört und wer es dort abgestellt hat“, sowie dass er in der Nacht zuvor nicht anwesend gewesen sei und „zum Beweis der Reinigungsarbeiten und der Verbringung eines schwarzen Plastiksackes“. Soweit der Antrag auch auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten D* gerichtet war, blieb offen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme ergeben sollte, der Genannte habe in Bezug auf entscheidende Tatsachen die Unwahrheit gesagt (vgl RIS‑Justiz RS0120109 [T3, T4]).
[14] Selbiges trifft auch auf den Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des * Dr* zum Beweis, „dass sich * D* wenige Tage nach der Tat völlig normal und unauffällig verhalten“ habe, zu.
[15] Unter Berufung auf eine Passage des psychiatrischen Sachverständigengutachtens, wonach der Angeklagte S* in den Morgenstunden des 3. März 2022 unter Substanzeinfluss gestanden habe, was „im Zusammenhang mit der überdauernd vorliegenden Störung und der möglichen emotionalen Erregung zu einer leichten bis höchstens mäßigen Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens geführt“ habe (ON 113, 87), und auf die sinngemäße Aussage des Mitangeklagten D*, wonach die Tat plötzlich erfolgte (ON 200, 17), kritisiert die Fragenrüge (Z 6) das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB). Damit werden aber keine Verfahrensergebnisse aufgezeigt, die das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung im Tatzeitpunkt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0092259, RS0092087, RS0092271) nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würden (RIS‑Justiz RS0100860 [T1], RS0101087).
[16] Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549).
[17] Mit der Behauptung, die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage 1 (Schuldspruch zu 1./) sei „irreführend (undeutlich) und unrichtig“, weil sie zu B./1./b./ das Tatmotiv in der Erklärung zum Vorsatz inkludiere und durch die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ rechtlich unrichtig suggeriere, dass es Fälle geben könne, in denen das Motiv für den Vorsatz beachtlich sei, wird diesen Kriterien nicht entsprochen, unterlässt die Beschwerde schon die gebotene Bezugnahme auf den gesamten Inhalt der Rechtsbelehrung (RIS‑Justiz RS0100695 [insb T4, T7]). Diese erklärt zu A./ den Vorsatz allgemein und ergänzt zu B./1./b./ zur inneren Tatseite betreffend das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (unter anderem), dass Vorsatz erforderlich ist, bedingter Vorsatz genügt (§ 5 Abs 1 StGB) und der Beweggrund (das Motiv) des Täters „grundsätzlich unbeachtlich“ ist, allerdings bei der Straffrage von Bedeutung sein kann.
[18] Weshalb diese Rechtsbelehrung nicht den Kriterien des § 321 Abs 2 StPO entsprechen sollte, macht die Beschwerde – auch durch die Behauptung, die Verwendung des im Alltag nicht gebräuchlichen Begriffs „Straffrage“ in diesem Zusammenhang „beschatte jegliche Verständlichkeit vollends“ – nicht klar.
[19] Ebenso wenig deutlich und bestimmt legt die Rüge dar, warum die – an der hier relevanten Vorsatzform des § 5 Abs 1 StGB orientierte (vgl dazu die ständige Rechtsprechung RIS‑Justiz RS0100721 [T6, T11, T16, T28]) – Rechtsbelehrung mangelhaft geblieben sein sollte, indem sie unter Verweis auf eine Lehrmeinung behauptet, der „bedingte Vorsatz“ erfordere eine genauere Erklärung „in einfachen Worten“. Soweit sie eine Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit vermisst, übergeht sie übrigens die diesbezüglichen Ausführung zu A./ der Rechtsbelehrung.
[20] Der ebenfalls zu B./1./b./ der Instruktion erhobene Einwand, diese hätte mit Blick auf den darin enthaltenen Hinweis, dass Mord auch im Affekt begangen werden kann, eine Erklärung beinhalten müssen, „was ein 'Affekt' sein soll“, zumal nach den Verfahrensergebnissen eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB angezeigt gewesen wäre, orientiert sich nicht an den Anfechtungskategorien des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (zur gesetzeskonformen Ausführung einer Fragenrüge vgl RIS‑Justiz RS0132634; vgl auch RS0101085).
[21] Indem die Beschwerde das in der Instruktion zur äußeren Tatseite des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (B./1./a./) enthaltene (und bloß zur Erklärung des verwendeten Begriffs „Verursachen“ herangezogene) Wort „kausal“ herausgreift und behauptet, dieses sei kein deskriptiver, für Laien verständlicher Begriff, sondern ein normatives Tatbestandsmerkmal, macht sie nicht deutlich, weshalb die gegenständlichen Erläuterungen – in Zusammenschau mit den übrigen Ausführungen, wonach die äußere Tatseite des Verbrechens des Mordes in der Verursachung des Todes eines vom Täter verschiedenen Menschen besteht und diese durch aktives Tun oder (unter den Voraussetzungen des § 2 StGB) durch Unterlassen herbeigeführt werden kann – in einer zur Irreführung geeigneten und daher einer Unrichtigkeit gleichkommenden Weise unvollständig oder undeutlich sein sollte.
[22] Soweit die Rüge im Zusammenhang mit der Nennung des § 2 StGB in der Rechtsbelehrung Ausführungen zur Garantenstellung vermisst, scheitert sie schon daran, dass Instruktionen zu nicht gestellten Fragen überflüssig sind (vgl erneut RIS‑Justiz RS0101085).
[23] Die weitere Instruktionsrüge erachtet die zur Hauptfrage 2 nach dem Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB erteilte Rechtsbelehrung (B./2./a./) als unrichtig, weil diese auf die Entscheidung 13 Os 48/84 verweist und ausführt, es begründe auch Verleumdung, „wenn der Täter nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung den Namen eines anderen als seinen angibt, um jenen als Täter erscheinen zu lassen, soweit damit der Vorsatz verbunden ist, den Betroffenen der Gefahr der behördlichen Verfolgung auszusetzen“. Sie leitet aber nicht aus dem Gesetz ab, weshalb eine Rechtsbelehrung allein dadurch unrichtig sein sollte, dass sie – entgegen dem Gebot, einen Bezug zu den Besonderheiten des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht, zum Sachverhalt und zu den Beweisergebnissen zu unterlassen (RIS‑Justiz RS0101130, RS0100843 [T8, T9]) – Erläuterungen enthält, die erst der Zurückführung der in die Frage aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt im Rahmen der Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschworenen (§ 323 Abs 2 StPO) vorbehalten sind. Der Einwand einer Einflussnahme auf die Beweiswürdigung der Geschworenen im Rahmen der Rechtsbelehrung ist unter dem Aspekt der Nichtigkeitsdrohung des § 345 Abs 1 Z 8 StPO hingegen unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0116640, RS0100843 [T10]).
[24] Der weitere, die Rechtsbelehrung zur äußeren Tatseite des § 297 Abs 1 StGB (B./2./a./) in den Blick nehmende Einwand, der im Zusammenhang mit dem Tatbildmerkmal „behördliche Verfolgung“ verwendete Begriff „Erhebungen“ hätte einer verständlichen Erklärung bedurft, orientiert sich prozessordnungswidrig lediglich an einem Satz der Instruktion und erklärt nicht, warum bei einer Gesamtbetrachtung der Belehrung diese für Laien unverständlich sein sollte.
[25] Mit Hinweisen auf Aussagen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen, wonach es keine aktiven und passiven Abwehrverletzungen gegeben habe (ON 201, 5), und auf die Angaben der spurenkundlichen Sachverständigen zur Herkunft der Mischspur unter den Fingernägeln des Opfers (ON 201, 8) weckt die Tatsachenrüge (Z 10a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zum Ausdruck kommenden Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119583 [T5], RS0118780 [insb T16 und T17]). Gleiches gilt einerseits für Überlegungen, dass zwar der Angeklagte S*, nicht aber der Mitangeklagte D* das Opfer schon länger gekannt habe, beide an der Verbringung der Leiche beteiligt waren, nicht die Polizei verständigt, Löschungen an ihren Handys vorgenommen und gegenüber Dritten unwahre Angaben getätigt haben, um mit der Tat nicht in Verbindung gebracht zu werden, und andererseits für Ausführungen zum Verhältnis zwischendem Opfer und dem Beschwerdeführer, zur finanziellen Situation des Letzteren und zur Bedienung eines Kredits durch das Opfer.
[26] Soweit das Fehlen unmittelbarer Tatzeugen sowie allgemein die Beweissicherung und Spurenlage thematisiert werden, übt die Beschwerde ebenso bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik wie mit der Behauptung, nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten seien die Angaben beider Angeklagten mit dem Verletzungsbild des Opfers teilweise in Einklang zu bringen und teilweise auch nicht.
[27] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
[28] Die Beschwerde des Angeklagten (ON 225) gegen denBeschluss des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs vom 30. Oktober 2024 (ON 224), mit welchem sein Antrag auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls zum Teil abgewiesen wurde, ist damit erledigt, ohne dass sie einer inhaltlichen Erwiderung bedarf, weil die Nichtigkeitsbeschwerde auch im Fall der beantragten Berichtigungen erfolglos geblieben wäre (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).
[29] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)