European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00015.25Z.0513.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Hinsichtlich * B* wird nach § 20 Abs 3 (iVm Abs 1) StGB ein Geldbetrag von 126.148 Euro für verfallen erklärt.
Mit ihrer (nur den Ausspruch über den Verfall betreffenden) Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 14 Os 17/23s) – soweit hier relevant – des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 und 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W* und an anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu folgenden Handlungen verleitet, die diese in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 856.148 Euro am Vermögen schädigten, und zwar
I. durch wahrheitswidrige Vorgabe seiner (Rück‑)Zahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie der Echtheit als Pfand und Sicherheit gegebener Goldbarren
A. am 12. Jänner 2011 * W* zur Übergabe von 35.000 Euro sowie zur Bezahlung einer offenen Hotelrechnung des B* von 58.000 Euro (US 18 f);
B. am 24. Februar 2011 * S* und * Wi* zur Übergabe von 26.400 Euro sowie zur Bezahlung einer offenen Hotelrechnung des B* von 41.748 Euro (US 20 f);
II. Dr. * H* durch Vortäuschung des Zustandekommens eines Goldgeschäfts und der Verwendung von Bargeld zur Abdeckung damit im Zusammenhang stehender vorläufiger Kosten
A. im Jahr 2007 zur Übergabe von 220.000 Euro;
B. „zwischen“ 2009 und 2010 zur Übergabe von 50.000 Euro;
III. Anfang 2004 bis 23. Dezember 2004 Dr. * St* durch Vortäuschung der Verwendung von Bargeld für ein Goldgeschäft und zur Bezahlung von damit im Zusammenhang stehenden Spesen (US 5 f) sowie des Erhalts von 9 Millionen Euro nach erfolgtem Verkauf von 72.199.000 kg Gold zur Übergabe von 200.000 Euro;
IV. * G* im Jahr 2004 durch Vortäuschung einer Gewinnbeteiligung aus dem zu III genannten Goldgeschäft und der Verwendung von Bargeld zu deren Vor- und Zwischenfinanzierung (US 5 f) zur Übergabe von 200.000 Euro;
V. am 29. Mai 2011 * Ba* durch die wahrheitswidrige Vorgabe, bis zum 30. November 2012 gegen Rückgabe eines vermeintlich echten, tatsächlich aber falschen Goldbarrens 35.000 Euro zu erhalten, andernfalls er den Goldbarren verwerten könne, zum Kauf dieses Goldbarrens von B* gegen Übergabe von 25.000 Euro (US 21 f).
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft bekämpft die Abweisung des Antrags auf Ausspruch des Verfalls mit Nichtigkeitsbeschwerde, die sie auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gründet. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur kommt nur letzterer Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
[4] Wie die Mängelrüge, die eine unvollständige (Z 5 zweiter Fall) und offenbar unzureichende (Z 5 vierter Fall) Begründung der Feststellungen zu III und IV des Schuldspruchs, wonach der Angeklagte über das Vorhaben, Gold zu verkaufen und Dr. St* sowie G* am Erlös zu beteiligen, täuschte (US 6), einräumt, bezogen die Tatrichter den zwischen dem Angeklagten und G* abgeschlossenen Vertrag sowie die Aussagen der beiden Opfer in ihre Erwägungen ein. Sie gelangten dabei – ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungssätze – zum Ergebnis, dass der Vertragstext sowie die Zeugenaussagen nicht gegen die konstatierten Täuschungen sprechen würden (US 33 f). Mit eigenständigen Schlussfolgerungen auf eine – im Übrigen den bekämpften Feststellungen gar nicht entgegenstehende – Kenntnis des Dr. St* und des G* vom „Investitionsrisiko“ und darüber erfolgte Aufklärung, wird Nichtigkeit aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (vgl RIS‑Justiz RS0098400 [insb T8 bis T11]). Lediglich vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, dass die Aussage des G*, sich nicht getäuscht zu fühlen, gar nicht zu erörtern gewesen wäre (so aber US 33 f; vgl RIS‑Justiz RS0097540 [T18]).
[5] Tätigkeiten des Angeklagten, die scheinbar darauf abzielten, den Verkauf von Gold tatsächlich durchzuführen, konstatierten die Tatrichter unter anderem gestützt auf die Aussagen der im Verfahren vernommenen Zeugen, sohin – entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) – auch auf jene des * N*, würdigten diese aber als Deckungshandlungen (US 30). Mit der dagegen gerichteten Kritik bekämpft die Rüge (Z 5 vierter Fall) bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[6] Die Behauptung, dass die Feststellungen im Widerspruch zu den Beweisergebnissen stünden, spricht Nichtigkeit nach Z 5 fünfter Fall nicht an (vgl RIS‑Justiz RS0099431 [T5, T7, T15, T17]).
[7] Auch zu II des Schuldspruchs räumt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) trotz der Behauptung einer unvollständigen Begründung der Feststellungen zur Täuschung über das Vorhaben, Gold zu verkaufen und Dr. H* am Erlös mit einem Anteil von 10 Millionen Euro zu beteiligen (US 17), ein, dass die Tatrichter den zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Vertrag und die Aussage der Ehegattin des Opfers erörterten (US 34). Mit deren eigenständiger Würdigung zeigt die weitere Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) keine offenbar unzureichende, also den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechende Begründung (RIS‑Justiz RS0118317) auf, sondern bekämpft der Sache nach abermals die im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gezogenen Wahrscheinlichkeitsschlüsse des Erstgerichts (RIS‑Justiz RS0098471 [T4]).
[8] Ebenfalls bloße Beweiswürdigungskritik stellt der Vorwurf dar, die Feststellungen zum Tatgeschehen seien willkürlich begründet, weil die Vernehmung des Opfers Dr. H* zufolge dessen Todes unmöglich gewesen sei.
[9] Indem die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) zu I des Schuldspruchs inhaltlich allein die Feststellungen dazu bekämpft, dass der Vorsatz des Angeklagten auch die Täuschung über die Echtheit der als Sicherheit gegebenen Goldbarren erfasste, spricht sie angesichts der nicht bekämpften Feststellung, dass der Angeklagte auch über seine Rückzahlungsfähigkeit täuschen wollte und dies „wusste“ (US 21), keine entscheidende Tatsache an (vgl aber RIS‑Justiz RS0117499; vgl zum Begriff „entscheidende Tatsache“ allgemein RIS‑Justiz RS0117264).
[10] Soweit sich die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) zu V des Schuldspruchs gegen die Annahme richtet, das Opfer habe die Echtheit des ihm vom Angeklagten übergebenen Goldbarrens nicht (über eine „kurze Oberflächenprüfung“ hinaus) überprüfen lassen (US 37), spricht sie ebenfalls keine entscheidende Tatsache an.
[11] Dem Einwand (Z 5 zweiter Fall) unvollständiger Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte gewusst habe, dass der Goldbarren nicht echt sei (US 22), zuwider setzten sich die Tatrichter mit dessen Verantwortung auseinander, verwarfen sie aber als Schutzbehauptung (US 39). Zu einer Erörterung von Details dieser Aussage waren sie daher nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098642 [T1]).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war demnach zu verwerfen.
Zur gegen das (negative) Verfallserkenntnis gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[13] Voranzustellen ist, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine Überprüfung der – dem Ausspruch über die Strafe gleichstehenden (§ 443 Abs 3 StPO) – Entscheidungen über den Verfall (§§ 20 ff StGB) nach Maßgabe des § 281 Abs 1 StPO zulässt (RIS‑Justiz RS0114233; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 663; Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 55 ff). Dabei unterliegt das Überschreiten der Anordnungsbefugnis (= Sanktionsbefugnis) der Anfechtung aus Z 11 erster Fall, Rechtsfehler bei Ermessensentscheidungen innerhalb der Befugnisgrenzen jener aus Z 11 zweiter und dritter Fall (14 Os 125/20v [Rz 4]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 663 und 665; Fuchs/Tipold, WK‑StPO § 443 Rz 69 und 72).
[14] Spricht das Gericht den Verfall aus, obwohl nach den Entscheidungsgründen die (dem Ermessen entrückten) Voraussetzungen des § 20 StGB nicht erfüllt waren, hat es seine Anordnungsbefugnis zum Nachteil des Angeklagten oder Haftungsbeteiligten überschritten (vgl beispielsweise zu einem Rechtsfehler mangels Feststellungen zur Herkunft des Vermögenswerts 14 Os 81/24d [Rz 19]). Gleiches gilt bei verfehlter (rechtlicher) Verneinung eines (ebenfalls nicht dem Ermessen des Gerichts anheimgestellten) Ausnahmesatzes nach § 20a Abs 1 und 2 StGB (vgl 13 Os 124/18m [rechtsfehlerhafte Beurteilung des § 20a Abs 2 Z 3 StGB]; beispielhaft zum Vorliegen eines Berufungsvorbringens im Fall des § 20a Abs 3 StGB RIS-Justiz RS0114233 [T7]) oder bei Fehlen von Feststellungen dazu, obwohl Verfahrensergebnisse sein Vorliegen indizierten (vgl unter dem Gesichtspunkt des zweiten Falls der Z 11 Ratz, WK-StPO § 281 Rz 696 ff). Umgekehrt kann die Staatsanwaltschaft aus Z 11 erster Fall zum Nachteil des Angeklagten Rechtsfehler bei der Verneinung der Voraussetzungen des § 20 StGB oder Bejahung der genannten Ausnahmesätze geltend machen (vgl zur Anfechtung „negativer Entscheidungen“ über vermögensrechtliche Anordnungen auch Fuchs/Tipold, WK‑StPO § 443 Rz 74 ff).
[15] Der Angeklagte erlangte zu I des Schuldspruchs Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 161.148 Euro (US 24). Indem das Erstgericht den Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 104 S 3) auf Verfall eines Geldbetrags in einem (auch) diesen Vermögenswerten entsprechenden Umfang abwies, obwohl – worauf auch das Erstgericht in der schriftlichen Urteilsausfertigung hinweist (US 44) – nach dem Urteilssachverhalt die Voraussetzungen nach § 20 Abs 3 (iVm Abs 1) StGB vorlagen, ist ihm – wie von der Staatsanwaltschaft zutreffend geltend gemacht – bei der (in der Antragsabweisung zum Ausdruck kommenden) Verneinung der Anordnungsbefugnis ein Rechtsfehler unterlaufen, der Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall begründet.
[16] Aufhebung der Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Ausspruch des Verfalls und Entscheidung in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO) in diesem Umfang wie aus dem Spruch ersichtlich war Folge davon. Dabei ging der Oberste Gerichtshof aufgrund der Verfahrensergebnisse (insb ON 4 S 69 ff [BV W*]) davon aus, dass der Angeklagte nach Inkrafttreten der Bestimmungen über den Verfall in der Fassung des strafrechtlichen Kompetenzpakets (kurz: sKp [BGBl I 2010/108]) am 1. Jänner 2011 Vermögenswerte im Umfang von 126.148 Euro erlangte.
[17] Mit ihrer nur gegen den Ausspruch über den Verfall gerichteten Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Zur Berufung des Angeklagten:
[18] Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, die es im Ausmaß von 22 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah (§ 43a Abs 3 StGB).
[19] Bei der Strafbemessung waren nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB die Tatwiederholung, (entgegen dem Berufungsvorbringen) der lange Tatzeitraum von 2004 bis 2011 und das Zusammentreffen der (echt konkurrierenden) Qualifikationen nach § 147 Abs 3 und § 148 zweiter Fall StGB (vgl RIS‑Justiz RS0116020 [T2]) sowie im Rahmen allgemeiner Strafbemessungserwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) das zweifache Überschreiten der Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB als erschwerend zu werten, demgegenüber der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie das längere Zurückliegen der Taten und das Wohlverhalten seither (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) als mildernd.
[20] Zumal der Angeklagte erst aufgrund seiner Festnahme am 9. März 2021 (ON 77 S 5) Kenntnis von den wider ihn erhobenen Vorwürfen erlangte (vgl zu deren Maßgeblichkeit Riffel in WK2 StGB § 34 Rz 43), war die Verfahrensdauer von insgesamt rund vier Jahren unter Berücksichtigung des Verfahrensumfangs (335 Ordnungsnummern, elf Taten, sieben Verhandlungstage im ersten Rechtsgang und drei weitere im zweiten Rechtsgang) und der durch die Notwendigkeit der Beiziehung eines Sachverständigen (ON 192) dokumentierten Komplexität des Verfahrens auf Sachverhaltsebene (vgl RIS‑Justiz RS0120794) – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – noch nicht als unangemessen lange zu beurteilen.
[21] Davon ausgehend erwies sich bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von 24 Monaten – ungeachtet des Freispruchs von Vorwürfen, die im ersten Rechtsgang noch Gegenstand des Schuldspruchs waren – jedenfalls als tat‑ und schuldangemessen sowie der Täterpersönlichkeit entsprechend.
[22] Da aufgrund des sich über acht Jahre erstreckenden Tatzeitraums und der Höhe des verursachten Schadens nicht nur spezial-, sondern auch generalpräventive Gründe gegen eine gänzlich bedingte Nachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) oder eine Strafenkombination (§ 43a Abs 2 StGB) sprachen, war der nicht nur eine Reduktion der Strafe, sondern auch die Anwendung einer dieser Bestimmungen anstatt der vom Erstgericht gewährten teilbedingten Strafnachsicht nach § 43a Abs 3 StGB anstrebenden Berufung des Angeklagten der Erfolg zu versagen.
[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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