OGH 6Ob55/25v

OGH6Ob55/25v13.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei G* GmbH & Co KG, *, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei G* GmbH, *, vertreten durch Knoetzl Haugeneder Netal Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Herausgabe und Unterlassung (hier wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Februar 2025, GZ 1 R 22/25g-36, 1 R 23/25d-38 und 1 R 24/25a‑39, womit die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Dezember 2024, ON 8, vom 3. Jänner 2025, ON 13, und vom 20. Jänner 2025, ON 21, alle AZ 18 Cg 121/24d, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00055.25V.0513.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Herausgabe von Geschäftsunterlagen sowie die Unterlassung 1. der Kontaktierung von Geschäftspartnern und Mitarbeitern der Klägerin hinsichtlich eines bestimmten Projekts und 2. der Androhung von Klagen gegenüber Geschäftspartnern der Klägerin, wenn diese für die Klägerin tätig werden oder deren Weisungen befolgen.

[2] Zur Sicherung dieser Ansprüche beantragte die Klägerin als gefährdete Partei (in der Folge Antragstellerin) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

[3] Das Erstgericht stellte den Sicherungsantrag der Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge Antragsgegnerin) zur Äußerung binnen sieben Tagen zu, die sich jedoch nicht fristgerecht äußerte. Daraufhin erließ das Erstgericht die beantragte einstweilige Verfügung.

[4] Gegen diese Entscheidung erhob dieAntragsgegnerin (unter anderem) Widerspruch, den das Erstgericht zurückwies; der Sicherungsantrag sei der Antragsgegnerin wirksam zugestellt worden.

[5] In der Folge beantragte die Antragsgegnerin (unter anderem), die Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung mangels Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und der gerichtlichen Aufforderung zur Äußerung hiezu sowie wegen der daraus folgenden, von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit des Verfahrens und des Beschlusses auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzulehnen und eine allenfalls erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs 3 EO wegen gesetzwidriger bzw irrtümlicher Erteilung aufzuheben.

[6] Das Erstgericht wies diese Anträge zurück, weil es eine Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht erteilt habe.

[7] Daraufhin beantragte die Antragsgegnerin die Zustellung der gerichtlichen Aufforderung zur Äußerung binnen sieben Tagen und Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens sowie die Fortsetzung des Provisorialverfahrens nach wirksamer Zustellung der Äußerung und Ablauf der Äußerungsfrist, in eventu die zur Feststellung des Zustellmangels allenfalls erforderlichen Erhebungen zu treffen und dem Rekursgericht die Ergebnisse dieser Erhebungen vorzulegen, damit das Rekursgericht das bisherige Verfahren von Amts wegen als nichtig aufheben möge. Weiters beantragte sie, ihrem Rekurs gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und der Antragstellerin aufzutragen, der Antragsgegnerin sämtliche Kosten des bisherigen Verfahrens zu ersetzen, sofern die Kostenentscheidung nicht einer Endentscheidung vorbehalten werde.

[8] Das Erstgericht wies diese Anträge zurück. Die Antragsgegnerin habe keinen Anspruch auf die „neuerliche“ Zustellung des Provisorialantrags samt Auftrag zur Äußerung und folglich auch nicht auf eine „Neudurchführung“ des Provisorialverfahrens. Über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für den Rekurs gegen die einstweilige Verfügung sei bereits rechtskräftig entschieden worden, sodass er schon deshalb unzulässig sei.

[9] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidungen und erklärte den Revisionsrekurs jeweils für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der gegen diese Entscheidungen erhobene (außerordentliche) Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

1. Allgemeines

[11] 1.1. § 402 Abs 1 EO ordnet an, dass Revisionsrekurse gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über einen Widerspruch nach § 397 EO oder über einen Antrag auf Einschränkung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nicht (allein) deshalb unzulässig sind, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat.

[12] 1.2. Diese Bestimmung erfasst nach herrschender Auffassung allerdings nur Beschlüsse, die in ihrer Tragweite der Erlassung, Einschränkung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung sehr nahe kommen und nicht bloße Formalentscheidungen sind (4 Ob 2241/96d; 7 Ob 100/08v; RS0097225; König/Weber, Einstweilige Verfügungen6 [2022] Rz 6.80; G. Kodek in Deixler-Hübner [2022] § 402 EO Rz 41 ff; Dobler/Weber in Garber/Simotta, EO [2024] § 402 Rz 8).

2. Rekursentscheidung über Widerspruch

[13] 2.1. Der Revisionsrekurs ist nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls unzulässig, wenn das Rekursgericht den Beschluss bestätigt, mit dem das Erstgericht den Widerspruch des Gegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung zurückgewiesen hat (RS0112855). Diese Rechtsprechung wurde in der Entscheidung 4 Ob 177/08w für den Fall fortgeschrieben, dass der Widerspruchsgegner vor Ergehen des Zurückweisungsbeschlusses nicht angehört wurde (vgl G. Kodek in Deixler‑Hübner § 402 EO Rz 29; König/Weber, EV6 Rz 6.94/3).

[14] 2.2. Im vorliegenden Fall wurde mit der Zurückweisung des Widerspruchs aus formellen Gründen (Ausschluss des Widerspruchs nach wirksamer Zustellung des Sicherungsantrags an die Gegnerin; vgl 6 Ob 366/97k) und deren Bestätigung keine Sachentscheidung über den Widerspruch getroffen. Da die Antragstellerin als Widerspruchsgegnerin vor Erlassung des Zurückweisungsbeschlusses nicht gehört wurde, ist der Revisionsrekurs gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

3. Rekursentscheidung über weitere Anträge

[15] Die übrigen Anträge der Gegnerin, mit denen sie die im Widerspruchsverfahren erfolglos behauptete Unwirksamkeit der Zustellung des Sicherungsantrags neuerlich geltend machen wollte, wurden vom Erstgericht aus diversen (formellen) Gründen zurückgewiesen und diese Entscheidungen vom Rekursgericht bestätigt. Von § 402 Abs 1 EO ausgenommen sind aber nur Beschlüsse, die in ihrer Tragweite der Erlassung, Einschränkung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung sehr nahe kommen und nicht bloße Formalentscheidungen sind. Dies ist bei den weiteren vom Erstgericht getroffenen und vom Rekursgericht bestätigten Beschlüssen gerade nicht der Fall, sodass der Revisionsrekurs auch diesbezüglich absolut unzulässig ist.

4. Ergebnis

[16] Der Revisionsrekurs ist daher insgesamt zurückzuweisen.

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