OGH 17Nc1/25t

OGH17Nc1/25t5.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. K* H*, und 2. MMag. C* S*, beide vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. A* R*, vertreten durch die Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen 7.727,40 EUR sA und Feststellung, hier wegen Delegierung, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0170NC00001.25T.0505.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Parteien, zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache statt des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz zu bestimmen, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 489,01 EUR (darin enthalten 81,50 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten von deren Äußerung zum Delegierungsantrag binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten des Rekurses (samt Aufschiebungsantrag) vom 27. 2. 2025 endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte ist Insolvenzverwalter im vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Insolvenzgericht über das Vermögen der R* OG (in der Folge: Schuldnerin) geführten Konkursverfahren.

[2] Die Klägerinnen sind unbeschränkt haftende Gesellschafterinnen der Schuldnerin. Sie nehmen mit ihrer beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz erhobenen Klage den Beklagten mit dem Vorbringen, dieser habe rechtswidrig und schuldhaft bei seiner Masseverwaltung bestimmte Schäden verursacht, auf Schadenersatz in Anspruch. Unter einem verkündeten sie der Republik Österreich den Streit mit der Begründung, sowohl das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (als Insolvenzgericht) als auch die Finanzprokuratur (als Mitglied des Gläubigerausschusses) und der Präsident des Oberlandesgerichts Graz (als Dienstaufsichtsbehörde) seien laufend durch die Schuldnerin und die Klägerinnen über die schädigenden Handlungen des Beklagten informiert worden. Die Nebenintervention sei die einzige Möglichkeit für die Republik Österreich, sich außerhalb eines Amtshaftungsverfahrens aktiv am Verfahren zu beteiligen, um Schaden von ihr selbst abzuwenden.

[3] Die Klägerinnen beantragten die Delegierung der Rechtssache an ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz mit der Begründung, dass der Beklagte regelmäßig als Insolvenzverwalter im Sprengel des Oberlandesgerichts Graz tätig sei, „naturgemäß [...] ein dementsprechendes Naheverhältnis zu den dort erkennenden Richtern“ bestehe und aufgrund der Streitverkündung das Landesgericht für Zivilrechtsachen Graz und der Präsident des Oberlandesgerichts Graz „faktische Parteien“ des Verfahrens seien.

[4] Der Beklagte trat mit ihm aufgetragener Äußerung vom 11. 2. 2025 dem Delegierungsantrag entgegen und wies unter anderem darauf hin, dass ein solcher nicht auf Gründe gestützt werden könne, die für eine Ablehnung von Richtern in Betracht kämen (ON 18).

[5] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz wies im ersten Rechtsgang mit Beschluss vom 12. 2. 2025 den Delegierungsantrag mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Delegierung nach §§ 30 ff JN oder § 9 AHG seien nicht erfüllt (ON 19).

[6] Über Rekurs der Klägerinnen vom 27. 2. 2025 behob das Oberlandesgericht Graz mit Entscheidung vom 8. 4. 2025 diesen Beschluss mit der (zutreffenden) Begründung, über den vorliegenden Delegierungsantrag sei aufgrund von § 31 Abs 2 JN nur der Oberste Gerichtshof entscheidungsbefugt (ON 37).

[7] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Delegierungsantrag nunmehr dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

[9] Gemäß § 31 Abs 3 Satz 2 JN sind vor der Entscheidung über einen Antrag auf Delegierung (auch) dem Gericht, welches zur Verhandlung oder Entscheidung an sich zuständig wäre, unter Bestimmung einer Frist die zur Aufklärung nötigen Äußerungen abzufordern. Von der Einholung einer solchen Äußerung konnte hier abgesehen werden, weil der Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedurfte, zumal der Delegierungsantrag einzig auf einen unzulässigen Grund gestützt wurde (vgl 9 Nc 8/11t; RS0113776 [T2, T3]; Schneider in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 I [2013] § 31 JN Rz 37):

[10] Die Klägerinnen begründen ihren Antrag nur mit einer von ihnen befürchteten Befangenheit der Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz sowie auch jener der anderen Gerichte des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz.

[11] Ganz grundsätzlich kann ein Antrag auf Delegierung aber nicht mit Aussicht auf Erfolg auf Ablehnungsgründe gestützt werden (RS0073042; Schneider in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 I [2013] § 31 JN Rz 32; Rassi in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON [2023] § 31 JN Rz 4). Dies gilt gleichermaßen für die Delegierung nach § 31 JN wie für die notwendige Delegierung wegen Beschlussunfähigkeit gemäß § 30 JN (RS0114309 [T2]; RS0073042; RS0046146; RS0046074; RS0046333). Über Befangenheiten von Richtern und ihre Ablehnung ist allein auf dem in § 23 JN vorgeschriebenen Weg zu entscheiden. Erst nach erfolgreicher Ablehnung aller Richter eines in einer bestimmten Rechtssache zuständigen Gerichts hätte eine Delegierung nach § 30 JN zu erfolgen. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.

[12] Eine einvernehmliche Delegierung nach § 31a JN scheitert hier am fehlenden Einverständnis des Beklagten, eine Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG daran, dass mit der vorliegenden Klage kein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht wird.

[13] Für die beantragte Delegierung mangelt es daher an einer tragfähigen Rechtsgrundlage; der Antrag der Klägerinnen war abzuweisen.

[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Ein erfolgloser Delegierungswerber hat seine dem Zwischenstreit über die Delegierung zuzurechnenden Kosten endgültig selbst zu tragen und ebenso unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits dem Prozessgegner die notwendigen Kosten von dessen ablehnender Äußerung zum Delegierungsantrag zu ersetzen (RS0036025). Die Äußerung ist aber nur nach der Generalklausel der TP 2 I Z 1 lit e RATG zu honorieren (RS0036025 [T1, T6]).

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