European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00146.24Z.0430.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Dr. R* F* (in der Folge: Dr. F*) ist alleiniger unbeschränkt haftender Gesellschafter der Dr. F* KG (in der Folge: Dr. F* KG); einzige Kommanditistin dieser KG ist die Beklagte. Alleiniger Gesellschafter und selbständig vertretungsbefugter Alleingeschäftsführer der Beklagten ist Dr. F*.
[2] Der Erstkläger, sein Bruder und Dr. F* wollten eine Immobilie entwickeln. Im November 2003 wurde dazu ein Gesellschaftsvertrag zwischen dem Erstkläger, seinem Bruder und der Beklagten abgeschlossen, weil Dr. F* nicht persönlich Gesellschafter sein wollte. Im Zuge der Gründung der Gesellschaft kaufte Dr. F* vom Erstkläger einen Teil der Liegenschaft. Das Ziel war, die Immobilie zu entwickeln und dann (samt Gesellschaft) zu verkaufen.
[3] Dieser Gesellschaftsvertrag der C* S* Immobilien GmbH (in der Folge: Gesellschaft) lautet in seinem Punkt 6. unter anderem:
„Sechstens: Verfügung über Geschäftsanteile
[...]
Jeder Gesellschafter ist gegenüber den anderen Gesellschaftern verpflichtet, seinen Geschäftsanteil an die anderen Gesellschafter bei Eintritt eines der folgenden Tatbestände abzutreten:
[...]
b) Verletzung einer wesentlichen Verpflichtung aus diesem Gesellschaftsvertrag ebenso wie die erhebliche oder mehrmalige Verletzung der Verpflichtung zu Treue und Glauben gegenüber der Gesellschaft durch den Gesellschafter.“
[4] Die Gesellschaft errichtete auf der Liegenschaft ein Fachmarktzentrum, das sie unter dem Namen „C* S*“ betreibt; die Geschäftslokale wurden an verschiedene Unternehmen vermietet. Die Mieter bezahlen neben dem Hauptmietzins und Umsatzsteuer anteilig Betriebskosten und Werbekostenbeiträge für die Bewerbung des Fachmarktzentrums. Das Fachmarktzentrum ist rechtlich ein Superädifikat und wurde auf der Liegenschaft aufgrund eines Bestandvertrags mit den Liegenschaftseigentümern gebaut.
[5] Der Geschäftsanteil der Beklagten beträgt seit der Gründung 12.000 EUR (30 %). Mehrheitsgesellschafter war der Erstkläger. Gemeinsam vertretungsbefugte Geschäftsführer waren zunächst der Erstkläger und Dr. F*. Ab Dezember 2019 waren Gesellschafter der Gesellschaft der Erstkläger, die Zweitklägerin und die Beklagte. Seit 20. 12. 2019 vertraten der Erstkläger und die Zweitklägerin die Gesellschaft jeweils selbständig als Geschäftsführer.
[6] Die Kläger begehren, die Beklagte zu verpflichten, in einen Abtretungsvertrag über den Geschäftsanteil der Beklagten an der Gesellschaft einzuwilligen. Dr. F* habe im eigenen Namen, im Namen der Beklagten oder der Dr. F* KG eine Reihe von Treuepflichtverletzungen begangen. Dadurch sei die in Punkt 6. b). des Gesellschaftsvertrags vereinbarte Abtretungspflicht ausgelöst worden, weil diese Pflichtverletzungen der Beklagten zuzurechnen seien.
[7] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klage durch das Erstgericht. Die Vereinbarung des Ausschlusses eines Gesellschafters unter Übertragung seines Geschäftsanteils an andere Personen oder an die verbleibenden Gesellschafter, denen im Gesellschaftsvertrag ein Aufgriffsrecht eingeräumt werde, sei zulässig. Bei der gebotenen objektiven Auslegung des Gesellschaftsvertrags sei aber lediglich eine Treuepflichtverletzung durch einen Gesellschafter selbst als Ausschlussgrund anzusehen. Ein Verhalten des Dr. F* als Geschäftsführer der Dr. F* KG oder der T* GmbH sei hingegen nicht relevant. Die der Beklagten selbst vorgeworfenen Treuepflichtverletzungen lägen nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die außerordentliche Revision der Kläger zeigt keine erhebliche, im vorliegenden Fall auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Zur Treuepflicht der GmbH‑Gesellschafter:
[9] 1.1. Der Gesellschafter einer GmbH unterliegt der Treuepflicht, und zwar nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Mitgesellschaftern gegenüber. Sie orientiert sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und am Gebot der guten Sitten (RS0026106).
[10] 1.2. Die Treuepflicht gebietet es allerdings nicht, stets die Interessen der Gesellschaft über die eigenen zu stellen (6 Ob 90/19g [ErwGr 1.2.]; vgl RS0060175 [T6]). Zu „eigennützigen“ Mitgliedschaftsrechten hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass derartige Rechte des GmbH‑Gesellschafters, die primär dessen Interessen dienen, im Einzelfall auch gegen die Interessen der Gesellschaft ausgeübt werden dürfen (RS0107912). In einem derartigen Fall können Einschränkungen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (6 Ob 169/16w [ErwGr 3.7.]). Letzteres gilt auch im Zusammenhang mit Rechtsverhältnissen aus einem „Drittgeschäft“ des Gesellschafters mit der GmbH, also einem neben seiner Mitgliedschaft abgeschlossenen zivilrechtlichen Schuldverhältnis mit der Gesellschaft (vgl Pelinka in FAH, GmbHG² § 61 Rz 32; S.‑F. Kraus/U. Torggler in U. Torggler GmbHG § 61 Rz 39; vgl Rauter in WK GmbHG150.Lfg § 75 Rz 68 und Rz 132/5 mit Hinw auf deutsche Lit und Rsp).
[11] 1.3. Ob ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters im konkreten Fall gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber Mitgesellschaftern verstößt, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls, der Ausgestaltung der Gesellschaft und dem Verhältnis der Gesellschafter zueinander ab (RS0060175 [T3]; RS0106227 [T4]). Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind daher in der Regel nicht zu klären (6 Ob 64/24s [ErwGr 1.]; vgl RS0060175 [T8]).
[12] 2. Zu den behaupteten Treuepflichtverletzungen durch die Dr. F* KG oder Dr. F*:
[13] 2.1. Nach den Feststellungen war von Anfang an geplant, dass die „Seite Dr. F*“ die Hausverwaltung beim Einkaufszentrum macht; auch der Erstkläger war damit einverstanden. Die Dr. F* KG schloss mit der Gesellschaft im Jahr 2005 einen Verwaltungsvertrag, der auch vom Erstkläger unterschrieben wurde. Der Erstkläger war auch über den im Jahr 2011 erfolgten Abschluss der Hausbetreuungsvereinbarung für die Liegenschaft zwischen der Dr. F* KG und einer GmbH, deren Gesellschafter der Stiefbruder des Dr. F* war, informiert. Dieser Vertrag enthielt einen Kündigungsverzicht der Auftraggeberin für 15 Jahre. Er wurde allerdings aufgrund von Streitigkeiten der Gesellschafter untereinander Ende 2020 beendet. Zwar konnte die seit dem Jahr 2021 neu bestellte Hausverwalterin die Betriebskosten erheblich senken; soweit die Revision aber von einer Schädigung der Gesellschaft durch „überhöhte“ Verwaltungskosten ausgeht, entfernt sie sich von den Feststellungen. In der insoweit behaupteten (bloßen) Schlechterfüllung der Hausverwaltungstätigkeit wäre auch bei deren Zurechnung zur Beklagten keine Treuepflichtverletzung zu erblicken (so schon das Erstgericht).
[14] 2.2. Gleiches gilt für den Vorwurf, die Dr. F* KG habe den schlechten (baulichen) Zustand der Liegenschaft zu verantworten, wobei den Feststellungen dazu überdies zu entnehmen ist, dass für eine Sanierung erst nach Beendigung der Hausverwaltungstätigkeit der Dr. F* KG aufgrund einer zwischenzeitig erfolgten Umschuldung genügend finanzielle Mittel vorhanden waren.
[15] 2.3. Gleiches gilt auch für die im Zuge der Beendigung der Hausverwaltertätigkeit der Dr. F* KG ab dem Jahr 2020 wegen Auffassungsunterschieden entstandenen Rechtsstreitigkeiten über die Herausgabe von Verwaltungsunterlagen und Schlüsseln der Liegenschaft sowie die Vornahme einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Daran ändert auch nichts, dass darüber mehrere gerichtliche Verfahren, darunter auch Exekutions‑ und Oppositionsverfahren, geführt wurden (vgl 6 Ob 215/16k).
[16] 2.4. Soweit die Revision der Dr. F* KG den (vorsätzlichen) Versuch vorwirft, im Jahr 2023 durch Behauptung einer nicht stattgefundenen Überweisung den Kontenabgleich der Hausverwaltungskonten zu ihren Gunsten zu ändern, geht sie nicht vom Sachverhalt aus.
[17] 2.5. Den Feststellungen zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Erstkläger und Dr. F* als Liegenschaftseigentümer über geplante Baumaßnahmen zur Erweiterung des Geschäftslokals eines Supermarkts und der damit im Zusammenhang stehenden Argumentation des Dr. F* mit dem Mietvertrag der Gesellschaft aus dem Jahr 2005 ist eine von der Revision unterstellte Schädigungsabsicht nicht zu entnehmen.
[18] 2.6. Die Rückforderung der von Dr. F* an die Gesellschaft gewährten Darlehen im Februar 2021 strengte dieser deshalb an, weil nach seiner Ansicht aufgrund der inzwischen stattgefundenen Umschuldung eine fristenkonforme Finanzierung der Gesellschaft vorlag. Die in der Revision erblickte „Anstiftung“ zu strafbarem Verhalten im Sinne einer betrügerischen Krida erschließt sich daraus nicht.
[19] 2.7. Zu den in der Revision als fehlend monierten Tatsachenkomplexen betreffend einen Verwaltungsvertrag der Dr. F* KG mit der Gesellschaft aus dem Jahr 2012, die Betriebskostenabrechnung und die Endabrechnung der Dr. F* KG hat das Erstgericht ohnehin Feststellungen getroffen, nur (teilweise) nicht im Sinne der Kläger. Soweit dazu darüber hinausgehende Feststellungen begehrt werden, würden auch diese nichts am Nichtvorliegen einer Treuepflichtverletzung ändern. Die behaupteten Feststellungsmängel bestehen daher nicht.
[20] 2.8. Insgesamt vermag die Revision nicht darzulegen, aufgrund welcher besonderer Umstände im Zusammenhang mit diesen „Drittgeschäften“ (siehe Punkt 1.2.) eine Treuepflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft angenommen werden könnte. Selbst bei Zurechnung des Verhaltens des Dr. F* bzw der Dr. F* KG zur Beklagten lägen daher insoweit keine Treuepflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft vor.
[21] 2.9. Ob gegenständlich eine solche Zurechnung vorzunehmen ist, ist damit nicht mehr entscheidend. Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen zeigt die Revision keine, im vorliegenden Fall auch präjudizielle Rechtsfrage auf.
[22] 3. Zu den behaupteten Treuepflichtverletzungen durch die Beklagte:
[23] 3.1. Das GmbHG unterwirft den GmbH‑Gesellschafter keinem generellen gesetzlichen Wettbewerbsverbot (6 Ob 119/19x [ErwGr 3.2.1.]; vgl RS0060115 [T2]). Dementsprechend bezweifelt die Revision auch nicht, dass weder die Beklagte noch Dr. F* einem Wettbewerbsverbot unterlagen. Nach den Feststellungen betrieb Dr. F* zwischen zehn und fünfzehn Einkaufshandelscenter, davon zwei im Waldviertel.
[24] Mehrheitsgesellschafterin der T* GmbH ist die Beklagte (99,71 %), weiterer Gesellschafter und Alleingeschäftsführer ist Dr. F*. Diese Gesellschaft betreibt das Einkaufszentrum T*. Seit etwa April 2023 führt dort eine Gastronomie-Unternehmenskette ein Lokal, was für die Betreibergesellschaft mit hohen Anlaufkosten verbunden war. Sie vereinbarte mit dem Gastronomieunternehmen, dass dieses im Waldviertel nur im Einkaufszentrum T* eine Filiale führen durfte.
[25] Das Berufungsgericht hat diese „Wettbewerbsbeschränkung“ ohnehin unmittelbar der Beklagten zugerechnet. Es war aber der Ansicht, darin und in der im Jänner 2024 nicht erteilten Freigabe für die Eröffnung eines weiteren Standorts des Gastronomieunternehmens im Einkaufszentrum der Gesellschaft sei im Hinblick auf das nicht bestehende Wettbewerbsverbot und die entstandenen hohen Kosten keine Verletzung der Treuepflicht gelegen. Die Kläger hätten auch nicht behauptet, dass das Gastronomieunternehmen als mögliche Mieterin für die Gesellschaft eine besonders ins Gewicht fallende Bedeutung gehabt hätte.
[26] Dem hält die Revision keine stichhaltigen Argumente entgegen. Zu diesem Zeitpunkt war Dr. F* bereits seit Langem nicht mehr (Mit‑)Geschäftsführer der Gesellschaft und Verwalter des Einkaufszentrums, weshalb der Hinweis darauf ins Leere geht. Auch die Revision behauptet nicht, dass und weshalb diese „Wettbewerbsbeschränkung“ für die Gesellschaft in besonderem Maße nachteilig sei. Sie geht auch auf die vom Berufungsgericht herangezogene sachliche Rechtfertigung durch die hohen Anlaufkosten nicht ein.
[27] 3.2. Im Jahr 2019 wollte der Erstkläger einen (von mehreren) Bankkrediten umschulden. Bedingung der Bank war jedoch, dass das Treuhandkonto der Hausverwaltung Dr. F* KG, auf welchem die Mieteinnahmen der Gesellschaft einlangten, auch bei der Bank geführt, die gesamten Einnahmen an die Bank verpfändet und die Bank freigeben sollte, welche Rechnungen zu bezahlen seien. Dr. F* war damit nicht einverstanden, weil er nicht in so ein Abhängigkeitsverhältnis zur Bank kommen wollte. Es wurde daher keine Umschuldung bei dieser Bank durchgeführt. Schließlich kam es zu einer Umschuldung auf eine andere Bank.
[28] Das Berufungsgericht war der Auffassung, dieser Sachverhalt gehe über eine bloße Meinungsverschiedenheit zwischen Gesellschaftern über die günstigste Vorgehensweise nicht hinaus und stelle keine Treuepflichtverletzung dar. Es stehe auch weder fest noch wurde behauptet, dass die Bank bereits vor der Ablehnung durch Dr. F*, das Mietenkonto nicht bei der Bank führen zu wollen, angedroht gehabt habe, die Gesellschaft deshalb als Sanierungsfall zu beurteilen.
[29] Diese Beurteilung bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Welche wirtschaftlichen Nachteile der Gesellschaft durch das Verhalten des Dr. F* entstanden sein sollten, wird auch in der Revision nicht dargelegt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)