European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00050.25H.0430.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin verkaufte der Erstbeklagten mit Kaufvertrag vom 10. 10. 2017 Miteigentumsanteile (11 Wohnungseigentumseinheiten) an einer Liegenschaft zu einem Gesamtkaufpreis von 5.988.322 EUR. Aufgrund der Nachtragsvereinbarung vom 11. 10. 2017 waren ein Teil des Kaufpreises in Höhe von 389.831,52 EUR binnen drei Wochen und der Restbetrag von 5.598.490,48 EUR spätestens am 31. Oktober 2023 fällig.
[2] Die Zweitbeklagte war in die Errichtung des Kaufvertrags samt Nachtragsvereinbarung involviert und fungierte als Treuhänderin für die Vertragsabwicklung.
[3] Das Eigentum der Käuferin an den verkauften Wohnungseigentumseinheiten wurde bereits im Jahr 2017 im Grundbuch einverleibt, ohne dass der Restkaufpreis treuhändig erlegt worden wäre oder es weitere Sicherheiten für die offene Kaufpreisforderung gegeben hätte. Spätestens am 29. 6. 2020 wusste die Klägerin darüber Bescheid, dass ihre Liegenschaftsanteile unbesichert verkauft worden waren, und war mit den damit verbundenen Risiken vertraut. Die Klage wurde am 21. 1. 2024 bei Gericht eingebracht. Die Erstbeklagte bezahlte den Restbetrag bislang nicht.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten mit Teilurteil wegen Verjährung ab.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.
[6] 1. Die Klägerin gesteht in ihrer außerordentlichen Revision zu, dass der von ihr gegenüber der Zweitbeklagten behauptete (primäre) Schaden im Jahr 2017 eingetreten ist. Sie wendet sich ausschließlich gegen die Annahme der Vorinstanzen, dass der Eintritt von Folgeschäden vorhersehbar gewesen sei. Damit zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[7] 2.1. Die kurze Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt zu laufen, sobald dem „Beschädigten“ Schaden und Schädiger bekannt werden.
[8] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung bilden die schon eingetretenen und die aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden (Teil‑[folge‑]schäden) verjährungsrechtlich eine Einheit. Der Fristenlauf für künftige, vorhersehbare weitere Teilschäden beginnt somit bereits mit Eintritt des Primärschadens (RS0087613; Janisch/Kietaibl in Schwimann/Kodek 4 § 1489 ABGB Rz 10).
[9] Nicht vorhersehbare schädigende Wirkungen eines Schadensfalls verjähren hingegen ab Kenntnis bzw ab dem Zeitpunkt, in dem mit künftigen Schäden mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist (RS0034527 [T15]; 2 Ob 78/03i; 3 Ob 70/03w; 2 Ob 6/06f; 10 Ob 18/13i; Dehn in KBB7 § 1489 ABGB Rz 4; Janisch/Kietaibl in Schwimann/Kodek 4 § 1489 ABGB Rz 11; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.07 § 1489 Rz 15).
[10] Die Vorhersehbarkeit künftiger Schäden ist eine Frage des Einzelfalls, der – vom Fall krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0111272 [T2]).
[11] 2.3. Das Berufungsgericht bejahte die Vorhersehbarkeit mit der Begründung, die Kaufpreisforderung sei ohne jede Besicherung für sechs Jahre gestundet und darüber hinaus vereinbart worden, dass die Käuferin den Kaufpreis (überhaupt erst) mit dem Weiterverkauf der Wohnungseigentumsobjekte finanzieren werde, wobei die Käuferin nach dem Wortlaut des Vertrags lediglich nach dem Verkauf „trachte“. Dies seien objektive Anhaltspunkte, die bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an der Bonität und Liquidität der Käuferin zweifeln hätten lassen müssen. Diese Rechtsansicht bedarf schon deshalb keiner Korrektur, weil jedenfalls im Juni 2020 der Klägerin bekannt war, dass trotz einem offenen Kaufpreis von rund 5,6 Millionen EUR die Liegenschaft mit Pfandrechten in Höhe von 4,3 Millionen EUR belastet war, und sie ernsthaft an der pflichtgemäßen Zahlung des Kaufpreises zweifelte, sodass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt mit künftigen Schäden mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen war. Die von der Revision zitierte Entscheidung 3 Ob 23/14z ist schon deshalb nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar.
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