OGH 1Ob31/25b

OGH1Ob31/25b29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* A*, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins & Dr. Öztürk KG in Bludenz, gegen die beklagte Partei I* A*, vertreten durch Dr. Nader Karl Mahdi, Rechtsanwalt in Wattens, wegen 5.600 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 24. Oktober 2024, GZ 5 R 115/24h‑59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 28. Juni 2024, GZ 7 C 60/23t‑52 aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00031.25B.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 627,12 EUR (darin 104,52 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte betreibt einen Autohandel. Die Lebensgefährtin des Klägers (im Folgenden: Lebensgefährtin) schloss am 21. 9. 2022 mit dem Beklagten einen Kaufvertrag über den PKW S* (im Folgenden: PKW S), zum Kaufpreis von 5.600 EUR ab. Als Gegenleistung gab die Lebensgefährtin den in ihrem Eigentum stehenden PKW F* (im Folgenden: PKW F), in Zahlung, über den sie mit dem Beklagten am selben Tag einen Kaufvertrag schloss.

[2] Entgegen der Vereinbarung war der PKW S nicht verkehrs‑ und betriebssicher.

[3] Der Kläger begehrte gestützt auf Wandlung zunächst die Zurückstellung des in Zahlung gegebenen PKW F Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW S. Weiters erklärte er die Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums und Verkürzung über die Hälfte. Seine Lebensgefährtin habe „den gegenständlichen Kaufvertrag“ abgeschlossen und ihm sämtliche Ansprüche abgetreten. Der PKW S sei entgegen der Zusicherung des Beklagten nicht verkehrs‑ und betriebssicher gewesen. Zuletzt brachte er vor, seine Lebensgefährtin habe für den PKW S 5.600 EUR gezahlt und es sei nicht gewährleistet, dass das in Zahlung gegebene Fahrzeug noch vorhanden sei. Der Kläger änderte sein Klagebegehren dahin, dass er die Zahlung von 5.600 EUR sA begehrt.

[4] Der Beklagte wendete ein, die Abtretung sei ungültig, liege dieser doch kein Rechtsgrund zugrunde. Das Zahlungsbegehren lasse keinen Rechtsgrund erkennen und sei daher unschlüssig. Weiters erhob er für den Fall der Berechtigung des geänderten Klagebegehrens einen Zug‑um‑Zug‑Einwand.

[5] Das Erstgericht ließ die Klageänderung zu und gab dem Zahlungsbegehren Zug um Zug gegen Rückstellung des PKW S statt. Es stellte eine – in der Berufung vom Beklagten mit Beweisrüge bekämpfte – Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin über die Abtretung ihrer Ansprüche „aus dem Kaufvertrag vom 21. 9. 2022“ an ihn zum Inkasso fest und leitete daraus die Aktivlegitimation des Klägers ab. Vorliegend seien zwei voneinander unabhängige Kaufverträge geschlossen und bloß die Preise gegenseitig verrechnet worden. Zudem sei „nicht klar, ob eine Rückstellung des in Zahlung gegebenen PKW F überhaupt noch möglich wäre“. Die Wandlung habe daher durch Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückstellung des PKW S zu erfolgen.

[6] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das zum Zahlungsbegehren erstattete Vorbringen sei widersprüchlich. Es sei nicht ersichtlich, ob sich der Kläger – im Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen und der ausdrücklichen Außerstreitstellung – darauf stützen wolle, dass der PKW F nicht als Gegenleistung erbracht, sondern tatsächlich 5.600 EUR als Kaufpreis geleistet worden sei, oder ob er deshalb Wertersatz fordere, weil nicht gesichert sei, dass der PKW F beim Beklagten noch vorhanden sei. Das Erstgericht habe diese Widersprüchlichkeit nicht erkannt und sei überraschend von zwei voneinander unabhängigen Kaufverträgen ausgegangen, ohne seiner Erörterungspflicht nachzukommen.

[7] Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil keine Rechtsprechung vorliege, ob der vom Beklagten erhobene Einwand ausreiche, um die Erörterungsbedürftigkeit hinsichtlich der Unschlüssigkeit des Klagebegehrens zu verneinen.

[8] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs des Beklagten mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1. Der Rekurs ist ausgehend von der Zustellung des Beschlusses des Berufungsgerichts am 26. 11. 2024 unter Berücksichtigung der Fristhemmung nach § 222 Abs 1 ZPO (anders als der Kläger meint) jedoch rechtzeitig.

2. Zur Unbestimmtheit des Zahlungsbegehrens

[10] 2.1. Fehler des Berufungsgerichts bei Anwendung der richterlichen Anleitungspflicht fallen nicht unter den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sondern unter jenen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nach § 503 Z 2 ZPO (RS0037095).

[11] 2.2. Eine vom Berufungsgericht aufgetragene zusätzliche Erörterung des Prozessstoffs kann aber nicht ein Verfahrensmangel im Rechtssinn sein, ist diese doch schon begrifflich nicht geeignet, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0037095 [T10]; RS0043049 [T9]; 4 Ob 91/15h [Punkt 2.] mwN). Der vom Rekurswerber im Hinblick auf die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Erörterung mit dem Kläger inhaltlich erhobene Verfahrensmangel liegt damit nicht vor.

[12] 2.3. Davon abgesehen ist die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung oder zu einer Anleitung durch das Gericht geben könnte, schon von vornherein so einzelfallbezogen, dass darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RS0114544).

[13] 2.4. Der Zweck des Rekurses ist zudem nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RS0042179 [T17]).

[14] Der Aufhebung liegt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zugrunde, dass die Klage unschlüssig sei, weil unklar bleibe, ob der Kläger das Zahlungsbegehren aus dem (eigenständigen) Kaufvertrag über den PKW S ableite oder darauf stütze, dass – bei Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts – das in Zahlung gegebene Fahrzeug (PKW F) beim Beklagten nicht mehr vorhanden sei und er daher Wertersatz fordere. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig; einen diesbezüglichen Einwand der mangelnden Schlüssigkeit hat der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben.

[15] 3. Die Einfügung einer Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung durch das Gericht ist nur dann unzulässig, wenn der Kläger die Erbringung der Gegenleistung endgültig verweigert hat (RS0020973 [T10, T13]). Den Zug‑um‑Zug‑Einwand des Beklagten auf Rückstellung des PKW S hat der Kläger nur allgemein bestritten. Darin liegt noch keine endgültige Verweigerung der Gegenleistung (7 Ob 139/15i [Punkt 8.2.]).

[16] 4. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen trat die Lebensgefährtin dem Kläger ihre Ansprüche „aus dem Kaufvertrag“ zum Inkasso ab. Auf die dazu vom Beklagten in seiner Berufung erhobene Beweisrüge, war vom Berufungsgericht noch nicht einzugehen, weil eine abschließende Prüfung des materiellen Anspruchs erst dann erfolgen kann, wenn das Klagebegehren schlüssig gestellt ist (1 Ob 7/17m [Punkt 2.] mwN).

[17] 5. Der Rekurs ist daher zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedürfte (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

[18] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO des Berufungsgerichts findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222). Der Kläger hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0123222 [T8]).

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