OGH 9Ob42/25d

OGH9Ob42/25d29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden und die Hofrätin und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Sailer, Schön & Nagy Rechtsanwälte in Bruck an der Leitha, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wegen Ehescheidung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 28. Jänner 2025, GZ 20 R 188/24g‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00042.25D.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte mit Klage vom 7. 12. 2022 ihre Ehe zum Beklagten aus dessen Alleinverschulden zu scheiden. Als Scheidungsgrund brachte sie vor, der Beklagte habe gegen sie eine Klage mit der unrichtigen Behauptung eingebracht, sie habe als seine für den Zeitraum 23. 7. 2018 bis 1. 9. 2021 bestellte gesetzliche Erwachsenenvertreterin seine Gelder missbräuchlich verwendet.

[2] Der Beklagte begehrte in seiner Widerklage vom 4. 5. 2023 die Scheidung aus dem Alleinverschulden der Klägerin. Er stützte das Klagebegehren ausschließlich auf die missbräuchliche Verwendung seines Vermögens durch die Klägerin als Erwachsenenvertreterin.

[3] Im Verfahren 2 Cg 83/22y des Landesgerichts Eisenstadt (kurz: Schadenersatzverfahren) begehrte der Beklagte von der Klägerin den Ersatz der von ihr missbräuchlich verwendeten Gelder.

[4] Mit Beschluss vom 16. 11. 2023 wurde das Scheidungsverfahren mit Zustimmung beider Parteien bis zur rechtskräftigen Erledigung des zu 2 Cg 83/22y des Landesgerichts Eisenstadt geführten Verfahrens unterbrochen und ausgesprochen, dass es nur über Parteiantrag fortgesetzt wird.

[5] Mit Urteil vom 7. 3. 2023 erkannte das Landesgericht Eisenstadt die Klägerin (dort Beklagte) schuldig, dem Beklagten (dort Kläger) 70.414,43 EUR zu zahlen. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil infolge der Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 20. 10. 2023 auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der dagegen vom Kläger erhobene Rekurs wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 28. Mai 2024 (5 Ob 228/23z) zurückgewiesen.

[6] Am 7. 10. 2024 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens. Im Hinblick darauf, dass das Schadenersatzverfahren weitergeführt werde, sei ihr ein längeres Zuwarten im Ehescheidungsverfahren nicht mehr zumutbar und im Hinblick darauf, dass auch der Beklagte durch die Einbringung einer Widerklage gezeigt habe, dass er an der Fortsetzung der Ehe kein Interesse mehr habe, auch nicht mehr tunlich.

[7] Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag der Klägerin ab, weil das zu 2 Cg 83/22y des Landesgerichts Eisenstadt geführte Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt sei.

[8] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts und erwiderte dem Rekursargument, die Klägerin wäre gegen ihren Willen zur Fortführung der Ehe gezwungen, dass das Streitthema im präjudiziellen Schadenersatzverfahren mit dem gleichen Aufwand zu klären sei, wie im Scheidungsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem die Fortsetzung des Scheidungsverfahrens angestrebt wird, ist mangels Aufzeigen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Trotz der bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs hier nicht jedenfalls unzulässig, weil nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jene Beschlüsse von der Unanfechtbarkeit ausgenommen sind, mit denen eine Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag verweigert wird. Dies ist auch bei der Bestätigung der Abweisung (oder Zurückweisung) eines Antrags auf Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens der Fall (RS0105321 [T7, T18, T19]).

[11] 2. Der Unterbrechungsbeschluss des Erstgerichts ist in Rechtskraft erwachsen. Nach §§ 167, 164 iVm § 190 ZPO ist für die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens grundsätzlich vorausgesetzt, dass das Erlöschen des Unterbrechungsgrundes – hier die rechtskräftige Erledigung des Schadenersatzverfahrens – glaubhaft gemacht wird. Mit der Rechtskraft des Unterbrechungsbeschlusses treten die Unterbrechungswirkungen ein. Ab diesem Zeitpunkt kann nicht mehr überprüft werden, ob der vom Gericht in Anspruch genommene Grund einen gesetzlichen Unterbrechungsgrund dargestellt hat oder die Voraussetzungen für die Unterbrechung gegeben waren. Die Rechtmäßigkeit eines rechtskräftigen Unterbrechungs-beschlusses darf nicht mehr nachgeprüft werden (8 ObA 3/17z Pkt 3.).

[12] 3. Die Klägerin behauptet in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht das Erlöschen des von den Vorinstanzen herangezogenen Unterbrechungsgrundes, sondern argumentiert damit, dass es ihr im Lichte des Dispositionsgrundsatzes frei stehen müsse, ihren seinerzeitigen Willen zur Verfahrensunterbrechung zu ändern, das Streitthema zu verändern, andere Scheidungsgründe geltend zu machen und auch weiterhin Bemühungen zu unternehmen, ein Einvernehmen im Sinne des § 55a EheG zu erzielen.

[13] 4.1. Die Frage, ob eine Verfahrensfortsetzung auch dann in Betracht kommt, wenn aufgrund der (unerwarteten) tatsächlichen Entwicklung des präjudiziellen Verfahrens durch das weitere Zuwarten im unterbrochenen Verfahren eine unzumutbare Verzögerung eintreten würde (vgl 9 ObA 152/16t zu § 190 ZPO; RS0128680 zu § 26 Abs 3 AußStrG), muss hier nicht beurteilt werden. Ein solcher Ausnahmefall, der jedenfalls nur für außergewöhnliche Umstände im Ausgangsverfahren gelten kann, liegt im konkreten Einzelfall nicht vor.

[14] 4.2. Zur Beurteilung des von beiden Parteien im Scheidungsverfahren behaupteten Scheidungsgrundes bedarf es der Beurteilung, ob die Klägerin als einstweilige Erwachsenenvertreterin des Beklagten dessen Gelder missbräuchlich verwendet hat. Die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, diese Frage könne im Schadenersatzverfahren mit dem gleichen Aufwand wie im Scheidungsverfahren einer Klärung zugeführt werden, wird im außerordentlichen Revisionsrekurs von der Klägerin nicht bestritten. Dass die Klägerin andere Scheidungsgründe als bisher geltend machen möchte, behauptet sie (auch in ihrem Fortsetzungsantrag) nicht. Ebenso wenig lag ihrem Antrag das Bestreben einer Scheidung im Einvernehmen (§ 55a EheG) zugrunde. Insofern verstößt die Klägerin mit diesen Ausführungen gegen das auch im Revisionsrekursverfahren geltende Neuerungsverbot (RS0042091 [T5]).

[15] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

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