European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00087.24W.0429.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Vollmachtsbekanntgabe vom 4. November 2024 selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0106298), es sei denn, das Berufungsgericht hätte bei seiner Entscheidung den Beurteilungsspielraum überschritten, was vorliegend nicht der Fall ist.
[2] 2. Nach der bei der Beklagten geltenden (internen) Entlassungsordnung 2018 ist als wichtiger Grund, der zur Entlassung berechtigt, ua anzusehen, wenn der Mitarbeiter sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Unternehmens unwürdig erscheinen lässt (§ 20 Abs 3 lit a dritter Tatbestand) sowie, wenn er schuldhaft seine Dienstunfähigkeit herbeiführt (§ 20 Abs 3 lit b).
[3] 3. Beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit kommt es nach der Rechtsprechung vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RS0029833). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RS0029323). Schädigungsabsicht oder Eintritt eines Schadens sind nicht erforderlich (RS0029531).
[4] 4. Aus dem Arbeitsvertrag besteht für den Arbeitnehmer die Verpflichtung, sich im Fall einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird (RS0060869). Die Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand dürfen nicht betont und offenkundig verletzt werden. Schon die Eignung des Verhaltens, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsprozess zu verzögern, kann den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklichen (RS0029337).
[5] Ist der Dienstnehmer wieder objektiv arbeitsfähig und fühlt sich subjektiv dazu auch in der Lage, ist der Krankenstand zu beenden (vgl 9 ObA 96/21i). Allenfalls ist der Arbeitnehmer, der sich subjektiv besser fühlt, verpflichtet, sich untersuchen zu lassen, ob die Voraussetzungen des Krankenstandes noch vorliegen (9 ObA 113/02m).
[6] Wesentlich bleibt aber, dass das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorwerfbar ist (RS0029337 [T13]).
[7] 5. Dem Kläger war von der Entlassungskommission vorgeworfen worden, dass er die Dienstpflichten insofern verletzt habe, als er in seinem Krankenstand genesungshindernde Tätigkeiten verrichtet habe und zeitweilig ohne ärztlich bewilligte Ausgehzeit vom Wohnsitz abwesend gewesen sei. Damit sei der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit erfüllt.
[8] Auch die Vorinstanzen sahen den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit als erfüllt an, allerdings mit der Begründung, dass der Kläger trotz Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit im Krankenstand verblieb.
[9] 6. Die Revision argumentiert, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanzen das Verhalten des Klägers nicht subjektiv vorwerfbar sei.
[10] War der Kläger allerdings der Meinung, noch krank zu sein (Bandscheibenprobleme), musste er sich im Klaren sein, dass sein Verhalten, schwere körperliche Arbeit, Hantieren mit schweren Geräten, jedenfalls die Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand verletzt. Ging er davon aus, wieder genesen zu sein, hätte er wieder arbeiten gehen müssen. Da er die ärztliche Anordnung hatte, das Medikament, das geeignet ist, seine Fahrtauglichkeit einzuschränken, nur so lange zu nehmen, wie er Schmerzen hat, hatte er auch keine Veranlassung, es darüber hinaus einzunehmen. Zumindest hätte er bei der Ärztin Rücksprache zu halten gehabt. Dass die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund die subjektive Vorwerfbarkeit bejahten, ist nicht korrekturbedürftig.
[11] 7. Die Revision macht weiters geltend, dass die Vorinstanzen unzulässiger Weise ihrer Entscheidung einen anderen Sachverhalt zugrunde legten als die Entlassungskommission.
[12] Dem Kläger war vor der Entlassungskommission vorgeworfen worden, während des Krankenstandes schwere körperliche Arbeiten durchgeführt zu haben. Das Vorliegen des Entlassungsgrundes wurde alternativ darauf gestützt, dass der Kläger sich entweder genesungswidrig verhalten habe oder trotz Genesung zu Unrecht im Krankenstand verblieben sei. Die Entlassungkommission hat auf dieser Basis den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit als verwirklicht angesehen. Die Vorinstanzen haben diesen Entlassungsgrund ausgehend vom angeklagten Lebenssachverhalt ebenfalls bejaht. Dass sie dabei aufgrund ihrer umfassenden Kognitionsbefugnis (RS0029832) von geringfügig anderen Feststellungen ausgingen, schadet nicht, da sie damit den Rahmen des dem Kläger bereits vor der Disziplinarbehörde vorgeworfenen Verhaltens auf Basis des auch von der Disziplinarbehörde beurteilten Lebenssachverhalts nicht verlassen haben.
[13] Im Übrigen ist die Entlassungskommission unter anderem deshalb von einer Vertrauensunwürdigkeit ausgegangen, weil durch das öffentlichkeitswirksame Verhalten des Klägers im Krankenstand ein potenzieller Imageschaden für das Unternehmen und eine negative Beispielwirkung für die Kollegenschaft verbunden gewesen sei. Dafür ist es letztlich irrelevant, ob dem Kläger ein genesungswidriges Verhalten im Krankenstand oder die unzulässige Verlängerung des Krankenstandes trotz Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zur Last zu legen ist.
[14] 8. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[15] 9. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer ,,Vollmachtsbekanntgabe“ vom 4. 11. 2024 selbst zu tragen, weil der Vertreterwechsel im Revisionsverfahren allein in ihre Sphäre fällt (vgl 6 Ob 141/09t, Pkt 11.; 8 Ob 39/12m)
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