European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00205.24X.0429.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.551,67 EUR (darin 258,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad den Fahrradstreifen der Landwiedstraße in Linz entgegen der mit Richtungspfeilen vorgegebenen Fahrrichtung und wollte die Kreuzung mit der Grüntalerstraße auf der Radfahrerüberfahrt in gerader Richtung überqueren. Der Kläger erblickte den aus seiner Sicht von links kommenden Pkw des Erstbeklagten, dachte sich jedoch, dass dieser bremsen werde, weshalb er keine Reaktion setzte. Der Erstbeklagte wollte nach rechts in die Landwiedstraße einbiegen, weshalb er seine Fahrgeschwindigkeit auf 7 bis 10 km/h reduzierte. Der Erstbeklagte rechnete nur mit von links kommenden Fahrzeugen, weshalb er nur nach links blickte, sodass es zur Kollision mit dem mit 15 km/h fahrenden Kläger kam.
[2] Die Vorinstanzen wiesen das – unter Zugeständnis eines gleichteiligen Mitverschuldens – auf 15.155,94 EUR sA und Feststellung der Haftung gerichtete Klagebegehren ab. Dem Erstbeklagten sei der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen, weil auch ein besonders vorsichtiger und aufmerksamer Kraftfahrer dort keinen gegen die Fahrtrichtung des Radwegs fahrenden Radfahrer erwarten habe müssen. Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob dies auch dann gelte, wenn – wie hier – eine Radfahrerüberfahrt vorliegt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die diese Frage verneinende Revision des Klägers ist mangels Relevanz der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage nicht zulässig.
[4] 1. Den Kläger trifft jedenfalls ein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls.
[5] 2. Nach § 9 Abs 2 StVO hat ein Fahrzeuglenker einem Radfahrer, der sich auf einer Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Radfahrer dürfen sich ungeregelten Radfahrerüberfahrten nach § 68 Abs 3a StVO aber nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 10 km/h nähern und diese nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker überraschend befahren. Darüber hinaus dürfen Radwege nach § 8a Abs 1 StVO nicht entgegen jener Richtung befahren werden, die sich aus den Bodenmarkierungen (Richtungspfeilen) ergibt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann sich ein Verkehrsteilnehmer, der gegen die zulässige Fahrtrichtung fährt, nicht auf die Vorrangregel berufen (RS0073375 [T1, T3, T4]). Im Ergebnis wäre der Kläger daher – auch wenn er sich auf einer Radfahrerüberfahrt befunden hat – wartepflichtig gewesen.
[6] 3. Nach § 9 Abs 2 EKHG ist die Haftung des Halters ausgeschlossen, wenn der Fahrzeuglenker jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat. Auch wenn dieser Entlastungsbeweis nicht gelingt, sieht § 7 Abs 1 EKHG vor, dass eine Schadensteilung nach § 1304 ABGB stattzufinden hat, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Dabei muss sich ein Kraftfahrzeughalter grundsätzlich die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zurechnen lassen, selbst wenn der Unfall ausschließlich auf das Verschulden des Geschädigten zurückzuführen ist (RS0027224). Selbst ein Kraftfahrzeughalter, dem der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG misslingt, haftet aber nicht, wenn die ihm zur Last gelegte Nichtbeachtung der gebotenen Sorgfalt derart geringfügig ist, dass sie gegenüber dem schwerwiegenden Verschulden des Geschädigten zu vernachlässigen ist (RS0027073 [insb T4]; 8 Ob 104/82 = RS0027224 [T3]). Das Zurechnungselement der Gefährdung tritt in diesem Fall hinter jenes des gravierenden Verschuldens des Geschädigten so weit zurück, dass es keine Haftung mehr zu begründen vermag.
[7] 4. Ein solcher Fall liegt hier vor: Der Kläger hat die Radfahrerüberfahrt entgegen der vorgeschriebenen Richtung, mit überhöhter Geschwindigkeit und – ohne sich zu vergewissern, ob er vom Erstbeklagten überhaupt wahrgenommen wird – unmittelbar vor dem herannahenden Fahrzeug des Erstbeklagten befahren, sodass die dem Erstbeklagten vorgeworfene Nichtbeachtung der gebotenen Sorgfalt gegenüber der groben Sorglosigkeit des Klägers völlig in den Hintergrund tritt. Ein Schadenersatzanspruch des Klägers ist daher schon aus diesem Grund ausgeschlossen. Damit kommt es auf die vom Kläger relevierte Frage, ob sich der Erstbeklagte auf die Einhaltung jeder erdenklichen Sorgfalt im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG berufen kann, obwohl er den Unfall durch einen Blick nach rechts vermeiden hätte können, nicht mehr an. Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage von entscheidungswesentlicher Bedeutung zurückzuweisen (RS0088931).
[8] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979).
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