European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00004.25I.0429.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung:
[1] Mit rechtskräftigem Beschluss vom 29. 11. 2021 stellte das Erstgericht die Überschuldung des Nachlasses nach dem 2021 verstorbenen Erblasser fest und überließ die überschuldete Verlassenschaft der Witwe an Zahlungs statt.
[2] Am 4. 7. 2024 gab der Sohn des Erblassers gestützt auf das Gesetz eine bedingte Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses ab und bestritt die Gültigkeit eines 2015 zu Gunsten der Witwe errichteten Testaments des Erblassers.
[3] Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärung unter Hinweis auf die rechtskräftige Überlassung an Zahlungs statt ab.
[4] Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss mit der Maßgabe, dass es die Erbantrittserklärung zurückwies. Der Nachlass bestehe nur dann fort, wenn im Überlassungsbeschluss nicht angeführte Aktiven vorhanden seien. Mangels Bescheinigung nachträglich hervorgekommenen Vermögens scheide eine Fortsetzung des Nachlassverfahrens nach § 183 AußStrG aber aus. Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht über Zulassungsvorstellung nachträglich für zulässig, weil die Rechtsprechung, wonach der ruhende Nachlass nur dann fortbestehe, wenn nicht vom Überlassungsbeschluss erfasste Nachlassaktiven oder ‑passiven vorhanden seien, auf Kritik gestoßen sei.
[5] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Sohnes mit dem Abänderungsantrag, ihm den Nachlass aufgrund seiner bedingten Erbantrittserklärung aufgrund des Gesetzes zu einem Drittel einzuantworten. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[6] Der Gesamtrechtsnachfolger der Witwe beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
[8] Der Sohn argumentiert zusammengefasst, dass der ruhende Nachlass unabhängig vom Vorhandensein weiteren Vermögens fortbestehe und daher auch nach einer Beschlussfassung nach §§ 154 f AußStrG (ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 183 AußStrG) eine Erbantrittserklärung abgegeben werden könne.
[9] 1. Die vom Sohn abgegebene Erbantrittserklärung ist verfahrensrechtlich als ein Antrag auf – vom Revisionsrekurs auch angestrebte – Einantwortung zu werten (RS0007932 [T1] = 1 Ob 660/90; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG I² § 159 Rz 2).
[10] 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat das Verlassenschaftsgericht nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens durch eine – hier allerdings nicht erfolgte – Einantwortung keine Möglichkeit mehr, sich mit der Verlassenschaftsangelegenheit des Erblassers zu befassen, sodass auch jede damit in Zusammenhang stehende Antragstellung (zB Antrag auf Nachlassabsonderung, auf Festsetzung eines Übernahmspreises oder Einholung einer Bankauskunft) grundsätzlich ausgeschlossen ist (RS0008365 [T6; T7]). Nach der Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung kann der übergangene Erbe grundsätzlich nur noch die Erbschaftsklage erheben (RS0123316), sodass auch die Abgabe einer Erbantrittserklärung nicht mehr zulässig wäre.
[11] 3. Auch durch eine – hier erfolgte – Überlassung an Zahlungs statt wird das Nachlassverfahren (zumindest vorerst) beendet (vgl 2 Ob 12/17d). Es entspricht (daher) ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass auch nach Beendigung eines Verlassenschaftsverfahrens durch Überlassung an Zahlungs statt nach §§ 154 f AußStrG eine Fortsetzung des Verfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 183 Abs 1 AußStrG in Betracht kommt (7 Ob 135/08s; 4 Ob 194/08w; zuletzt 2 Ob 242/22k; zustimmend Verweijen, Glosse zu 2 Ob 242/22k, EvBl 2023/192). Die Wirkungen der Überlassung an Zahlung statt stimmen insofern – also in Bezug auf die Beendigung des Verfahrens – mit jenen der Einantwortung überein.
[12] Aufgrund der auch mit einer Überlassung an Zahlungs statt verbundenen (wenngleich nur vorläufigen) Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens ist daher jede im Zusammenhang mit der Verlassenschaftsangelegenheit des Erblassers stehende Antragstellung ausgeschlossen. Auch ein Antrag auf Einantwortung (Erbantrittserklärung) wäre daher nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 183 Abs 1 AußStrG verfahrensrechtlich zulässig. Soweit zu 1 Ob 660/90 im Zusammenhang mit einem Vorgehen nach § 72 AußStrG 1854 („Abtuung armutshalber“) ausgeführt wurde, mangels stattfindenden Verlassenschaftsverfahrens habe eine Entscheidung über eine dennoch abgegebene Erbantrittserklärung überhaupt zu unterbleiben, wird dies aufgrund der dargestellten verfahrensrechtlichen Überlegungen jedenfalls nicht im Zusammenhang mit einem Vorgehen nach § 154 AußStrG aufrecht erhalten.
[13] 4. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 183 AußStrG liegen nicht vor.
[14] 4.1. Der Sohn hat zwar keinen ausdrücklichen Antrag auf Verfahrensfortsetzung nach § 183 Abs 3 AußStrG gestellt. Allerdings impliziert sein Einantwortungsantrag nach dem verfolgten Rechtsschutzziel auch einen Antrag, das Verfahren gemäß § 183 Abs 3 AußStrG fortzusetzen.
[15] 4.2. Beim Antrag auf Durchführung einer „Nachtragsabhandlung“ ist es aber Sache des Antragstellers, das Vorhandensein bisher unberücksichtigt gebliebenen Nachlassvermögens zu bescheinigen (RS0008416; RS0115929). Wird dem Verlassenschaftsgericht bescheinigt, dass ein bisher nicht berücksichtigter Anspruch der Verlassenschaft wahrscheinlich besteht, hat es, wenn – wie hier – bisher die Abhandlung unterblieben ist, nach § 183 Abs 3 AußStrG zu prüfen, ob (weiterhin) die Voraussetzungen für ein Unterbleiben der Abhandlung oder eine Überlassung an Zahlungs statt vorliegen oder ob eine Verlassenschaftsabhandlung durchzuführen ist (RS0115929 [T13]).
[16] 4.3. Der Sohn behauptet nicht einmal das Vorhandensein bisher unberücksichtigt gebliebenen Nachlassvermögens, sodass – wie schon vom Rekursgericht zutreffend festgehalten – eine nachträgliche Durchführung einer Verlassenschaftsabhandlung nach § 183 Abs 3 AußStrG, bei der es zur angestrebten Einantwortung kommen könnte, nicht in Betracht kommt.
[17] 5. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 183 AußStrG ist die Abgabe einer Erbantrittserklärung (derzeit) unzulässig. Das Rekursgericht hat sie daher zutreffend zurückgewiesen.
[18] 6. Ob der ruhende Nachlass im Fall der Überlassung an Zahlungs statt mangels erfolgter Gesamtrechtsnachfolge jedenfalls (Winkler in Schneider/Verweijen, AußStrG § 154 Rz 18; Fucik/Mondel, Verlassenschaftsverfahren² Rz 251) oder nur bei Vorhandensein nicht überlassener Aktiva oder Passiva (Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² 154 Rz 17 mwN; H. Schumacher, Die Überlassung überschuldeter Verlassenschaften an Zahlungs statt, FS Rechberger [2005] 564; Schilchegger/Kieber, Verlassenschaftsverfahren2 96) fortbesteht, ist für den vorliegenden Fall nicht relevant, weil eine Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens und damit die vom Revisionsrekurs angestrebte Einantwortung jedenfalls nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 183 AußStrG erfolgen könnte. Diese Bestimmung stellt aber (nur) auf das Bekanntwerden von Vermögenswerten nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens ab. Folgerichtig erachtet auch Winkler (in Schneider/Verweijen, AußStrG § 154 Rz 19), der unabhängig vom Vorhandensein nicht überlassenen Vermögens vom Fortbestand des ruhenden Nachlasses ausgeht, eine Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens nur unter den hier nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 183 AußStrG für zulässig.
[19] 7. Aus diesen Gründen ist der angefochtene Beschluss zu bestätigen. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
[20] Nach Überlassung an Zahlungs statt ist die Abgabe einer Erbantritterklärung nur bei Fortsetzung des Verfahrens aufgrund des Bekanntwerdens weiterer Vermögenswerte (§ 183 AußStrG) zulässig.
[21] 8. Die Zurückweisung der Erbantrittserklärung des Sohnes steht der neuerlichen Abgabe einer Erbantrittserklärung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 183 Abs 1 AußStrG nicht entgegen.
[22] 9. Gemäß § 185 AußStrG findet kein Kostenersatz statt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)