OGH 2Ob32/25g

OGH2Ob32/25g29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch MMag. Dr. Johannes Ziller, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. S*, und 2. W*, beide vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 31.558,60 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. November 2024, GZ 4 R 129/24d‑38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 20. August 2024, GZ 11 Cg 79/23t‑33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00032.25G.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.100,52 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 183,42 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Am 10. 6. 2023 kam es gegen 21:30 Uhr auf einer ampelgeregelten Kreuzung in der Stadt Salzburg zur Kollision zwischen einem vom Kläger gelenkten PKW und einem von der Erstbeklagten gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Löschfahrzeug. Das Einsatzfahrzeug näherte sich mit durchschnittlich 50 km/h der Kreuzung an, Folgetonhorn und Blaulicht waren aktiviert. Der Lenker des Einsatzfahrzeuges wollte die Kreuzung geradeaus übersetzen, wobei die Ampel in seine Fahrtrichtung rot zeigte. Ungeachtet dessen reduzierte er lediglich die Geschwindigkeit, hielt aber nicht an. Beim Einfahren in die Kreuzung übersah er den PKW des Klägers. Der Kläger stand mit seinem PKW 13 Sekunden lang als erstes Fahrzeug an der roten Ampel. Als die Ampel in seine Fahrtrichtung auf Grün schaltete und er losfuhr, wäre das Folgetonhorn für ihn wahrnehmbar gewesen, das Blaulicht wäre unmittelbar danach als Reflexion erkennbar gewesen. Hätte er innerhalb von 1,2 Sekunden nach dem Losfahren einen Bremsentschluss gefasst, hätte er kollisionsfrei anhalten können. Ob sich im Kreuzungsbereich andere Fahrzeuge befanden, ist nicht feststellbar.

[2] Das Berufungsgericht ging von einer Verschuldensteilung von 1 : 3 zu Gunsten des Klägers aus. Dem Lenker des Einsatzfahrzeuges sei ein gravierender Verstoß gegen § 26 Abs 3 StVO anzulasten. Dem Kläger könne zwar kein Verstoß gegen § 26 Abs 5 StVO zum Vorwurf gemacht werden, allerdings sei ihm ein nicht gänzlich zu vernachlässigender Aufmerksamkeitsfehler anzulasten.

[3] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass im Hinblick auf die Entscheidung 2 Ob 87/24v auch eine andere Lösung in Betracht komme.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] 1. Dass den Lenker des Einsatzfahrzeugs, der bei rotem Licht ohne vorheriges Anhalten in die Kreuzung einfuhr (vgl RS0075097), wegen Verstoßes gegen § 26 Abs 3 Satz 2 StVO das weit überwiegende Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls trifft, ist im Revisionsverfahren kein Streitpunkt mehr.

[6] 2. Nach § 26 Abs 5 StVO haben alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Einen Verstoß gegen diese Bestimmung hat das Berufungsgericht dem Kläger aber ohnehin nicht angelastet (vgl 2 Ob 95/23v Rz 22 mwN).

[7] 3. Dass das Berufungsgericht dem Kläger einen Aufmerksamkeitsfehler zur Last gelegt und diesen mit einem Viertel Mitverschulden gewichtet hat, ist aus folgenden Erwägungen nicht korrekturbedürftig:

[8] 3.1. Gemäß § 38 Abs 4 StVO gilt grünes Licht als Zeichen für „Freie Fahrt“. Grünes Licht bedeutet jedoch kein absolutes Gebot, das Zeichen „Freie Fahrt“ zu befolgen; es befreit den Verkehrsteilnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht von der Verpflichtung, die Verkehrslage zu beobachten und seine Weiterfahrt danach einzurichten (RS0075345).

[9] Das Berufungsgericht ist vertretbar davon ausgegangen, dass die für den Kläger erkennbare Annäherung einesEinsatzfahrzeuges mit aktiviertem Blaulicht und Folgetonhorn im vorliegenden Einzelfall Anlass zum Setzen einer noch möglichen unfallvermeidenden Abwehrmaßnahme gegeben hat, weil das Vertrauen des Klägers auf die Einhaltung der Vorschrift des § 26 Abs 3 StVO durch den Lenker des Einsatzfahrzeuges bereits hinreichend erschüttert war (vgl RS0073173).

[10] 3.2. Das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten kann wegen seiner Einzelfallbezogenheit in aller Regel nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RS0087606). Bei der Aufteilung des Verschuldens entscheiden vor allem der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen und im konkreten Fall (RS0027389; RS0026861). Der dem Kläger nicht korrekturbedürftig angelastete Aufmerksamkeitsfehler tritt nicht derart in den Hintergrund, dass er zur Gänze vernachlässigt werden könnte (vgl RS0027202 [insb T12]).

[11] Einen derart gravierenden Fehler bei der Ausübung des Ermessens zeigt der Kläger nicht auf. Die Vorinstanzen haben nicht korrekturbedürftig bereits aufgrund des einmaligen Tragens des beim Unfall beschädigten Anzugs einen nicht zu vernachlässigenden Abschlag vom Neuwert (Kaufpreis) vorgenommen.

[12] 4. Da die Revision auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.

[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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