OGH 2Ob68/25a

OGH2Ob68/25a29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 1899 geborenen M*, Todestag und letzter Aufenthalt unbekannt, über den Revisionsrekurs des Einschreiters D*, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in Leoben, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 26. Februar 2025, GZ 13 R 166/24w‑22, mit dem ein Rekurs des Einschreiters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom 25. Juli 2024, GZ 2 A 238/23x‑18, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00068.25A.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die 1899 geborene Erblasserin war Eigentümerin einer im Sprengel des Erstgerichts gelegenen Liegenschaft, dessen Aneignung der Einschreiter anstrebt.

[2] Im über Anregung des Einschreiters eingeleiteten Verlassenschaftsverfahren wies das Erstgericht einen Antrag der Nachlasskuratorin ab, beschlussmäßig zu bestimmen, dass ob der Liegenschaft die Herrenlosigkeit im Grundbuch angemerkt werden könne.

[3] Das Rekursgericht wies einen dagegen gerichteten Rekurs des Einschreiters zurück. Sein bloß wirtschaftliches Interesse an einer Aneignung der Liegenschaft vermittle ihm keine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zur Frage der Parteistellung zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs des Einschreiters ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RS0107859) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[5] 1. § 62 AußStrG erfasst als „Revisionsrekurs“ alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Parteistellung (RS0120565 [T23, T24]). Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wirft der Revisionsrekurs aber nicht auf.

[6] 2. Zur Klarstellung ist zunächst die Rechtslage zur Preisgabe und Aneignung von Liegenschaften darzulegen:

[7] 2.1. Die Möglichkeit der Preisgabe besteht nach ständiger Rechtsprechung auch bei unbeweglichen Sachen (RS0110725). Sie ist eine Willensbetätigung und setzt voraus, dass der Wille zur Aufgabe des Eigentums aus dem verwirklichten äußeren Tatbestand zu erschließen ist. Dazu bedarf es eines von außen erkennbaren Akts der Dereliktion (6 Ob 230/21y Rz 7 mwN). Bei verbücherten Liegenschaften muss die Preisgabe des Eigentums überdies im öffentlichen Buch eingetragen werden (RS0110726 [T1]). Solange dies – wie hier – nicht geschieht, bleibt der Eingetragene Eigentümer (RS0110726 [T2]).

[8] 2.2. Bei Bestehen einer Kuratel könnte sich (nur) der Kurator (als Vertreter des Kuranden) des Eigentums einer Liegenschaft mit Wirksamkeit für den Kuranden begeben (4 Ob 37/97p [Verlassenschaftskuratel]; 3 Ob 47/20p [Abwesenheitskuratel]).

[9] 2.3. Eine als herrenlos eingetragene Liegenschaft kann (dann) von jedermann durch Aneignung erworben werden. Eigentümer wird derjenige, dessen Einverleibungsgesuch zuerst beim Grundbuchsgericht einlangt (5 Ob 126/98k). Derjenige, der sich eine herrenlose Sache aneignet, erwirbt die Sache originär und nicht derivativ von einem Vormann.

[10] 3. Auf dieser Grundlage hat das Rekursgericht zutreffend die Parteistellung des Einschreiters verneint.

[11] 3.1. Wer weder Erbe noch Pflichtteilsberechtigter noch Verlassenschaftsgläubiger ist, kann im Abhandlungsverfahren weder als Partei noch als Beteiligter im Sinne des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG angesehen werden (RS0006249; vgl zuletzt zur Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren: 2 Ob 106/24p Rz 6–7).

[12] Nachlassgläubiger haben im Verlassenschaftsverfahren nur insoweit Parteistellung, soweit sie von ihren Rechten nach den §§ 811813 ABGB beziehungsweise § 174 AußStrG Gebrauch machen oder unmittelbar in ihre Gläubigerrechte eingegriffen wird (2 Ob 96/24t Rz 22 mwN). Auch Vertragspartnern des ruhenden Nachlasses kommt im abhandlungsgerichtlichen Vertragsgenehmigungsverfahren keine Parteistellung zu (RS0121672).

[13] 3.2. Ob dem Einschreiter Parteistellung zukommt, kann ausgehend von diesen ohnehin vorhandenen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Parteibegriff des Nachlassverfahrens sowie der Preisgabe und Aneignung gelöst werden, sodass in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird (vgl RS0042656 [T48]). Der einen originären Eigentumserwerb anstrebende Einschreiter ist nicht einmal Gläubiger des Nachlasses. Ein Anspruch auf Preisgabe durch den Nachlass oder auf Aneignung besteht nicht. Weshalb dem Einschreiter eine allfällige Besitzergreifung an der Liegenschaft Parteistellung verschaffen soll, ist nicht nachvollziehbar. Ein unmittelbarer Eingriff in eine rechtlich geschützte Stellung des Einschreiters durch den Beschluss des Erstgerichts ist nicht ersichtlich. Bloß wirtschaftliche Interessen können nach der dargestellten Rechtsprechung keine Parteistellung begründen.

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