European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00063.25K.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 22. 11. 2024 einen gegen den jetzigen Rekurswerber nach § 70 IO von der Republik Österreich (Finanzamt Österreich – Dienststelle *) gestellten Insolvenzeröffnungsantrag ab. In einem Schreiben des Rechtsvertreters des Insolvenzantragsgegners vom 25. 11. 2024 an das Erstgericht wurde Freude über diesen Beschluss ausgedrückt und von einem „Privatkrieg Finanzamt * (Mag. B* K* gegen [Insolvenzantragsgegner])“ gesprochen.
[2] In dem gegen den Beschluss vom 22. 11. 2024 über Rekurs der Insolvenzantragstellerin geführten Rekursverfahren gab der Vorsitzende des zuständigen Rechtsmittelsenats des Oberlandesgerichts Innsbruck, Senatspräsident Mag. *, den Parteien mit am 7. 1. 2025 zugestellter Aktennotiz vom 3. 1. 2025 Umstände bekannt, die womöglich seine Befangenheit begründen könnten: Er kenne den im Verfahren genannten Mag. B* K* insofern, als er in O* wohne und auch Mag. B* K* bis vor etwa 20 Jahren hier gewohnt habe. Dessen Sohn C* K* sei bis etwa zum Jahr 2004 Mitglied der Musikkapelle O* gewesen, bei der auch er selbst musiziere. C* K* wohne seit wenigen Jahren wieder in O* und sei seit etwa dem Jahr 2019 auch wieder Mitglied der Musikkapelle. Mag. B* K* kenne er persönlich nicht näher, es bestünden weder private noch berufliche Kontakte. Er sei ihm vielleicht zweimal begegnet, wobei man einander gegrüßt habe. Ihm sei einzig bekannt, dass Mag. B* K* der Vater von C* K* sei und offenbar beim Finanzamt * arbeite. Ein bekanntschaftliches oder gar freundschaftliches Verhältnis zwischen Mag. B* K* und ihm habe niemals bestanden. Zu dessen Sohn C* K* unterhalte er ein kollegiales freundschaftliches Verhältnis, wie es in einem Musikverein üblich sei. Mit ihm habe er darüber, was etwa sein Vater arbeite oder welche Fälle er behandle, niemals gesprochen. Er fühle sich in keiner Weise in subjektiver oder auch objektiver Hinsicht befangen.
[3] Nachdem der Insolvenzantragsgegner hierauf mit Schriftsatz vom 8. 1. 2025 bekannt gegeben hatte, er habe „nicht den geringsten Zweifel an der Objektivität des Senats und dessen Vorsitzenden Senatspräsident Mag. *“, fasste der Rechtsmittelsenat unter dem Vorsitz des Genannten am 15. 1. 2025 zu 1 R 194/24z den Beschluss, dem Rekurs der Insolvenzantragstellerin Folge zu geben, den erstgerichtlichen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Eröffnung des Konkurses aufzutragen.
[4] Gegen diese Entscheidung erhob der Insolvenzantragsgegner einen – beim Obersten Gerichtshof zu 8 Ob 25/25x registrierten – außerordentlichen Revisionsrekurs und lehnte unter einem Senatspräsident Mag. * aus den von ihm zuvor bekanntgegebenen Gründen sowie auch deshalb ab, weil die Verfahrensführung und die Begründung des Beschlusses vom 15. 1. 2025 die gebotene Unparteilichkeit vermissen lassen würden. Das Rekursgericht weiche auf Basis von Pauschalurteilen und Mutmaßungen von den Ergebnissen des erstinstanzlichen Bescheinigungsverfahrens ab. So verneine es die Abwendung der Zahlungsunfähigkeit durch die beigeschlossenen Ratenvereinbarungen, weil nicht alle Gläubiger erfasst seien bzw nicht zu allen Gläubigern Vorbringen und Belege erstattet worden seien. Es nehme an, dass „zumindest der Rechtsvertreter des Antragsgegners sowie auch der Sachverständige nicht unentgeltlich für den Antragsgegner tätig werden“ würden. Dies entbehre jeder Grundlage, so würde der rechtsfreundliche Vertreter aufgrund jahrelanger Freundschaft den Fall pro bono betreuen. Die Forderung des Sachverständigen sei im Voraus bezahlt worden. Weiters sei die Annahme, dass es eine Differenz zwischen den Angaben im Vermögensverzeichnis und dem Sachverständigengutachten gebe, nicht richtig, weil die Angaben ohne Buchungsunterlagen immer sehr pessimistisch seien. Bloße Mutmaßungen dürften nicht zur Grundlage für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemacht werden.
[5] Senatspräsident Mag. * nahm nach § 22 Abs 2 JN zum Ablehnungsantrag dahin Stellung, dass er im Wesentlichen auf seine vorherige Mitteilung an die Parteien verwies und erklärte, sich nicht befangen zu fühlen und sich bei der gefällten Entscheidung ausschließlich von sachlichen Überlegungen habe leiten lassen.
[6] Der Befangenheitssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck wies mit der angefochtenen Entscheidung den Ablehnungsantrag zurück. Hinsichtlich der zuvor von Senatspräsident Mag. * bekannt gegebenen Gründe habe sich der Insolvenzantragsgegner durch seine Bekanntgabe vom 8. 1. 2025 im Sinne von § 21 Abs 2 JN verschwiegen. Weder eine angebliche Unrichtigkeit der Entscheidung noch allfällige Verfahrensverstöße bildeten grundsätzlich einen Befangenheitsgrund, es sei denn, eine Gedankenführung oder Diktion der Entscheidung lege eine aus unsachlichen Gründen herbeigeführte Hemmung einer unparteiischen Entschließung als Wesen der Befangenheit nahe. Der Rechtsmittelsenat habe in seiner Entscheidung überprüft, ob das Erstgericht zu Recht von einer ausreichenden Gegenbescheinigung der Zahlungsunfähigkeit ausgehen konnte, und sei zum Schluss gekommen, dass nicht alle Verbindlichkeiten des Ablehnungswerbers offengelegt worden seien und der Tilgungsplan hinsichtlich der Einkünfte nicht nachvollziehbar sei. Ob der Rechtsmittelsenat die Überprüfung der Bescheinigung in dieser Weise habe vornehmen dürfen, habe nicht der Befangenheitssenat zu entscheiden. Eine Gedankenführung oder Diktion, die eine Befangenheit des Vorsitzenden auch nur ansatzweise nahelegen könnte, dies auch im Hinblick darauf, dass nicht er, sondern ein anderes Mitglied des Rechtsmittelsenats Berichterstatter gewesen sei, lasse sich der Entscheidung des Rechtsmittelsenats nicht entnehmen.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der – seinem Wortlaut nach wegen Nichtigkeit, wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, seinem Inhalt nach aber nur aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene – Rekurs des Insolvenzantragsgegners mit einem auf Stattgebung seines Befangenheitsantrags abzielenden Abänderungsantrag.
[8] Die Insolvenzantragstellerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Rekurs ist nicht berechtigt.
[10] 1. Der Rekurswerber vertritt die Ansicht, er habe zwischen dem Erhalt der Mitteilung von Senatspräsident Mag. * über dessen Verhältnis zu Mag. B* K* und seinem Befangenheitsantrag weder einen Antrag gestellt noch sich in eine Verhandlung eingelassen und damit sein Recht auf Geltendmachung der Befangenheit aus den von Senatspräsident Mag. * bekanntgegebenen Gründen nicht nach § 21 Abs 2 JN verloren. Seine Bekanntgabe vom 8. 1. 2025 falle nicht unter diese Vorschrift. Zudem enthalte sie lediglich eine allgemeine Aussage zur erwartbaren Objektivität und bestätige in keiner Weise, dass bei Kenntnis etwaiger Ablehnungsgründe auf deren Geltendmachung verzichtet würde. Bei ihr habe es sich auch um keine Prozesshandlung gehandelt.
[11] 1.1. Nach § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, „wenn sie sich bei demselben, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat“.
[12] 1.2. In den Fällen des § 21 Abs 2 JN liegt eine Verschweigung des Ablehnungsrechts vor (8 Ob 21/12i; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO‑Taschenkommentar2 [2025] §§ 21–25 JN Rz 3). Das Ablehnungsrecht ist nach allgemeiner Ansicht zudem – sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt (Ballon in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 [2013] § 21 JN Rz 2) – verzichtbar (RS0046040 [T1]; RS0045982 [T5]). Der Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (idS Ballon in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 [2013] § 21 JN Rz 1, 2 und 5), letzteres beispielsweise durch Rücknahme eines Ablehnungsantrags, was denknotwendig einen Verzicht auf den Ablehnungsanspruch impliziert (8 Ob 21/12i).
[13] 1.3. Die hier vorliegende Erklärung des Insolvenzantragsgegners gegenüber dem Gericht nach Erhalt von dessen Mitteilung über die eine mögliche Befangenheit des vorsitzenden Richters wegen seiner Bekanntschaft zu einer im Akt aufscheinenden Person, er habe nicht den geringsten Zweifel an der Objektivität des Senats und dessen Vorsitzenden, kann nur als Verzicht des Insolvenzantragsgegners verstanden werden, aus den ihm mitgeteilten Umständen eine Befangenheit abzuleiten. Auf die von Senatspräsident Mag. * offengelegte Bekanntschaft kann daher dessen Befangenheit nicht mehr abgeleitet werden.
[14] 2. Der Insolvenzantragsgegner führt für die Befangenheit weiters ins Treffen, dass der abgelehnte Richter mit einem Prokuraturanwalt ein Gespräch geführt habe, was ihm am 21. 1. 2025 bekannt geworden sei. Hiervon ausgehend wäre dies aber nach § 21 Abs 2 JN bereits im mit dem Revisionsrekurs am 3. 2. 2025 gestellten Ablehnungsantrag geltend zu machen gewesen. Die Geltendmachung mit einer am 24. 2. 2025 eingebrachten nachträglichen Eingabe zum Befangenheitsantrag war mithin verspätet. Der Befangenheitssenat ging daher zutreffend auf das (angebliche) Gespräch nicht ein.
[15] 3. Dass dem unter Mitwirkung von Senatspräsident Mag. * am 15. 1. 2025 zu 1 R 194/24z gefassten Beschluss allenfalls anhaftende Rechts- oder Verfahrensfehler keinen Befangenheitsgrund darstellen, wurde bereits eingehend im hier angefochtenen Beschluss dargelegt; auf diese Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden (§ 500a Satz 2 iVm § 526 Abs 3 ZPO). Dass der Beschluss vom 15. 1. 2025, wie im Rekurs behauptet, „grobe Verstöße gegen Verfahrensgesetze sowie völlig haltlose Pauschalurteile“, eine „nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung“ sowie „Mutmaßungen“ enthalte, die so schwerwiegend seien, dass sie eine Ablehnung von Senatspräsident Mag. * rechtfertigten, trifft nicht zu. Es war – wie bereits in der angefochtenen Entscheidung vermerkt – im Übrigen nicht Aufgabe des Befangenheitssenats, gleichsam als Rechtsmittelgericht über die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses vom 15. 1. 2025 abzusprechen. Die betreffenden Ausführungen im Rekurs verfehlen ihr Ziel.
[16] Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
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