OGH 8Ob157/24g

OGH8Ob157/24g25.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* F*, vertreten durch Dr. Peter Schlösser, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde G*, vertreten durch die Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 31.268 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2024, GZ 2 R 122/24i‑77, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00157.24G.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Da das Schadensereignis am 12. 6. 2018 und damit vor dem 30. 4. 2024 eintrat, ist der mit dem HaftRÄG 2024 BGBl I 2024/33 eingeführte § 1319b ABGB auf den Sachverhalt nicht anzuwenden (§ 1503 Abs 25 ABGB).

[2] 2.1. Für die demnach maßgebliche Rechtslage vor dem HaftRÄG 2024 gilt, dass Schäden, die durch das Umstürzen von Bäumen verursacht werden, im Weg der Analogie in den Anwendungsbereich von § 1319 ABGB einzubeziehen sind (RS0029932 [insb T21]; RS0026229). Bei Bäumen liegt der Grund der dadurch verschärften Haftung nicht darin, dass sie (grundsätzlich) als gefährlich angesehen werden, sondern darin, dass aufgrund eines Mangels eine erhöhte Gefährlichkeit besteht, also dann, wenn durch den Zustand eines Baumes von diesem eine besondere Gefahr ausgeht. Diese kann auf einer mechanischen Verletzung des Baumes oder auf einer Krankheit beruhen, unter Umständen aber auch bei einem abnormen Wuchs bestehen (RS0029932 [T36]).

[3] 2.2. Der beklagte Eigentümer hat (auch) im Fall der Schädigung durch das Umstürzen eines Baumes zu behaupten und zu beweisen, dass er alle Vorkehrungen getroffen hat, die vernünftigerweise nach den Umständen von ihm erwartet werden können (RS0030035 [insb T10, T16]). Die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt setzt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Vorhersehbarkeit der drohenden Gefahr voraus (RS0030035 [T12], RS0030204).

[4] Bei der Verkehrssicherheitskontrolle von Bäumen stellt die Ö‑NORM L 1122 den Stand der Technik dar (2 Ob 203/11h; 6 Ob 78/16p; vgl 2 Ob 116/24h).

[5] Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (RS0029991) und begründet daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage.

[6] 2.3. Soweit die Klägerin zur Zulässigkeit der Revision argumentiert, dass zum vorliegenden Fall Rechtsprechung fehle oder diese „zumindest uneinheitlich“ sei, wird dies von ihr nicht begründet. Derartiges ist angesichts der zitierten ständigen Judikatur auch nicht ersichtlich.

[7] 3. Die behauptete Mangelhaftigkeit durch unzureichende Behandlung der Beweisrüge wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[8] 4. Soweit die Revision die Richtigkeit des festgestellten Sachverhalts in Zweifel zieht, ist die Klägerin darauf zu verweisen, dass die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen vor dem Obersten Gerichtshof als reine Rechtsinstanz (RS0123663 [T2]) nicht mehr bekämpft werden kann (vgl RS0042903 [T5, T7, T8, T10]). Die Rechtsrüge ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (RS0043603 [T2, T8]).

[9] 5. Nach den – auch den Obersten Gerichtshof bindenden – Feststellungen war der Umsturz der Fichte am 12. 6. 2018 auf die sehr hohe Windbelastung im Rahmen des Sturmereignisses im Zusammenspiel mit der Fäule im Inneren des Baumes zurückzuführen, die nicht von außen sichtbar war. Die an der Fichte durchgeführten Baumkontrollen entsprachen dem jeweiligen Stand der Technik. Die vom Baumkontrollor am 8. 1. 2018 durchgeführte Klangprobe stellte sogar ein besonders sorgfältiges Vorgehen dar, das über die Anforderungen der zum damaligen Zeitpunkt den Stand der Technik widerspiegelnden ÖNORM L 1122 hinausging. Auch die von ihm nach dieser Baumkontrolle empfohlene Frist von sechs Monaten zur Durchführung einer weitergehenden Untersuchung entsprach diesem Stand der Technik, weil keine Symptome festgestellt wurden, die auf ein hohes Risiko für ein Versagen der Bruch‑ und Standsicherheit hinwiesen.

[10] 6. Auch unter Berücksichtigung des konkreten Standorts der Fichte in einem innerstädtischen Park und selbst unter Zugrundelegung der behaupteten Häufung von Sturmereignissen ist auf Basis dieses Sachverhalts die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Beklagte im konkreten Fall die zumutbaren und damit erforderlichen Maßnahmen zur Schadensabwehr gesetzt habe, jedenfalls vertretbar. Insbesondere ist es mangels Erkennbarkeit der vom konkreten Baum ausgehenden Gefahr nicht zu beanstanden, wenn von der Beklagten aufgrund der Baumkontrolle am 8. 1. 2018 keine Maßnahmen wie das Absperren des Bereichs um den Baum gefordert wurden.

[11] Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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