European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00051.25P.0422.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war Abschlussprüferin der Geschäftsjahre 2000 bis 2008 der A* AG und der Geschäftsjahre 2001 bis 2008 der Av* AG. Weiters war sie Prospektkontrollorin des Umtausch‑ und Verkaufsprospekts der Av* AG (damals *) des Jahres 2001. Für das Risiko „Prospektkontrolle“ („PK-Risiko“) schloss die Klägerin bei der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten eine (gesetzliche) Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von 50 Mio ATS (3.633.642 EUR) ab. Für die Tätigkeit als Abschlussprüferin („AP-Risiko“) bestanden zu unterschiedlichen Zeiträumen (gesetzliche) Haftpflichtversicherungen bei der U* AG und der G* AG mit einer Versicherungssumme von gesamt 2.197.634 EUR. Die Beklagte war für dieses Risiko lediglich Exzedentenversicherer.
[2] Die Klägerin nimmt die Beklagte für die – ihr von ihrem Rechtsvertreter in Rechnung gestellten – bezifferten Anwaltskosten für das Risiko „Prospektkontrolle“ im Verhältnis der Versicherungssummen der Beklagten zu allen Versicherungssummen in Anspruch.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte das Endurteil des Erstgerichts, mit dem dieses das Klagebegehren abwies. Über Vorschlag des Rechtsvertreters der Klägerin sei vereinbart worden, die Vertretungshandlungen nach Stundensatzbasis gegenüber den Versicherern abzurechnen. Diese Leistungen seien bereits bezahlt worden.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob es sich bei dem Vorbringen der Beklagten zur Honorarvereinbarung auf Stundensatzbasis um Vorbringen zur Anspruchshöhe handelt, das auch nach Ergehen des Zwischenurteils dem Grunde nach erhoben werden konnte.
[5] 2. Das Zwischenurteil beantwortet die Frage, ob ein Anspruch dem Grunde nach besteht, abschließend. Innerhalb des Rechtsstreits sind daher Gericht und Parteien daran gebunden und dürfen die Frage des Anspruchsgrundes nicht mehr neu aufrollen (RS0040736). Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen aus denen der Anspruch abgeleitet wird, und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (RS0122728; RS0040935 [T15]). § 393 Abs 1 ZPO erlaubt seit der WGN 1989 die Fällung eines Zwischenurteils, auch wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht. Ein Zwischenurteil kann daher auch ergehen, wenn strittig ist, ob der Schaden durch Teilzahlung oder Aufrechnung mit einer Gegenforderung getilgt worden ist (RS0102003 [T4, T8, T15]). Anspruchsvernichtende Tatsachen können daher auch erst im Betragsverfahren erhoben werden und berühren die Fällung eines Zwischenurteils nicht. Dieses ergeht daher vorbehaltlich der Entscheidung über die Sacheinreden zum Betragsverfahren (7 Ob 153/14x mwN). So kann ein Zwischenurteil trotz Einwendung einer Gegenforderung erlassen werden (RS0040935 [T6, T11, T12]; RS0102003 [T4, T8]).
[6] 3. Im vorliegenden Fall bestätigte der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung 7 Ob 125/22s das vom Berufungsgericht gefällte Zwischenurteil dem Grunde nach. Die Klage wurde als schlüssig beurteilt. Weiters wurde vor dem Hintergrund, dass die Geschädigten in allen Verfahren ihre Ansprüche auf die Haftung der Klägerin als Abschlussprüferin und als Prospektkontrollorin gegründet hatten, die (strittige) Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach bejaht, der Klägerin als Solidarschuldnerin Versicherungsschutz für die Abwehrkosten in sämtlichen gegen die Klägerin geführten Verfahren zu gewähren. Im Übrigen wurde die Verjährung des Honoraranspruchs des Rechtsvertreters gegenüber der Klägerin verneint. Hingegen wurde – mangels damals ausreichendem Tatsachenvorbringen der Beklagten – die Frage des Vorliegens einer Stundensatzvereinbarung und ihrdaraufgegründeter Einwand, ihr gegenüber sei die Verjährung des Honoraranspruchs des Rechtsvertreters der Klägerin selbständig eingetreten, nicht geprüft.
[7] 3.1. Entgegen der Ansicht der Klägerin wurde damit die Einwendung einer Stundensatzvereinbarung nicht grundsätzlich zu Ungunsten der Beklagten abschließend erledigt, sondern lediglich die Frage deren Relevanz im Hinblick auf die den Grund des Anspruchs betreffende Verjährung nicht weiter behandelt. Die Verneinung einer entsprechenden (innerprozessualen) Bindungswirkung durch die Vorinstanzen ist nicht korrekturbedürftig.
[8] 3.2. Die Vorinstanzen gingen weiters davon aus, dass das Vorbringen zu einer Stundensatzvereinbarung, das heißt, ob die Beklagte die Abwehrkosten nach Stundensatz oder nach RATG zu decken habe, die Anspruchshöhe betreffe, dem das Zwischenurteil dem Grunde nach nicht entgegenstehe. Dieses Vorbringen habe vielmehr im Betragsverfahren noch erhoben und geprüft werden können, weshalb der Umstand, dass diesbezüglich vor Ergehen des Zwischenurteils noch kein ausreichendes Tatsachenvorbringen vorgelegen sei, nicht schade. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.
[9] 3.3. Damit sind die Feststellungen des Erstgerichts – entgegen der Ansicht der Klägerin – vom Vorbringen der Beklagten gedeckt, es liegen keine überschießenden Feststellungen vor (RS0037972). Auch die geltend gemachte Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sind nicht gegeben.
[10] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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