European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00062.25F.0422.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterbringungs- und Heimaufenthaltsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der erstgerichtliche Beschluss wurde vom Rekursgericht teils bestätigt, teils abgeändert und teils aufgehoben. Aus der Revisionsrekurserklärung und dem Revisionsrekursantrag folgt, dass sich der Revisionsrekurs gegen die Rekursentscheidung ausschließlich insoweit wendet, als die Anträge vom 12. 7. 2022 auf nachträgliche Unzulässigerklärung 1. der Beschränkung der Patientin am 9. 10. 2006 von 12:00 Uhr bis 21:00 Uhr sowie am 10. 10. 2006 von 2:30 Uhr bis 8:40 Uhr im psychiatrischen Intensivbett (Netzbett) und 2. des Belassens des auf der Längsseite geöffneten psychiatrischen Intensivbettes (Netzbettes) nach dem 10. 10. 2006 (8:40 Uhr bis zur Entlassung am 23. 10. 2004) abgewiesen wurden. Im darüber hinaus gehenden Umfang blieb die Rekursentscheidung unbekämpft.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig.
[3] 1. Auf den vorliegenden Fall gelangt § 33 UbG in der Fassung BGBl Nr 155/1990 zur Anwendung. Gemäß § 33 Abs 1 UbG sind Beschränkungen des Kranken nur insoweit zulässig, als sie im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 leg cit sowie zur ärztlichen Behandlung oder Betreuung unerlässlich sind und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Im Allgemeinen darf die Bewegungsfreiheit des Kranken nur auf mehrere Räume oder bestimmte räumliche Bereiche beschränkt werden (Abs 2). Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes sind vom behandelnden Arzt jeweils besonders anzuordnen, in der Krankengeschichte unter Angabe des Grundes zu beurkunden und unverzüglich dem Vertreter der Kranken mitzuteilen. Auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters hat das Gericht über die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung unverzüglich zu entscheiden (Abs 3).
[4] Neben jener Beschränkung der Bewegungsfreiheit, welcher der Kranke bereits durch seine Unterbringung unterworfen ist, finden in psychiatrischen Anstalten noch weitergehende Beschränkungen statt, die den verbleibenden Bewegungsraum zusätzlich einengen, weshalb das UbG zwischen allgemeinen Beschränkungen, die der Unterbringung begriffsimmanent sind, und Beschränkungen auf einen Raum oder innerhalb des Raumes gemäß § 33 Abs 3 UbG, die besonderen verfahrensrechtlichen Bedingungen unterliegen, unterscheidet. Wann eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit vorliegt, ist anhand der konkreten Verhältnisse der betroffenen Person zu beurteilen. Grundsätzlich liegt eine solche dann vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird, ihren Aufenthalt nach ihrem freien Willen zu verändern; es kommt darauf an, ob der Kranke nach den konkreten Verhältnissen den Bereich, in dem er sich aufhält, aufgrund seiner freien Entscheidung verlassen kann oder nicht (vgl RS0075871; 2 Ob 347/97m).
[5] 2.1 Die Vorinstanzen bejahten im Zusammenhang mit der Anwendung des Netzbettes am 9. 10. und 10. 10. 2006 das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des § 3 Z 1 UbG. Im Rahmen des damaligen Krankheitsbildes (psychische Erkrankung im Sinn eines manischen Zustandsbildes mit wahnhafter Realitätsverbreiterung) habe eine ernste und erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Kranken im Sinn einer vegetativen Erschöpfung mit Störung der Impulskontrolle bestanden, die auch zur Gefährdung anderer geführt habe. Die Unterbringung im Netzbett sei das gelindeste und zweckmäßigste Mittel zur Hintanhaltung vor Stürzen gewesen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rekurswerberin nicht mehr.
[6] 2.2 Im erstgerichtlichen Verfahren wurdedie Vornahme der Meldungen der eben angeführten Beschränkungen an die Patientenanwaltschaft an sich bestritten; ausreichend konkrete Behauptungen, wonach die Meldungen nicht unverzüglich erfolgt sein sollen, wurden hingegen nicht aufgestellt. Daher bedarf es auch keines weiteren Eingehens auf die Frage, ob die festgestellten – am Tag der jeweiligen Beschränkung vorgenommenen (vgl Beilage ./7) – Meldungen nicht ohnedies als unverzüglich anzusehen sind.
[7] 3. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass durch das Belassen des an einer Seite geöffneten Netzbettes ab 10. 10. 2006 keine Beschränkung der körperlichen Freiheit der Patientin erfolgt sei, weil sie dieses jederzeit hätte verlassen können, ist nicht korrekturbedürftig. Dagegen bringt die Revisionsrekurswerberin auch keine stichhaltigen Argumente. Anhaltspunkte dafür, dass ein „Wiederversperren des Bettes“ gedroht habe, bestehen nicht. Inwieweit die Notwendigkeit, sich für Spaziergänge von der Station ab‑ und anzumelden im Zusammenhang mit dem (offenen) Netzbett stehen soll, bleibt überhaupt offen. Die als eigenständige Beschränkung der Bewegungsfreiheit zu beurteilende behauptete Sedierung ist Gegenstand des – infolge Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung – fortzusetzenden Verfahrens.
[8] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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