OGH 3Ob51/25h

OGH3Ob51/25h16.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Pflegschaftssache des 1. mj *, geboren * 2012, und des 2. mj *, geboren * 2014, beide wohnhaft bei der Mutter *, diese vertreten durch Mag. Elisabeth Gerhards, Rechtsanwältin in Wien (Kinderbeistand für beide Minderjährigen gemäß § 104a AußStrG: *), wegen Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters *, vertreten durch die ENGINDENIZ Rechtsanwälte für Immobilienrecht GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2025, GZ 43 R 70/24y‑1442, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00051.25H.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Nach zunächst vorläufiger Aussetzung der persönlichen Kontakte des Vaters zu seinen beiden Kindern mit Beschluss vom 5. 5. 2022 (ON 1100; siehe dazu 3 Ob 174/22t) setzte das Erstgericht– nach Einholung eines Gutachtens darüber, ob beim Vater psychiatrische Erkrankungen oder Störungsbilder bestehen, die sich auf seine Fähigkeit auswirken, seine Kinder deren Interessen entsprechend zu betreuen oder zu erziehen – die Kontakte nunmehr „endgültig“ aus.

[2] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[3] In dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.

[4] 1. Gemäß § 187 Abs 1 Satz 1 ABGB haben das Kind und jeder Elternteil das Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Gemäß § 187 Abs 2 ABGB hat das Gericht nötigenfalls die persönlichen Kontakte einzuschränken oder zu untersagen, insbesondere soweit dies aufgrund der Anwendung von Gewalt gegen das Kind oder eine wichtige Bezugsperson geboten erscheint oder der Elternteil, der mit dem minderjährigen Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, seine Verpflichtung aus § 159 ABGB nicht erfüllt.

[5] Voraussetzung einer Einschränkung oder sogar Untersagung des Kontaktrechts ist nach der Rechtsprechung, dass mit seiner Ausübung eine konkrete Gefährdung der körperlichen oder seelischen Gesundheit des Kindes verbunden ist; demnach müssen schwerwiegende Gründe vorliegen, die zu einer massiven Gefährdung des Kindeswohls führen (vgl RS0047777; Höllwerth in KBB7 [2023] §§ 187–188 ABGB Rz 7 mwH). In einem solchen Konfliktfall hat der Kontaktrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (RS0048068 [T9]). Das Kontaktrecht kann vorübergehend oder bis auf Weiteres (grundsätzlich jedoch nicht für immer) untersagt werden (8 Ob 42/02p; 8 Ob 17/06t; RS0047950 [T10]). Bevor das Gericht ein Kontaktrecht stark einschränkt oder sogar untersagt, sind sämtliche gelindere Mittel auszuschöpfen, die unter Wahrung des Kindeswohls eine Kontaktrechtsausübung ermöglichen sollen, etwa die Einschaltung einer dritten Stelle wie beispielsweise eines Kinderschutzzentrums oder eines Besuchscafés (6 Ob 198/23w [Rz 9]). Für das Zutreffen der Voraussetzungen für die zeitweilige Untersagung des Kontakts sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend (RS0047754 [T11]; 3 Ob 6/21k [Rz 12]).

[6] 2. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, wonach sich der Vater immer wieder narzisstisch, querulatorisch und übermäßig empfindlich verhält, er die Gefühle, Bedürfnisse, Interessen und Wünsche seiner Kinder kaum verstehen und berücksichtigen kann und zudem uneinsichtig und unfähig ist, eine Streitsituation zu deeskalieren sowie Grenzen und Argumente anderer Personen zu akzeptieren, sodass er seine Meinung um jeden Preis durchsetzen will, hält sich die Aussetzung jeglicher Kontakte des Vaters zu seinen beiden Kindern im Rahmen des den Vorinstanzen zukommenden Beurteilungsspielraums. Gelindere Mittel, wie insbesondere Kontakte im Rahmen eines Besuchscafés, wurden versucht, scheiterten aber am eskalativen Verhalten des Vaters. Weitere Versuche bedeuteten nach den Feststellungen eine konkrete Gefährdung des seelischen Wohls der Kinder und hatten damit zu unterbleiben.

[7] Ob das Verhalten des Vaters als „psychische Gewalt“ und – in systematischer Interpretation mit dem weiteren Gewaltbegriff des § 137 Abs 2 Satz 2 ABGB (ErläutRV 2004 BlgNR 24. GP  15) – damit auch als Gewalt im Sinn des § 187 Abs 2 ABGB zu qualifizieren ist (vgl Ondreasova in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 [2022] § 187 ABGB Rz 48 mwH), kann offen bleiben, weil sein Fehlverhalten jedenfalls so schwerwiegend ist, dass es unter die demonstrative Aufzählung des § 187 Abs 2 ABGB fällt.

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