European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00050.25V.0411.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wirdFolgegegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestelltwird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.564,92 EUR (darin 260,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.653,40 EUR (darin 1.526 EUR Barauslagen und 187,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger kaufte 2021 von der Beklagten einen PKW. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss er mit einer Bank einen Leasingvertrag und wurde in weiterer Folge Leasingnehmer dieses Fahrzeugs. Die Beklagte führte 2022 am Klagsfahrzeug eine unsachgemäße Reparatur durch, die 2023 einen Motorschaden verursachte. Wegen der im Leasingvertrag dem Kläger zugeordneten Gefahrtragung ließ dieser das Fahrzeug 2024 bei einem Dritten reparieren.
[2] Der Kläger begehrt den Ersatz der ihm (beim Dritten) entstandenen Reparaturkosten von 23.980,04 EUR sA und – für die Zeit der Nichtbenützbarkeit des Fahrzeugs – den Ersatz für „frustrierte Kosten“ von 1.099,01 EUR sA (Versicherungsprämien) und 11.880 EUR sA (Leasingraten).
[3] Bezüglich des in dritter Instanz noch relevanten Schadenersatzanspruchs für die „frustrierten Leasingkosten“ wandte die Beklagte ein, dass es sich hier um einen nicht ersatzfähigen Schaden handle.
[4] Insoweit das Erstgericht dem Kläger die Reparaturkosten zusprach und die Klage hinsichtlich des für die Versicherungsprämien begehrten Schadenersatzanspruchs abwies, wurde das Ersturteil rechtskräftig. Einen Schadenersatzanspruch wegen der angefallenen Leasingkosten verneinte das Erstgericht. Es wies darauf hin, dass die Leasingkosten finanzielle Auswirkungen auf die Zeit nach dem Leasingablauf (beim Kauf bzw der Rückgabe) hätten, sodass es sich hier nicht um frustrierte Kosten handle. Fiktive Mietwagenkosten stünden nicht zu.
[5] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es der Klage auch hinsichtlich der geltend gemachten frustrierten Leasingkosten stattgab. Die von der jüngeren Rechtsprechung für einen Ersatz frustrierter Aufwendungen entwickelten Voraussetzungen lägen im Anlassfall vor. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage der Ersatzfähigkeit frustrierter Leasingkosten zu, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hier uneinheitlich erscheine.
[6] Die Beklagte bekämpft mit ihrer Revision das Berufungsurteil. Sie strebt hinsichtlich der Leasingkosten die Klagsabweisung an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[7] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Gegenseite mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] Das Rechtsmittel ist zulässig und berechtigt.
A. Zum Ersatzanspruch des Leasingnehmers bei Nutzungsausfall des Leasinggutes:
[9] 1.1 In der jüngeren Rechtsprechung ist geklärt, dass der Leasingnehmer bei Beschädigung des Leasinggegenstands nicht lediglich als mittelbar Geschädigter zu qualifizieren ist (sodass dessen Schaden nur als Drittschaden gilt [idS noch RS0019382]), sondern in einem solchen Fall selbst aktivlegitimiert ist und damit neben dem eigentlichen Substanzschaden (zB Reparaturkosten) auch Nutzungsausfallschäden als unmittelbar Geschädigter geltend machen kann (2 Ob 29/20h, Rz 28 ff [Leasingvertrag]; 10 Ob 27/20y, Rz 17 ff [Mietvertrag]; 2 Ob 172/22s, Rz 18 [Leasingvertrag]; RS0133454; dazu zB Pfeifer, Quid bono Leasingnehmer? ZFR 2021, 269; Pfeifer, Schadenersatzanspruch des Leasingnehmers auf das „Substanzinteresse“?! ZFR 2023, 121).
[10] 1.2 Zu diesen Nutzungsausfallschäden zählen zB Verdienstentgang oder Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug (vgl dazu 2 Ob 29/20h; Pfeifer,ZFR 2023, 121 FN 14 mwN). Dem liegt die maßgebende Erwägung zugrunde, dass der Entfall der Nutzung eine Folge der Beschädigung der Substanz ist und kein Grund für eine Entlastung des Schädigers ersichtlich ist, wenn die Nutzung der Sache aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer einem anderen zugewiesen ist und auf andere Art und Weise als beim Eigentümer erfolgt. Die verletzten Interessen des Leasingnehmers (oder des Mieters) liegen vielmehr im sachlichen Schutzbereich des Verbots von Eigentumsbeeinträchtigungen (2 Ob 29/20h, Rz 32; 10 Ob 27/20y, Rz 21). Bei Annahme eines solchen „frustrierten Aufwands“ läge kein immaterieller Schaden vor (Reischauer in Rummel 3 § 1293 Rz 11).
[11] 2. Kein Nutzungsausfallschaden ist hingegen der immaterielle bloße Entgang der Gebrauchsmöglichkeit (2 Ob 358/67; 9 ObA 2163/96w; 2 Ob 29/20h, Rz 13; RS0038748; RS0010069; Koziol Haftpflichtrecht I4 [2020] Rz B/1/146 ff). Ist kein realer Vermögensschaden – etwa in Form von Aufwendungen für einen Ersatz – entstanden, wird daher keine Entschädigung für die bloße „Gebrauchsentbehrung“ gewährt (RS0038748 [T9]). Der Entgang der Gebrauchsmöglichkeit selbst, ohne dass dadurch Aufwendungen oder Gewinnverluste hervorgerufen werden, wirkt sich nämlich im Vermögen des Eigentümers ebensowenig aus wie in jenem des sonst Gebrauchsberechtigten (Leasingnehmers, Mieters, etc).
Frustrierte Leasingkosten als ersatzfähiger Nutzungsausfallschaden?
[12] 3. Im Anlassfall hat der Kläger das Fahrzeug im beschädigten Zustand nicht benutzt und weder Kosten für ein Ersatzfahrzeug aufgewandt noch einen Verdienstentgang erlitten. Als Schaden macht er ausschließlich die Zahlung der Leasingkosten während des Zeitraums der Unbenützbarkeit geltend. Gegenständlich ist daher zu prüfen, ob der Kläger durch die Zahlung der Leasingraten einen ersatzfähigen Nutzungsausfallschaden als Folge des eigentlichen Substanzschadens erlitten hat oder ob hier ein nicht ersatzfähiger Entgang der Gebrauchsmöglichkeit vorliegt (offenlassend Pfeifer, ZFR 2023, 126 und FN 65).
[13] 4. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 49/19p (ZFR 2019/247 [zust Petermair]) den Standpunkt vertreten, dass frustrierte Leasingraten keine typische Folge eines schadhaften Fahrzeugs sind (die im Allgemeinen dessen Eigentümer trifft) und daher auch nicht ersatzfähig sind. In der älteren Rechtsprechung wurde ein Ersatzanspruch auch deshalb verneint, weil in den Leasingraten nicht zu ersetzende Finanzierungskosten enthalten sind, die für die Bestimmung des Sachwerts unbeachtlich sind (2 Ob 26/93 ZVR 1994/39; 2 Ob 11/96; RS0020852).
[14] 5. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass durch die Zahlung der Leasingraten kein ersatzfähiger Nutzungsausfallschaden als Folge des eigentlichen Substanzschadens (Motorschaden) eingetreten ist.
[15] 6. Als frustrierte Aufwendungen werden im Allgemeinen nur jene Aufwendungen bezeichnet, die durch das Schadensereignis zwar nicht selbst verursacht wurden, durch dieses aber nutzlos geworden sind (RS0125779; Riedler, ZR IV6 Rz 2/19). Dies wurde etwa für den nicht rückerstatteten Reisepreis für einen bereits gebuchten Urlaub bejaht, den eine Verletzte wegen der Folgen eines vom dortigen Beklagten schuldhaft verursachten Unfalls nicht antreten konnte (2 Ob 113/09w) oder für die Kosten eines aufgrund einer verschuldeten Reiseverzögerung entgangenen Urlaubstags (8 Ob 101/10a). In solchen Fällen hatte der Geschädigte Kosten aufgewendet, ohne aufgrund eines ihm zugefügten Schadens daraus einen Nutzen zu ziehen. Ein Ersatz frustrierter Aufwendungen muss aber auf bestimmte, eng umgrenzte Fälle eingeschränkt werden, um nicht die Wertungen des Gesetzes, nach denen ideelle Schäden nur in geringerem Maße zu ersetzen sind, als Vermögensschäden, zu hintergehen und zu einer untragbaren Ausweitung des Ersatzes zu gelangen (RS0022533 [T1]). Daher sind nur jene frustrierten Aufwendungen zu ersetzen, die ganz typischerweise mit der Beschädigung eines Gegenstands verbunden sind (2 Ob 279/77 RZ 1978/122; 8 Ob 27/87; 4 Ob 49/19p; RS0022533; Kodek in Kletečka/Schauer 1.04 § 1293 Rz 34; Koziol, Haftpflichtrecht I4 Rz B/1/162).
[16] 7. Im Bereich der Beschädigung eines Fahrzeugs erachtet die Rechtsprechung die Entrichtung (nur) jener Kosten („Generalunkosten“) als ersatzfähig, die für die Zeit der Unbenützbarkeit des Wagens nutzlos geworden sind. Dazu zählen etwa Steuern, Versicherungsbeiträge oder Garagenkosten (2 Ob 220/64 ZVR 1965/114; 2 Ob 358/67; 8 Ob 27/87; 2 Ob 113/09w; RS0030541; idS auch Karner in KBB7 § 1293 Rz 13; Kodek in Kletečka/Schauer 1.04 § 1293 Rz 33; Reischauer in Rummel 3 § 1293 Rz 11). Gerade beim hier vorliegenden Finanzierungsleasing fallen Leasingkosten auch aufgrund ihres Kaufpreischarakters aber nicht unter frustrierte Kosten (vgl Petermair,ZFR 2019, 572 mwN).
[17] 8. Gegenteiliges stünde im Widerspruch zum Grundsatz, dass für die bloße „Gebrauchsentbehrung“ keine Entschädigung zu gewähren ist (RS0038748 [T9]). Ebenso wie der Käufer keinen Anspruch auf Ersatz des anteiligen Kaufpreises des beschädigten Fahrzeugs hat (etwa als „Nutzungsausfallentschädigung“), weil er dieses eine Zeit lang nicht nutzen konnte, gebührt auch dem Leasingnehmer kein Ersatz für das von ihm entrichtete Leasingentgelt, zumal dieses nach Ende des Leasingvertrags beim Kauf bzw der Rückgabe berücksichtigt wird.
[18] 9. Wegen des zu verneinenden Schadens im Zusammenhang mit der bloßen Gebrauchsentbehrung stellen sich damit auch nicht die vom Kläger in der Revisionsbeantwortung aufgeworfenen Fragen zum Vorteilsausgleich bei Zuwendungen von dritter Seite. Ein solcher Vorteilsausgleich würde den Eintritt eines Schadens voraussetzen.
Zu allenfalls gegenteiligen Entscheidungen:
[19] 10. Der Kläger und das Berufungsgericht haben sich auf die Entscheidung 4 Ob 209/17i bezogen. Dort sprach der Senat knapp aus, dass die Bezifferung einer Gegenforderung hinreichend bestimmt ist, wenn die Partei behauptet, dass die von ihr gezahlten Leasingentgelte in gewissen Zeiträumen mangels Benutzbarkeit des Leasingguts „frustriert“ gewesen seien. Sollte aus dieser (primär die Bezifferbarkeit betreffende) Aussage (auch) abzuleiten sein, dass der Schädiger des Leasingguts dem Leasingnehmer die von diesem (während der Unbenutzbarkeit weiter) entrichteten Leasingraten als Nutzungsausfallschaden zu ersetzen hat, wird das nicht mehr aufrecht erhalten.
[20] 11. Gegen die auf das Leasingentgelt bezogene Klagsabweisung sprechen auch nicht die zu 2 Ob 29/20h und 2 Ob 93/21x entwickelten Grundsätze.
[21] Bei der Entscheidung 2 Ob 29/20h war die Ersatzfähigkeit von Leasingraten nicht verfahrensgegenständlich. Vielmehr lag dort ein Schaden wegen eines Verdienstentgangs des Leasingnehmers vor, der als (ersatzfähiger) Nutzungsausfallschaden zu qualifizieren ist (siehe oben Punkt 1.2).
[22] Die in der Entscheidung 2 Ob 93/21x entwickelten Vorgaben für einen Ersatz von frustrierten Kosten (= Vorliegen einer vermögenswerten Rechtsposition und eines Aufwands für eine zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition) definieren wiederum nicht frustrierte Kosten per se, sondern setzen solche voraus. Im verfahrensgegenständlichen Fall lagen hingegen – wie ausgeführt – keine frustrierten Kosten vor, sodass die in der Entscheidung 2 Ob 93/21x entwickelten Kautelen nicht weiter zu prüfen sind.
[23] 12. Die Klage kann sich auch nicht auf 3 Ob 212/21d stützen, weil dort ebenfalls nicht zu klären war, ob es sich bei Leasingraten um ersatzfähige Aufwendungen handelt. Aus dem bloßen Umstand, dass dort in Rz 12 die (hier nicht mehr geteilte, siehe oben Punkt 10.) Aussage der Entscheidung 4 Ob 209/17i (einleitend) zitiert wird, lässt sich für den Klagsstandpunkt nichts ableiten.
[24] 13. Damit ist der Revision Folge zu geben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
[25] 14. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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