European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00146.24T.0402.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Antragsteller ist Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Gegenstand des Verfahrens ist sein Antrag, ihn als Wohnungseigentümer von Geschäftsräumlichkeiten ohne Balkon bei der Aufteilung der Sanierungskosten für die Balkone auf der Liegenschaft abweichend vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel zur Gänze auszunehmen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag übereinstimmend ab. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 AußStrG auf.
[3] 1. Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen (§ 32 Abs 1 Satz 1 WEG). Sämtliche Wohnungseigentümer können allerdings einen von dieser Regelung abweichenden Aufteilungsschlüssel festlegen (§ 32 Abs 2 WEG).
[4] Bei einer wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit seit einer Vereinbarung nach § 32 Abs 2 WEG oder bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten kann das Gericht den Aufteilungsschlüssel auf Antrag eines Wohnungseigentümers nach billigem Ermessen neu festsetzen (§ 32 Abs 5 WEG). Wenn auf der Liegenschaft mehr als fünfzig Wohnungseigentumsobjekte oder eine gesondert abzurechnende Anlage, wie etwa eine Waschküche, ein Personenaufzug oder eine gemeinsame Wärmeversorgungsanlage, vorhanden sind, kann das Gericht auf Antrag eines Wohnungseigentümers auch eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festsetzen (§ 32 Abs 6 WEG).
[5] Bei der Änderung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels nach § 32 Abs 5 WEG werden einzelne Aufwendungen für die Liegenschaft, für die erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bestehen, nach einer vom gesetzlichen Schlüssel abweichenden Art verteilt. Es hat bei der Abrechnung für alle Miteigentümer der Liegenschaft (unter Angabe des jeweiligen Aufteilungsschlüssels für bestimmte Aufwendungen) zu bleiben. Demgegenüber führt die Festsetzung neuer Abrechnungseinheiten nach § 32 Abs 6 WEG dazu, dass die Abrechnungseinheit Liegenschaft unterteilt wird und innerhalb der Liegenschaft für jede Einheit eigene Abrechnungen zu legen sind und jene Miteigentümer bestimmt werden, die die Aufwendungen für diese Abrechnungseinheit zu tragen haben (5 Ob 107/16w; RS0122484; RS0109167).
[6] 2. Die Änderung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels ist uneingeschränkt für alle Liegenschaftsaufwendungen möglich (5 Ob 107/16w; RS0109167). Zu den Aufwendungen für die Liegenschaft gehört dabei insbesondere alles, was zur Erhaltung und Verbesserung der Liegenschaft oder der darauf errichteten Gebäude und dort befindlichen Anlagen aufgewendet wird, soweit sich diese Aufwendungen auf allgemeine Teile der Liegenschaft oder gemeinschaftliche Anlagen beziehen (5 Ob 107/16w) und nicht gemäß § 16 Abs 7 WEG der Instandhaltungs- und Wartungspflicht des jeweils betroffenen Wohnungseigentümers zuzuordnen sind (5 Ob 75/12h; RS0082856 [T2]; RS0112445 [T5]).
[7] Die gerichtliche Festsetzung des abweichenden Aufteilungsschlüssels ist aber – das ist mit Blick auf die Ausführungen des Antragstellers zu den bereits anerlaufenen Sanierungskosten klarzustellen – erst ab der der Antragstellung nachfolgenden Abrechnungsperiode wirksam (§ 32 Abs 5 Satz 2 WEG). Da es sich dabei um eine rechtsgestaltende Entscheidung des Außerstreitrichters handelt, kann sie nur für die Zukunft getroffen werden (5 Ob 107/16w; RS0083220).
[8] 3. Voraussetzung für die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels nach dem 2. Fall des § 32 Abs 5 WEG ist das – auf die betroffene Aufwendung bezogene – Bestehen erheblich unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten.
[9] Der Antragsteller sieht diese Voraussetzung deshalb verwirklicht, weil er von der Nutzung der Balkone, die den Wohnungseigentumsobjekten der anderen Wohnungseigentümer zugehören, zur Gänze ausgeschlossen ist. Diese Ausgeschlossenheit ist jedoch Konsequenz des Wesens des Wohnungseigentums und nach dem Zweck der Individualantragsrechte nach § 32 Abs 5 und 6 WEG kein Anwendungsfall für einen abweichenden Aufteilungsschlüssel und/oder eine abweichende Abrechnungseinheit.
[10] Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Lie genschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (§ 2 Abs 1 WEG). Dieses ausschließliche Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers umfasst insbesondere auch den dem Wohnungseigentumsobjekt zugeordneten Balkon. Die auf diesen Bestandteil des Hauses im Allgemeinen und des Wohnungseigentumsobjekts im Besonderen entfallenden Aufwendungen fallen gemäß § 16 Abs 7 WEG nur soweit in die Instandhaltungs- und Wartungspflicht des jeweils betroffenen Wohnungseigentümers, als nicht die Voraussetzungen für eine Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG vorliegen.
[11] Das Bestehen „unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten“ an den den jeweiligen Wohnungseigentumsobjekten zugeordneten Balkonen ist unmittelbare Konsequenz der Begründung von Wohnungseigentum und der damit verbundenen Einräumung eines ausschließlichen Nutzungs‑ und Verfügungsrechts. In Bezug auf alle auf der Liegenschaft errichteten Wohnungseigentumsobjekte und den nur diesen funktionell dienenden Bestandteilen kommen allen Wohnungseigentümern insofern „erheblich unterschiedliche“ Nutzungsmöglichkeiten zu, als alle Wohnungseigentümer die Wohnungseigentumsobjekte der anderen jeweils gar nicht nutzen können. Dieser Umstand ist Folge der Konzeption des Wohnungseigentums und daher nicht als ausnahmsweise „erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit“ im Sinn der Voraussetzungen des § 32 Abs 5 WEG zu qualifizieren. § 32 Abs 1 WEG normiert vielmehr eine liegenschaftsbezogene Aufteilung sämtlicher Aufwendungen und unterscheidet bewusst nicht danach, welchem oder welchen Wohnungseigentumsobjekten diese konkret dienen (vgl 5 Ob 75/12h [Tiefgaragenplätze im Zubehöreigentum]).
[12] 4. Wohnungseigentumsobjekte und deren Bestandteile sind aus diesen Gründen auch keine gesondert abrechenbaren Anlagen im Sinn der Voraussetzungen des § 32 Abs 6 WEG (5 Ob 176/14i; RS0069987 [T20]; RS0083204 [T3]). Der Antrag ist hier zwar bloß darauf gerichtet, den Antragsteller bzw jene Wohnungseigentümer, deren Wohnungseigentumsobjekte über keinen Balkon verfügen, von den (künftigen) Aufwendungen für die Sanierung der Balkone der anderen Wohnungseigentümer zu befreien. Die Umsetzung dieses Begehrens verlangt aber eine gesonderte Abrechnung für nur einen Teil der Eigentümergemeinschaft und entspricht damit der Festsetzung einer neuen Abrechnungseinheit nach § 32 Abs 6 WEG (vgl 5 Ob 182/08p mit Ausführungen zur Frage der Bindung an das Begehren).
[13] Da die Bildung einer gesonderten Abrechnungseinheit iSd § 32 Abs 6 WEG für die den Wohnungseigentumsobjekten zugehörigen Balkone mangels deren Qualifikation als gesondert abzurechnende Anlage aber schon dem Grunde ausscheidet, bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, wie eine solche auszugestalten wäre.
[14] 5. Zusammengefasst ging das Rekursgericht daher von einem richtigen Verständnis der dem Wohnungseigentümer nach § 32 Abs 5 und 6 WEG eingeräumten Individualantragsrechte und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aus.
[15] Allein der Umstand, dass ein gleichgelagerter (oder ähnlicher) Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt worden sein mag, bedeutet noch nicht, dass eine Rechtsfrage von der im § 62 Abs 1 AußStrG umschriebenen Bedeutung vorliegt. Das gilt insbesondere, wenn – wie hier – der Streitfall anhand des Gesetzes und der von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze gelöst werden kann und gelöst wurde (5 Ob 27/21p [Rz 15] mwN).
[16] 6. Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist daher mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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