OGH 12Os1/25a

OGH12Os1/25a2.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Vogel in der Strafsache gegen * N* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * M* sowie über die Berufung des Angeklagten * N* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2024, GZ 65 Hv 37/24x‑122.7, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00001.25A.0402.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche gegen die Mitangeklagten enthält, wurde * M* je eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./) und nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er mit Gewalt und durch Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) gegen eine Person sowie unter Verwendung einer Waffe anderen eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht (§ 15 StGB), und zwar:

A./ am 5. November 2023 in W* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * N* und einem unbekannten Mittäter (§ 12 StGB), indem sie * I* mehrmals mit einem Zimmermannshammer bedrohten, ihn an Händen und Füßen an einen Sessel fesselten und Spirituosen sowie ein Videoüberwachungsgerät im Wert von insgesamt 946,35 Euro abnötigten;

B./ am 7. Februar 2024 in Wü* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * N*, * B* und * J*, indem sie in das Wohnhaus von A* N* und Dr. M* N* maskiert und bewaffnet mit einem Zimmermannshammer, einer brecheisenähnlichen Metallstange und einem Schraubenzieher durch Aufbrechen der Eingangstüren eindrangen, wobei sie auch eine große Gewebeklebebandrolle mit sich führten, um die anwesenden Opfer zu berauben und zu fesseln, * J* mit der Metallstange auf A* N* einschlug und gemeinsam mit * B* gewaltsam zu Boden brachte, schlug und fixierte und A* N* durch die ausgeübte Gewalt mehrere Rissquetschwunden und Hautabschürfungen sowie eine Lockerung (Luxation) eines Schneidezahns im Unterkiefer erlitt, womit aufgrund des dadurch bedingten Verlustes der Beißfähigkeit für einige Wochen eine Gesundheitsschädigung von mehr als vierundzwanzigtägiger Dauer verbunden war, (§ 84 Abs 1 StGB), wobei Dr. M* N* aufgrund der Schreie der A* N* erwachte und die Täter mit Schüssen aus seinem Revolver in die Flucht schlagen konnte und * J* angeschossen zurückblieb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die gegen den ihn betreffenden Schuldspruch A./ sowie den Strafausspruch gerichtete, auf Z 3, 9 lit a und b sowie 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des * M* ist – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht berechtigt.

[4] In der Rechtsrüge (Z 9 lit b, nominell auch Z 3 und 9 lit a) behauptet der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz nach § 31 Abs 1 EU‑JZG, weil sich der seiner Übergabe zugrundeliegende Europäische Haftbefehl nicht auf das ihm zu A./ angelastete Verhalten bezogen, er selbst nicht auf die Spezialität der Übergabe verzichtet und das rumänische Berufungsgericht („Curtea de Apel“) Timisoara die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls allein wegen des Schuldspruchfaktums B./ erlaubt habe.

[5] Aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 3 StPO ist das Vorbringen schon deshalb unbeachtlich, weil § 31 EU‑JZG keine ausdrückliche Nichtigkeitsandrohung vorsieht (vgl Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.80).

[6] Im Übrigen erklärt die Rüge (Z 9 lit b) nicht, aus welchem Grund die behaupteten Verfahrensergebnisse trotz der Erklärungen Österreichs und Rumäniens (aktuell vom 28. Februar 2020, Nr 6659/20; siehe dazu www.ejn‑crimjust.europa.eu ) betreffend den generellen (wechselseitigen) Verzicht auf die Beachtung der Spezialität weiterer Strafverfolgung gemäß § 27 Abs 1 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl L 2002/190) der Aburteilung auch des dem Angeklagten zu A./ angelasteten Sachverhalts entgegenstehen sollen (vgl Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 31 Rz 52; Zeder, JBl 2011, 535 [Glosse zu 12 Os 178/10h]). Weshalb die Tatrichter angesichts dieser Rechtslage Tatsachenfeststellungen zum Thema „Rezipozität“ hinsichtlich der „Rechtsbeziehungen zwischen Österreich und Rumänien“ treffen hätten müssen, bleibt unerfindlich.

[7] Entgegen den Ausführungen der Generalprokuratur spielt der Umstand, dass der/die Bundesminister/in für Justiz die vorgenannte Erklärung Rumäniens entgegen § 31 Abs 7 EU‑JZG bislang nicht durch Verordnung verlautbart hat (vgl BGBl II 2005/353), keine Rolle. Denn diese Unterlassung des Verordnungsgebers kann den sich bei rahmenbeschlusskonformer Interpretation (EuGH C‑105/03 Pupino;vgl dazu Calliess/Ruffert EUV/AEUV Art 67 AEUV Rz 20 ff) des § 31 Abs 2 Z 7 iVm § 31 Abs 7 EU‑JZG ergebenden Gesetzesinhalt, dass auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes bei (wie hier) vorliegenden gegenseitigen Erklärungen der beteiligten Mitgliedstaaten und nicht dazu im Widerspruch stehender Erklärung der vollstreckenden Justizbehörde verzichtet wird, nicht tangieren. Eine „anderslautende Erklärung“ (vgl § 31 Abs 7 letzter Halbsatz EU‑JZG) hat das Curtea de Apel Timisoara im Übrigen nicht abgegeben, sondern allein darauf verwiesen, dass der Angeklagte „seiner Übergabe an Österreich nicht zustimmt und auch nicht auf seine Rechte nach dem Spezialitätsgrundsatz verzichtet“ (vgl ON 18.114.6 S 3 ff). Auf die Erklärung des Angeklagten kommt es aber nach dem Gesagten nicht an.

[8] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) hat das Erstgericht seine Strafbefugnis durch die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren im Hinblick auf § 39 Abs 1 StGB nicht überschritten. Dass diese Strafrahmenbestimmung im Europäischen Haftbefehl nicht angeführt wurde, ist der weiteren Beschwerde zuwider nicht entscheidend, bildet doch die Tat im Sinn des historischen Sachverhalts den Gegenstand der Übergabe (vgl RIS‑Justiz RS0087147; Hinterhofer in WK2 EU‑JZG § 31 Rz 13 f).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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