European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00004.25G.0401.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – * G* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I) und * P* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
[2] Danach haben am 25. März 2021, 26. Juni 2022 und 27. Juli 2023 in L*
I. G* als mit der Ausstellung von Gutachten nach § 57a KFG 1967 Ermächtigter, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, (dadurch) den Staat „an seinem konkreten Recht auf Ausstellung derartiger Gutachten nur für verkehrstüchtige Fahrzeuge“ (ersichtlich gemeint: auf Ausschluss nicht verkehrs- und betriebssicherer sowie umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte (zu ergänzen: nämlich Gutachten nach § 57a Abs 4 KFG 1967 und Begutachtungsplaketten nach § 57a Abs 5 KFG 1967 auszustellen) vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er für einen im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Pkw (jeweils) einen „positiven Prüfbefund“ ausstellte, obwohl aufgrund der verbauten Downpipe anstelle des erforderlichen Katalysators ein schwerer Mangel vorlag;
II. P* (zu ergänzen: mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Ausschluss nicht verkehrs- und betriebssicherer Fahrzeuge von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu schädigen [US 7]), G* zu den unter I angeführten strafbaren Handlungen bestimmt, indem er ihn zur Ausstellung der (von I erfassten) „positiven § 57a-KFG-Gutachten“ veranlasste, (zu ergänzen) obwohl er wusste, dass G* dadurch wissentlich (vgl zum Erfordernis des zumindest bedingt vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauchs durch den intranen Beamten RIS‑Justiz RS0103984) seine zu I genannte Befugnis missbrauchte (US 6, 15 und 17).
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richten sich die nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G* und die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*.
Zur (nicht ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*:
[4] Da der Angeklagte bei der Anmeldung (ON 22.2, 31) keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnete, war die Nichtigkeitsbeschwerde schon deshalb bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*:
[5] Nach dem Urteilssachverhalt beauftragte (an anderer Stelle auch bestimmte) P*, der „Geschäftsführer“ des Autohauses P* (US 4 f), am 25. März 2021 G* für das hier in Rede stehende Fahrzeug, das zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum des Autohauses P* stand (US 5), ein „positives § 57a KFG‑Gutachten“ auszustellen, obwohl es wegen der darin verbauten „Downpipe“ und des Fehlens eines Katalysators nicht „[b]etriebs- und [v]erkehrstüchtig“ war (US 5). Trotz dieser Mängel erstellte G* nicht nur am 25. März 2021, sondern „[e]ntsprechend der Anweisung“ des P* „im Jahr 2021“ auch am 26. Juni 2022 und 27. Juli 2023 „positive § 57a KFG-Gutachten“ (US 6).
[6] Diese – unter dem Aspekt der Z 5 erster Fall unmissverständlich festgestellte – (einzige) Handlung des P* vom 25. März 2021 beurteilte das Erstgericht rechtlich als ein (einziges) Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (US 2 und 16 f; vgl im Übrigen zu [hier in Bezug auf P* nicht vorliegender] Tatmehrheit RIS‑Justiz RS0121981). Für die P* betreffende Schuld- oder Subsumtionsfrage ist es daher (hier) nicht entscheidend, ob sich sein Auftrag vom 25. März 2021 (entgegen § 57a Abs 4 KFG 1967 die in Rede stehenden Mängel in das Begutachtungsformblatt nicht aufzunehmen) nach dem Bedeutungsgehalt nur auf das Jahr 2021 oder – wie von den Tatrichtern konstatiert (US 6) – auch auf die beiden Folgejahre bezog. Somit verfehlt die Mängelrüge (Z 5 erster und vierter Fall), soweit sie sich gegen letzteres richtet, den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS-Justiz RS0106268, RS0117499).
[7] Die Tatrichter erschlossen die Feststellung über die Auftragserteilung am 25. März 2021 (US 5) aus dem vom Zeugen * N* geschilderten Inhalt eines Gesprächs mit P* im Zuge des Ankaufs des Fahrzeugs im Juni 2022. Danach habe P* im Zusammenhang mit dem Auspuff auf Probleme mit dem Erhalt einer Begutachtungsplakette (§ 57a Abs 5 KFG 1967) hingewiesen und angeraten, deshalb beim Autohaus P* „bzw“ bei der K * GmbH des G* vorstellig zu werden, „weil man dort Bescheid wisse“. Dem sei er nachgekommen und seien die Downpipe und der Katalysator nicht beanstandet worden. Er habe sich „beim Pickerlmachen“ vereinbarungsgemäß als „* mit dem GTI“ vorgestellt und darauf hingewiesen, „dass bei den Abgaswerten etwas nicht passt“, ihm beim Kauf aber zugesagt worden sei, dass er „ein Pickerl bekomme“. Der Werkstattmitarbeiter sei „nicht überrascht“ gewesen und hätte das „einfach so hingenommen“. Er habe bloß „gesagt, dass ich [N*] eigentlich kein Pickerl bekommen würde, aber in diesem Fall schon, weil das beim Kauf so ausgemacht worden“ sei. Vor den jeweiligen Prüfterminen sei das Fahrzeug nicht auf seinen Originalzustand rückgebaut worden (US 12 ff; vgl ON 22.2, 21 ff).
[8] Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert, dass die Erwägungen der Tatrichter nicht „geeignet“ seien, „eine Bestimmung […] zum Ausstellen falscher Gutachten herzustellen“, und eigene Schlussfolgerungen aus der Aussage des Zeugen N* zieht sowie über einen anderen Geschehensablauf spekuliert, zeigt sie keine offenbar unzureichende, also den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechende Begründung (RIS-Justiz RS0118317) auf, sondern bekämpft sie der Sache nach die im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gezogenen Wahrscheinlichkeitsschlüsse des Erstgerichts (RIS‑Justiz RS0098471 [T4]).
[9] Dem weiteren Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, hier also zur Gewissheit (§ 5 Abs 3 StGB) eines (gar nicht erforderlichen [vgl Nordmeyerin WK² StGB § 302 Rz 180, wonach sich die Wissentlichkeit des Bestimmungstäters nur auf den vorsätzlichen Befugnismissbrauch des unmittelbaren Täters beziehen muss]) wissentlichen Befugnisfehlgebrauchs durch G* (US 6, 15 und 17) sowie zum bedingten (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) Rechtsschädigungsvorsatz (US 6 f, 15 f), aus den äußeren Umständen der Tat (US 15) und damit aus dem Auftrag zur Ausstellung positiver Gutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG 1967 in Kenntnis der verbauten Downpipe ohne Katalysator und demzufolge eines schweren Mangels am Fahrzeug (US 5 f), unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882). Im Übrigen stützten sich die Tatrichter – von der Beschwerde übergangen (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370) – auch auf die Expertise des P* als „Geschäftsführer“ des Autohauses P* (US 4, 16).
[10] Indem die Beschwerde unter Hinweis auf eine – vom Erstgericht ohnedies gewürdigte (US 11) – handschriftlich hinzugefügte Stelle im Kaufvertrag, wonach der Kunde (= N*) informiert wurde, „das er für etwaige Umbauten am Fahrzeug selbst verantwortlich ist“ und „diese [e]intragungspflichtig sind“ (ON 2.11, 2), die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite im Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung sieht, übt sie erneut bloß Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung.
[11] Die von der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) genannten Passagen der Aussage des Zeugen N* haben die Tatrichter erörtert (US 12). Dass sie daraus andere Schlüsse zogen als die Beschwerde, stellt keinen Begründungsmangel her (RIS-Justiz RS0099455).
[12] Dass die rechtliche Unterstellung des Auftrags von P* an G* unter § 12 zweiter Fall StGB Festellungen zur „Art und Weise“ der Erteilung sowie – über die Konstatierung, dass er auf Ausstellung eines „positiven § 57a KFG‑Gutachtens“ trotz im Fahrzeug eingebauter Downpipe ohne Katalysator gelautet hat (US 5), hinaus – zu dessen Inhalt erfordere, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5 erster Fall) nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS‑Justiz RS0116565, RS0119884 [T2]; vgl im Übrigen RS0089780, RS0102168).
[13] Indem sie diesen Auftrag generell in Abrede stellt, argumentiert sie nicht auf Basis des Urteilssachverhalts (US 5 f), sodass sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810).
[14] Weiters legt die Rüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5 erster Fall) nicht dar, aus welchen Gründen es für die Frage nach gerichtlicher Strafbarkeit (oder rechtsrichtiger Subsumtion) darauf ankäme, dass der Auftrag des P* vom 25. März 2021 auch die Folgejahre umfasste.
[15] Die nominell aus Z 5 erster Fall erhobene Forderung nach Feststellungen, wie G* seine Mitarbeiter instruiert habe, übergeht den Urteilssachverhalt, wonach G* selbst die Begutachtungen vornahm (US 5 f, 13 f). Im Übrigen ist es für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage nicht von Bedeutung, ob G* – wie von P* intendiert (US 6) – die Tat ausführte, sind doch Versuch (§ 15 StGB) und Vollendung rechtlich gleichwertig (RIS‑Justiz RS0122138; vgl Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 72 f).
[16] Soweit die Beschwerde schließlich Feststellungen zur Wissentlichkeit des P* in Bezug auf den vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch des G* vermisst, übergeht sie die (teils dislozierten) Feststellungen des Erstgerichts, wonach P* wusste, dass G* seine Befugnis, Begutachtungen nach § 57a KFG 1967 vorzunehmen, wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB; vgl zum Erfordernis der Wissentlichkeit in Bezug auf einen bloß bedingt vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis durch den Intraneus erneut RIS-Justiz RS0103984) missbrauchte (US 6, 15 und 17).
[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[18] Voraussetzung für eine Kostenersatzpflicht im Rechtsmittelverfahren (§ 390a StPO) ist – sofern das Rechtsmittelgericht nicht in der Sache selbst erkennt – ein grundsätzlicher Ausspruch derselben nach §§ 389 oder 390 StPO in der erstinstanzlichen Entscheidung. Da das Erstgericht – entgegen § 260 Abs 1 Z 5 und § 389 StPO – den Ausspruch der Kostenersatzpflicht (unbekämpft) unterließ, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, eine Kostenersatzpflicht des Angeklagten nach § 390a StPO auszusprechen (RIS‑Justiz RS0101332; Lendl, WK-StPO § 389 Rz 1 und 4 sowie § 390a Rz 4 und 7).
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