European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00152.24X.0328.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB‑Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516 [T3]). Die bloße Häufigkeit der verwendeten Klauseln allein vermag die Zulässigkeit der Revision hingegen noch nicht zu begründen (RS0121516 [T38]). Wenn die aufgeworfenen Fragen zur Zulässigkeit von Klauseln in AGB bereits durch höchstgerichtliche Entscheidungen geklärt sind, dann werfen unterschiedliche Formulierungen nicht per se eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0121516 [T27]).
[2] 2. Nach der Rechtsprechung sind unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (RS0123499 [T7]).
[3] 2.2. Ob die vom Kläger beanstandeten Formulierungen im gegenständlichen Schreiben überhaupt (zur Gänze) als „Klauseln“, also Vertragsbedingungen zu werten sind, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der Kläger selbst unter dieser Annahme keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.
[4] 3.1. § 80 Abs 2a ElWOG ist nicht und zwar auch dann nicht auf eine unbedingte ordentliche Kündigung anzuwenden, wenn damit ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags zu geänderten Bedingungen verbunden wird (RS0134778; 5 Ob 34/24x; 5 Ob 45/24i). Bei der ordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses handelt es sich schon begrifflich nicht um eine einseitige Änderung der vertraglichen Leistungen (RS0134845).
[5] 3.2. Dies gilt nach gefestigter Judikatur auch für Änderungskündigungen (7 Ob 36/24f; 6 Ob 199/23t; 9 Ob 59/23a), sodass dahingestellt bleiben kann, ob es sich gegenständlich um eine solche oder eine unbedingte Kündigung handelt.
[6] 3.3. Dass es sich bei einer Kündigung, die zum Zweck einer Tarifanpassung durch Abschluss eines neuen Vertrags erfolgt, nicht um eine Umgehung des § 80 Abs 2a ElWOG handelt, ist ebenfalls bereits geklärt (RS0134778; 3 Ob 7/24m; 5 Ob 34/24x; 5 Ob 45/24i; 3 Ob 238/23f; 3 Ob 243/23s; 3 Ob 10/24b; 9 Ob 2/24w; 9 Ob 3/24t; 8 Ob 7/24y; 8 Ob 12/24h; 1 Ob 4/24f).
[7] 4.1. Warum diese gesicherte Rechtsprechung nicht auf den gegenständlichen Fall übertragbar sein soll, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar: Welche Bedeutung dem Umstand beigemessen werden soll, dass es sich bei der Beklagten um den „lokalen, langjährigen und im ländlichen Bereich“ (vgl aber das Vorbringen in der Klage, wonach die Beklagte ihre Leistungen schwerpunktmäßig in einer Großstadt anbietet) tätigen Energieanbieter handle, erschließt sich dem Senat nicht. Ebenso wenig kann es auf das Ausmaß oder die sachliche Rechtfertigung der mit dem neuen Vertrag verbundenen Tarifanhebung ankommen.
[8] 4.2. Art 7 Abs 1 KlauselRL (Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen) setzt eine missbräuchliche Vertragsklausel voraus, sodass aus dieser Bestimmung für die Frage, ob eine solche Klausel vorliegt, nichts zu gewinnen ist. ErwGr 22 EBRL 2019 (Richtlinie [EU] 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU ) betrifft gemeinwirtschaftliche Leistungen und damit nicht den Gegenstand des Verfahrens. Die unionsrechtliche Argumentation der Revision geht daher insgesamt an der Sache vorbei.
[9] 5.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich im Rahmen der oben (ErwGr 3) erwähnten Rechtsprechung auch regelmäßig mit Formulierungen befasst, die jener des gegenständlichen Schreibens der Beklagten ähnlich waren. Ob dabei die Wendung „rechtlich notwendig“ (wie hier) oder „Aus rechtlichen Gründen […] nicht anders möglich“ (3 Ob 7/24m; 5 Ob 34/24x; 5 Ob 45/24i; 3 Ob 238/23f; 3 Ob 243/23s; 3 Ob 10/24b; 9 Ob 2/24w; 9 Ob 3/24t; 8 Ob 7/24y; 8 Ob 12/24h; 1 Ob 4/24f) verwendet wurde, kann keinen Unterschied machen.
[10] Selbst wenn man die inkriminierte Textpassage als Klausel qualifizierte (vgl ErwGr 2.2.), könnte sie – auch im Zusammenhang mit dem weiteren Inhalt des Schreibens gelesen – nur dahin verstanden werden, dass für den Wechsel auf den neuen Vertrag die genannten Schritte erforderlich sind; die Wertung, dass sie nicht intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG ist, ist damit jedenfalls von der Judikatur gedeckt.
[11] 5.2. Einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB leitet auch die Revision nur aus dem Abweichen von § 80 Abs 2a ElWOG ab. Diese Bestimmung ist jedoch – wie dargelegt – nicht anwendbar, sodass auch die Bezugnahme auf § 879 Abs 3 ABGB ins Leere geht.
[12] 6. Da eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt wird, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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