European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00017.24V.0328.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Revision der erstbeklagten Partei wird Folge gegeben. In Ansehung der erstbeklagten Partei wird das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich ihres im Umfang der Abweisung eines Zinsenteilbegehrens als unangefochten unberührt bleibenden Teiles wie folgt lautet:
„Das Klagebegehren,
- der zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei abgeschlossene Kaufvertrag vom 21. 10. 2016 über den Ankauf eines S*, FahrgestellNr: *, um 35.500 EUR sei ex tunc aufgehoben, und
- die erstbeklagte Partei sei zur ungeteilten Hand mit der zweitbeklagten Partei schuldig, der klagenden Partei 24.562,45 EUR sowie 4 % Zinsen pa aus 35.500 EUR seit 24. 10. 2016 Zug um Zug gegen Rückgabe des KFZ, S*, FahrgestellNr: *, zu zahlen,
sowie die Eventualbegehren,
- die erstbeklagte Partei sei zur ungeteilten Hand mit der zweitbeklagten Partei schuldig, der klagenden Partei 10.000 EUR samt 4 % Zinsen pa zu zahlen,
- es werde mit Wirkung zwischen der klagenden und der erstbeklagten Partei festgestellt, sie hafte zur ungeteilten Hand mit der zweitbeklagten Partei für jeden Schaden, welcher der klagenden Partei aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung und dem Softwareupdate vom 10. 2. 2017 zukünftig entstehe,
werden abgewiesen.“
II. Die Revision der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.
III. Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 10.718,66 EUR (darin 1.534,82 EUR USt und 1.509,75 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.156 EUR (darin 1.778,09 EUR USt und 2.487,45 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
und
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb am 21. 10. 2016 von der Erstbeklagten – einer in Österreich ansässigen Fahrzeughändlerin – um 35.500 EUR einen gebrauchten, nicht von der in Deutschland ansässigen Zweitbeklagten hergestellten, am 26. 6. 2015 erstmals zum Verkehr zugelassenen Personenkraftwagen der Marke S*, Type *, mit einem Kilometerstand von damals 12.401 km. In diesem Wagen (künftig auch: Klagsfahrzeug) ist ein von der Zweitbeklagten hergestellter 2,0 l‑Dieselmotor des Typs EA189 mit einer Leistung von 103 kW (140 PS) verbaut. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und 6) und über den Zugang zu Reparatur‑ und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG ).
[2] Dem Kläger wurde beim Kauf ein mit 21. 10. 2016 datiertes Schreiben übergeben, welches von ihm und firmenmäßig von der Erstbeklagten unterzeichnet wurde; es hatte folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrte/r Herr *,
wir freuen uns, dass sie sich mit dem Kauf dieses Fahrzeugs, […], für die Marke V* entschieden haben.
Wir möchten sie darüber informieren, dass der in ihrem Fahrzeug eingebaute Dieselmotor vom Typ EA 189 von einer Software betroffen ist, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) optimiert. Ich möchte Ihnen versichern, dass die technischen Folgen ausschließlich den Schadstoffausstoß betreffen. Ihr Fahrzeug ist technisch sicher und fahrbereit!
V* arbeitet mit Hochdruck an einer technischen Lösung. V* übernimmt selbstverständlich die Kosten für alle notwendigen Maßnahmen.
Wir werden schnellstmöglich auf Sie zukommen, um sie über die notwendigen Maßnahmen zu informieren.
Der Käufer akzeptiert die zuvor genannten Feststellungen und Regelungen.“
[3] Das Klagsfahrzeug verfügte ursprünglich über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Umschaltlogik, bei der die Software erkannte, ob das Fahrzeug einen Prüfzyklus durchfährt, und für diesen die Abgasrückführung durch Umschalten auf einen anderen Betriebsmodus dann deutlich erhöht wurde. Vor und nach Oktober 2016 wurden die Halter betroffener Fahrzeuge vom jeweiligen Großhändler bzw Generalimporteur ihrer Automarken aufgefordert, diese zum auf Kosten des Fahrzeugherstellers erfolgenden Aufspielen eines Software‑Updates in die Werkstätten zu bringen. Die Umschaltlogik am Klagsfahrzeug wurde durch ein von der Zweitbeklagten als Lösung der Probleme bzw zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands bereitgestelltes, von einer nicht am Verfahren beteiligten S*‑Werkstätte am 10. 2. 2017 auf Kosten der Zweitbeklagten durchgeführtes Software‑Update beseitigt. Auch nach dem Update weist das Klagsfahrzeug aber ein Thermofenster auf, wodurch die Abgasrückführung unter +15° C und über +33° C Außentemperatur reduziert wird.
[4] Das vom Kläger nach wie vor benützte Klagsfahrzeug konnte seit Erstzulassung uneingeschränkt betriebs- und verkehrssicher betrieben werden; es hatte seit der Verkehrszulassung ständig eine gültige EU‑Typengenehmigung. Der Kläger fuhr mit dem Klagsfahrzeug in ca sieben Jahren etwa 73.200 km, das sind etwa 10.500 km pro Jahr; es kann bzw wird höchstens 250.000 km Laufleistung erreichen.
[5] Der Kläger hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn der Entzug dessen Typengenehmigung gedroht hätte oder im Raum gestanden wäre.
[6] Der Kläger begehrte am 28. 4. 2020 von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückzahlung des Kaufpreises, zuletzt abzüglich eines Benützungsentgelts von 10.937,55 EUR für 73.200 gefahrene Kilometer, Zug um Zug gegen Rückgabe des Klagsfahrzeugs. Dem Kläger sei listig verschwiegen worden, ein vom „Abgasskandal“ betroffenes Fahrzeug zu kaufen; hätte er dies gewusst, hätte er das Klagsfahrzeug nicht gekauft. Die Beklagten hätten rechtswidrig und schuldhaft, absichtlich, arglistig und sittenwidrig gehandelt und hafteten nach § 1295 Abs 2 ABGB und § 874 ABGB. Die Erstbeklagte hafte auch aus den Titeln Gewährleistung und Irrtum; die Zweitbeklagte hafte auch wegen culpa in contrahendo, Verstoßes gegen § 2 UWG und Verletzung von Schutzgesetzen, insbesondere Art 5 VO 715/2007/EG .
[7] Die Beklagten bestritten und wandten Verjährung ein; das Fahrzeug sei nach der Durchführung der vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebenen technischen Maßnahme (Software‑Update) mängelfrei und rechtskonform und habe dem vertraglich Geschuldeten entsprochen. Beide Beklagten seien nicht Fahrzeughersteller. Der Kläger sei beim Kauf über das Vorhandensein der Umschaltlogik aufgeklärt worden, habe nicht geirrt und sei nicht getäuscht worden. Das Klagsfahrzeug sei verkehrssicher, betriebsbereit und gebrauchstauglich. Der Kläger schulde für den Fall der Rückabwicklung Benützungsentgelt von 19.371 EUR, welche dem Klagebegehren compensando entgegengehalten würden.
[8] Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und gab dem Wandlungs‑ und dem Zahlungsbegehren gegen beide Beklagte zur ungeteilten Hand in der Hauptsache – unter unbekämpft gebliebener Abweisung eines Teiles des Zinsenbegehrens – statt.
[9] Das Berufungsgerichtgab der Berufung beiderBeklagten nicht Folge. Diese hätten die vertragliche Zusicherung der Beseitigung des ursprünglichen Mangels der Umschaltlogik nicht eingehalten. Durch diese Zusicherung sei ein stillschweigendes Hinausschieben des Beginns der Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Gewährleistung für den hier gegebenen Sachmangel vereinbart. Gewährleistungsansprüche gegen die Erstbeklagte seien nicht verjährt und zufolge Scheiterns des Verbesserungsversuchs auch berechtigt. Die Zweitbeklagte sei nicht Fahrzeugherstellerin und hafte als Motorenherstellerin nur nach §§ 1295 Abs 2, 874 f ABGB. Es stehe mangels substanziierter Bestreitung des Klagsvorbringens aufgrund schlüssigen Tatsachengeständnisses der Zweitbeklagten fest, dass sie die Abgasmanipulationen vorsätzlich getätigt und zunächst verschwiegen habe. Auf Verjährung der Schadenersatzansprüche gegen die Zweitbeklagte könne sich diese nicht berufen, da das Scheitern der zugesagten Sanierung des Mangels durch das Update frühestens 2019 publik geworden sei.
[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil hinsichtlich der Differenzierung zwischen Sach‑ und Rechtsmangel bei der Verjährungsfrist noch keine gesicherte Rechtsprechung vorliege und sich aus der Entscheidung 6 Ob 160/21d allenfalls ein gegenteiliger Standpunkt im Bereich der Verjährung ergeben könnte.
[11] Dagegen richtet sich die Revision beider Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist in Ansehung der Erstbeklagten zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und auch berechtigt. Die Revision der Zweitbeklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist daher zurückzuweisen.
[14] 1.1. Vorauszuschicken ist, dass sowohl die ursprüngliche Umschaltlogik bzw Prüfstanderkennung als auch ein nach dem Update verbliebenes Thermofenster mit einem Temperaturbereich wie hier festgestellt in der Rechtsprechung bereits als Abschalteinrichtungen im Sinne von Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG qualifiziert wurden, die nicht nach dem – hier in Frage kommenden – Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig sind (vgl 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 Rz 55 ff; 10 Ob 16/23k Rz 24; 6 Ob 158/22m Rz 45; uva).
[15] 1.2. Das Vorliegen einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung ist nach gefestigter Rechtsprechung kein Rechtsmangel, solange die Typengenehmigung aufrecht ist und keine behördlichen Nutzungsverbote oder Nutzungsbeschränkungen gegeben sind (10 Ob 36/23a Rz 19 mwN). Hier steht fest, dass keine solchen Verbote oder Einschränkungen vorlagen, sodass das Klagsfahrzeug im Kaufzeitpunkt als mit dem Sachmangel einer unzulässigen Abschalteinrichtung behaftet anzusehen ist (vgl 4 Ob 202/23v Rz 21 f und Rz 39).
2. Zur Haftung der Erstbeklagten:
[16] 2.1.1. Die Revision führt ins Treffen, dass Gewährleistungsansprüche des Klägers verjährt seien. Das Update sei nicht von der Erstbeklagten durchgeführt worden. Die Klage sei mehr als zwei Jahre nach dem Update angebracht worden.
[17] 2.1.2. Grundsätzlich beginnt die Gewährleistungsfrist des – hier aufgrund des vor dem 1. 1. 2022 geschlossenen Kaufvertrags anwendbaren – § 933 ABGB idF vor dem GRUG, BGBl I 2021/175 (§ 1503 Abs 20 ABGB, § 29 Abs 2 VGG), bei Sachmängeln mit der Ablieferung der Sache (körperlichen Übergabe) zu laufen; deren Beginn wird nicht dadurch hinausgeschoben, dass im angegebenen Zeitpunkt der Ablieferung die Entdeckung des Mangels noch nicht möglich war (RS0018982; RS0018937).
[18] Abweichend davon wird der Fristbeginn bei ausdrücklicher Zusicherung bestimmter Eigenschaften, deren Nichtvorliegen erst in späterer Zeit erkannt wird, auf den Zeitpunkt der Mangelerkennbarkeit hinausgeschoben (RS0018982 [T10, T11]; RS0018909).
[19] Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0018547 [T6]). Dies kann letztlich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl 7 Ob 24/21m Rz 1). Nach der Rechtsprechung ist das Fehlen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach der unionsrechtlichen Beurteilung grundsätzlich (ohne besondere Vertragsklausel und ohne besonderes Erklärungsverhalten) eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft, nicht aber notwendigerweise eine zugesicherte Eigenschaft (9 Ob 96/24v Rz 16 mwN).
[20] Nach § 1497 ABGB wird die Verjährung aber unter anderem dann unterbrochen, „wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit [...] ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des Andern anerkannt hat“. Ein Käufer, der in Kenntnis der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom „Dieselskandal“ ist und der in diesem Zusammenhang aufgefordert wird, wegen einer Rückrufaktion sein Fahrzeug für ein Software‑Update in die Werkstätte zu bringen, muss dies typischerweise dahin verstehen, dass der Verstoß gegen die geltenden Abgasvorschriften behoben, also sein Auto diesen fortan entsprechen wird (8 Ob 40/23z). Macht daher ein Verkäufer oder Werkunternehmer eine Verbesserungszusage oder nimmt er die Verbesserung (sei es erfolgreich oder erfolglos) tatsächlich vor, so anerkennt er nach der Rechtsprechung dadurch in der Regel konkludent im Sinne des § 863 ABGB jenen Mangel, der mit der Verbesserung – nach dem Eindruck eines redlichen Käufers oder Werkbestellers (RS0014205) – beseitigt werden soll, und damit seine diesbezügliche Gewährleistungspflicht (RS0018921 [T7, T8]). Ein solches Anerkenntnis beinhaltet in der Regel den Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede (RS0032386).
[21] 2.1.3. Der Beginn des Laufes der Verjährungsfrist ist von dem zu beweisen, der sich darauf beruft. Die Erstbeklagte hatte daher den Beginn des Fristenlaufs – und damit den durch deren Ablauf bedingten Verjährungseintritt – zu beweisen (5 Ob 184/23d Rz 27).
[22] Das ist ihr hier auch gelungen, denn das Fahrzeug wurde nach den Feststellungen 2016 erworben und das Update wurde am 10. 2. 2017 durchgeführt, sodass die Verjährungsfrist bei Klagserhebung am 28. 4. 2020 bereits längst abgelaufen war.
[23] 2.1.4. Damit oblag dem Kläger die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass eine Unterbrechung der Verjährung durch Anerkenntnis eingetreten ist (RS0034456 [T1]). Er hätte diejenigen Umstände zu behaupten und zu beweisen, die die Annahme eines Anerkenntnisses durch die Erstbeklagte erlaubten (vgl 5 Ob 184/23d Rz 27 f).
[24] Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen, sodass seine Ansprüche aus Gewährleistung gegenüber der Erstbeklagten verjährt sind:
[25] Nach den Feststellungen hat die erstbeklagte Händlerin den Kläger bereits beim Kauf über den in seinem Fahrzeug vorhandenen Prüfstandmodus sowie darüber informiert, dass – obwohl das Klagsfahrzeug ein S* ist und nicht von der Zweitbeklagten hergestellt wurde – „V*“ mit Hochdruck an einer technischen Lösung arbeite und die Kosten für alle notwendigen Maßnahmen übernehme; „wir werden schnellstmöglich auf Sie [= den Kläger] zukommen, um [S]ie über die notwendigen Maßnahmen zu informieren“.
[26] Dies ist nicht dahin zu verstehen, dass die Erstbeklagte damit eine Verbesserung (ein Anbot) in eigenem Namen oder in ihrer Rolle als Verkäuferin zusagte; vielmehr verwies sie darauf, dass – erkennbar – die Zweitbeklagte als (hier: Motor‑)Herstellerin sich dieses Umstands annehmen werde. In der Folge hat auch nicht die Erstbeklagte das Software‑Update am Klagsfahrzeug und damit einen Verbesserungsversuch vorgenommen, sondern der Kläger ließ dies in einer anderen Autowerkstätte durchführen.
[27] Unabhängig davon, dass das von der Zweitbeklagten angebotene Software‑Update nicht geeignet war, den Mangel zu beseitigen (vgl schon 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 Rz 36), fehlt es damit an einem Verhalten, aus dem darauf geschlossen werden könnte, dass die Erstbeklagte als Vertragspartnerin des Klägers eine bestimmte Eigenschaft des Fahrzeugs zugesichert oder ihre Verpflichtung zur Verbesserung anerkannt und damit auf die Einrede der Verjährung verzichtet hätte (vgl 5 Ob 184/23d Rz 23 ff). Es steht auch nicht fest, dass eine schriftliche Aufforderung an den Kläger, das Software‑Update durchführen zu lassen, mit Bezug auf die erstbeklagte Händlerin als Vertragspartnerin des Verkaufs ergangen wäre. Damit rechtfertigt auch die Entwicklung und Bereitstellung des Software-Updates durch die Zweitbeklagte nicht die Annahme, dass sie damit Pflichten der Erstbeklagten als Gewährleistungsschuldnerin im Sinn eines ihr zurechenbaren Anerkenntnisses erfüllt hätte (vgl 6 Ob 158/22m Rz 42 ff; RS0134544). Ebenso wenig bietet der festgestellte Sachverhalt Anhaltspunkte dahin, dass das Klagsfahrzeug zur Durchführung des Updates in Erfüllung von Pflichten der Erstbeklagten als Gewährleistungspflichtige zurückgerufen worden wäre, zumal es den Fahrzeugbesitzern offensichtlich freistand, das Software‑Update auch bei einer dritten Vertragswerkstätte für S*‑Fahrzeuge durchführen zu lassen und der Kläger das Update auch von einem solchen nicht am Verfahren beteiligten Unternehmen durchführen ließ (vgl 5 Ob 184/23d Rz 25).
[28] Diese Umstände stehen der Annahme eines Anerkenntnisses entgegen und halten sich damit im Rahmen der von der Erstbeklagten geltend gemachten Verjährungseinrede, die daher der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen ist (vgl RS0037972 [T9]; RS0036933 [T6]).
[29] 2.1.5. Gegenüber der Erstbeklagten bestehen somit keine Gewährleistungsansprüche.
[30] Damit sinddie anderen vom Kläger in erster Instanz angezogenen Anspruchsgrundlagen zu prüfen.
[31] 2.2. Die Verjährungsfrist für die Vertragsanfechtung wegen Irrtums, wenn sich der andere Teil keiner List schuldig gemacht hat, beträgt nach § 1487 ABGB drei Jahre und beginnt mit dem Vertragsabschluss (RS0034350), und zwar unabhängig davon, wann der Anfechtende seinen Irrtum entdeckt hat bzw dieser aufgeklärt wurde (RS0034419 [T6]).
[32] Ausgehend vom Abschluss des Kaufvertrags am 21. 10. 2016 waren auch Ansprüche des Klägers wegen Irrtums bei Einbringung der Klage am 28. 4. 2020 bereits verjährt.
[33] 2.3.1. Welches listige Verhalten der Erstbeklagten vorzuwerfen wäre, ist weder nach dem Klagsvorbringen noch im Lichte der Feststellungen nachvollziehbar.
[34] 2.3.2. Soweit Ansprüche des Klägers (auch) darauf gestützt wären, dass sich die Erstbeklagte als Verkäuferin eine (allfällig) listige Irreführung durch die Zweitbeklagte zurechnen lassen müsse, wurde dies in der Rechtsprechung sogar bereits dann verneint, wenn es sich bei Letzterer um die Fahrzeugherstellerin handelte: Allein der Verkauf eines Produkts durch einen Vertriebshändler rechtfertigt nicht, davon auszugehen, dass dieser an einer Täuschungshandlung des Produzenten (als Täter) „teilgenommen“ hätte (9 Ob 26/23y Rz 27; 9 Ob 21/22m Rz 31 ff mwH; RS0134519 [T1]; ebenso 2 Ob 137/23w Rz 39; vgl auch 5 Ob 184/23d Rz 14 mwN).
[35] 2.3.3. Dass der Erstbeklagten, die dem Kläger die Informationen über die Nachbesserungsbedürftigkeit des Motors und die Bereitschaft von V* zur Mängelbeseitigung auf eigene Kosten weitergeleitet hat, in diesem Sinne Zweifel an den diesbezüglichen Angaben hätten kommen müssen und sie sich insoferne dem Kläger gegenüber haftbar gemacht hätte, wurde nicht konkret vorgebracht und ist weder den Feststellungen noch sonst den Beweisergebnissen zu entnehmen.
[36] Auch auf § 874 ABGB gestützte Schadenersatzansprüche kommen gegenüber der Erstbeklagten damit nicht in Betracht.
[37] 2.4. Insgesamt ist daher keine Rechtsgrundlage für eine Haftung der Erstbeklagten ersichtlich. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher dahin abzuändern, dass das gegen die Erstbeklagte gerichtete Klagebegehren zur Gänze abzuweisen war (Spruchpunkt I.).
3. Zur Haftung der Zweitbeklagten:
[38] Die Revision der Zweitbeklagten ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[39] 3.1.1. Die Zweitbeklagte bringt in ihrer Revision vor, sie hafte nicht nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB, weil sie nicht arglistig oder sittenwidrig dem Kläger gegenüber gehandelt habe. Dieser habe das Klagsfahrzeug nämlich zu einem Zeitpunkt erworben, zu dem der Abgasskandal bereits publik gewesen sei; er sei zudem beim Kauf ausdrücklich über das Bestehen der Umschaltlogik informiert worden. Die Zweitbeklagte habe damit im Kaufzeitpunkt bereits „alle Karten auf den Tisch gelegt“ gehabt und sich nicht schuldhaft verhalten. Schaden und Schädiger seien dem Kläger im Kaufzeitpunkt bereits bekannt gewesen; Schadenersatzansprüche seien im Hinblick auf die mehr als drei Jahre nach Kauf erfolgte Klage verjährt. Auch bezüglich des Thermofensters liege kein schuldhaftes Verhalten vor, weil das Software‑Update vom Kraftfahrt‑Bundesamt freigegeben und sich die Zweitbeklagte deshalb in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden habe.
[40] 3.1.2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Zweitbeklagte habe mangels substanziierter Bestreitung des Klagsvorbringens schlüssig zugestanden, dass von ihr bzw ihren Repräsentanten die Manipulationen vorsätzlich getätigt und zunächst (auch gegenüber dem Kraftfahrt‑Bundesamt als Genehmigungsbehörde) verschwiegen worden seien (vgl RS0009113; RS0009133; RS0107916; 8 Ob 81/23d Rz 13 ua), wird hingegen in der Revision nicht mehr substanziiert in Frage gestellt.
[41] 3.2.1. Die vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage stellt sich nicht, weil der Oberste Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung auch im Zusammenhang mit deliktischen Schadenersatzansprüchen (gegen die auch hier Zweitbeklagte) davon ausgeht, dass die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1489 erster Satz ABGB für einen Käufer erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem er davon Kenntnis erlangte, dass trotz des Software‑Updates nach wie vor vom Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen ist, weil er davor mit gutem Grund annehmen durfte, dass der aufgetretene Schaden zur Gänze behoben wurde und daher die Geltendmachung weiterer Ansprüche nicht in Betracht komme (RS0034951 [T42]). Die Verneinung der Verjährung durch das Berufungsgericht – weil dem Kläger erstmals im Jahr 2019 das Scheitern der Verbesserung durch das Update bekannt geworden ist – hält sich vertretbar im Rahmen dieser Rechtsprechung.
[42] 3.2.2. Soweit die Revision eventualiter eine Verjährung der Schadenersatzansprüche des Klägers behauptet, weil die Verjährungsfrist ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, somit ab Kaufzeitpunkt zu laufen begonnen habe, entfernt sie sich von dieser gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, ohne sich mit ihr näher auseinanderzusetzen.
[43] 3.3. Auch sonst zeigt die Revision der Zweitbeklagten keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfragen auf.
[44] 3.3.1. List im Sinne des § 870 ABGB ist rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung (RS0014821), wobei dolus eventualis ausreicht (RS0014837; 10 Ob 31/23s Rz 52 ua). Das Verhalten des Täuschenden und damit der Irrtum muss für den Vertragsabschluss kausal sein (RS0014790; RS0014821 [T3]): Der Vertragsschließende wird durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen in Irrtum geführt oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen in seinem Irrtum belassen oder bestärkt und dadurch zum Vertragsabschluss bestimmt (4 Ob 204/23p Rz 40; RS0014827 [T4, T5] ua). Nach § 1295 Abs 2 ABGB ist schadenersatzpflichtig, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt. Auch dafür genügt bedingter Vorsatz (RS0026603; 6 Ob 161/22b Rz 35 ua).
[45] 3.3.2. Hier steht fest, dass der Kläger über den Umstand der zum Kaufzeitpunkt noch bestehenden Beeinflussung des Schadstoffausstoßes informiert wurde und sich dennoch zum Kauf entschlossen hat. Die von der Zweitbeklagten behauptete vollständige Aufklärung des wahren Sachverhalts wurde aber entgegen ihrer Revision dadurch nicht bewirkt. Wie die Revisionsbeantwortung des Klägers zutreffend aufzeigt ist nämlich dem festgestellten Sachverhalt insbesondere nicht zu entnehmen, dass dem Kläger auch offengelegt worden wäre, dass beim Klagsfahrzeug nicht nur rein technische Fragen des Schadstoffausstoßes nachzubessern wären, sondern der Motor und damit das Fahrzeug in der im Kaufzeitpunkt vorliegenden Konfiguration der Typgenehmigung nicht entsprachen und der Entzug der Benützungsbewilligung drohte. Gerade ein solcher drohender oder im Raum stehender Entzug wäre aber nach den Feststellungen für den Kläger ein Grund gewesen, vom Kauf Abstand zu nehmen. Das dem Kläger vorgelegte und von ihm unterfertigte Schreiben ist somit nicht als Grundlage dafür geeignet, dem Kläger zuzusinnen, den Zustand des Fahrzeugs zu akzeptieren; durch das Schreiben wurde demnach die Täuschung bzw Irreführung durch die zweitbeklagte Motorherstellerin, welche der Beurteilung im Revisionsverfahren zugrundezulegen ist, als Grundlage für einen Schadenersatzanspruch nach §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB nicht beseitigt (vgl – zu anderer Sachverhaltsgrundlage – 6 Ob 114/23t).
[46] 3.3.3. Soweit die Revision in Ansehung des Software‑Updates ebenfalls eventualiter einen Verbotsirrtum der Zweitbeklagten ins Spiel bringt, vermag sie auch damit keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Da der Schadenersatzanspruch nach §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB zu bejahen ist, kommt es hier nicht darauf an, ob dem Motorenhersteller gleich einem Fahrzeughersteller ein unvermeidbarer Verbotsirrtum insbesondere im Hinblick darauf zugute käme, dass die für die EG‑Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständige Behörde die eingebaute Abschalteinrichtung tatsächlich genehmigt hat; das zu dieser Frage beim Gerichtshof der Europäischen Union zu C‑666/23 , Volkswagen, vom Landgericht Ravensburg angestrengte Vorabentscheidungsverfahren ist hier nicht präjudiziell. Da die Umschaltlogik im gegenständlichen Motor vorsätzlich implementiert wurde, ist es irrelevant, ob der Zweitbeklagten das weitere Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach dem Software‑Update als Verschulden anzulasten oder ob sie insofern einem unverschuldeten Rechtsirrtum unterlegen wäre (vgl RS0134560; vgl 1 Ob 102/24t Rz 23; 6 Ob 149/23i Rz 16).
[47] 3.3.4. Da die Zweitbeklagte hier bereits nach §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB haftet, kann auch dahingestellt bleiben, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur derjenigen Person oder Stelle eine Verletzung des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zur Last gelegt werden kann, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (RS0134616). Damit ist auch das im Verfahren 22 C 278/20y (22 C 269/20z, 22 C 270/20x) des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien mit Beschluss vom 27. 9. 2024 dem Gerichtshof der Europäischen Union zu C‑751/24 , Gebrüder Weiss, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen (ob auch Handlungen des Motorenherstellers – wie hier der Zweitbeklagten – als vom Schutzzweck der genannten unionsrechtlichen Bestimmungen umfasst wären)hier nicht präjudiziell; die Anregung des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung, dem Gerichtshof der Europäischen Union eine ähnliche Frage vorzulegen, ist daher nicht aufzugreifen.
[48] 3.3.5. Ob ein UWG‑Verstoß als weitere Haftungsgrundlage in Frage kommt, muss hier nicht mehr erörtert werden.
4. Zu den Verfahrenskosten:
[49] 4.1. Der Kläger hat der ihm gegenüber endgültig obsiegenden Erstbeklagten nach § 41 ZPO, im Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO, die Hälfte der von beiden Beklagten gemeinsam verzeichneten Kosten (einschließlich Streitgenossenzuschlags und im Hinblick auf die in Österreich ansässige Erstbeklagte mit 20 % USt) zu ersetzen (9 Ob 55/23p Rz 47; RS0035937; Obermaier, Kostenhandbuch4 [2024] Rz 1.357 mwN).
[50] Nicht zu berücksichtigen waren dabei jedoch Kosten für den dem § 257 Abs 3 ZPO zuwider erstatteten und zufolge Zurückweisung des damit erstatteten Vorbringens und Beweisanbotes auch nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlichen Schriftsatz vom 7. 6. 2023, ON 21. Wofür Fahrtkosten von 4,80 EUR angefallen sein sollten, ist der Kostennote nicht zu entnehmen.
[51] 4.2.1. Im Falle, dass ein Kläger bei zwei von ihm solidarisch in Anspruch genommenen Beklagten nur gegen eine von ihnen obsiegt, hat er gegen die zur Gänze unterlegene (hier: Zweit‑)Beklagte nach neuerer Rechtsprechung (Nachweise bei Obermaier aaO) Anspruch auf Ersatz der vollen (bzw der seinem Obsiegensgrad entsprechenden) Kosten, jedoch ohne Streitgenossenzuschlag.
[52] 4.2.2. Die inhaltlich unbekämpft gebliebene Kostenentscheidung des Erstgerichts sprach dem Kläger gegenüber beiden Beklagten 9.524,08 EUR einschließlich Streitgenossenzuschlag zu (darin 1.131,31 EUR USt und 2.736,19 EUR Pauschalgebühren, diese ebenfalls inklusive 10 % Streitgenossenzuschlag). Unter Abzug der Streitgenossenzuschläge nach RATG (38 % von 984,72 EUR [= 374,19 EUR] und 100 % von 139,52 EUR, insgesamt 513,71 EUR netto) sowie nach GGG (69 % von 360,50 EUR = 248,75 EUR) verbleiben 8.658,88 EUR (darin 1.028,57 EUR USt und 2.487,45 EUR Gerichtsgebühren) an dem Kläger von der Zweitbeklagten bis zur Tagsatzung am 15. 6. 2023 nach § 43 Abs 1 ZPO bzw für diese Tatsatzung nach § 41 ZPO zu ersetzenden erstinstanzlichen Kosten.
[53] 4.2.3. Die vom Kläger für seine Berufungsbeantwortung verzeichneten und ihm vom Berufungsgericht zugesprochenen Kosten gegenüber beiden Beklagten betrugen netto 2.395,65 EUR einschließlich Streitgenossenzuschlag, was netto 2.178,10 EUR ohne Streitgenossenzuschlag entspricht. Die Zweitbeklagte hat daher dem Kläger nach §§ 41, 50 ZPO für das Berufungsverfahren 2.613,72 EUR (darin 435,62 EUR USt) zu ersetzen.
[54] 4.2.4. Die Kostenentscheidung für das Verfahren über die Revision der Zweitbeklagten stützt sich ebenfalls auf §§ 50, 41 ZPO; der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Auch hier war von den für die Revisionsbeantwortung verzeichneten 1.726,19 EUR netto der Streitgenossenzuschlag von 156,69 EUR abzuziehen, was dem Kläger zu ersetzende Kosten von 1.883,40 EUR (darin 313,90 EUR USt) ergibt.
[55] 4.2.5. Im Spruch waren diese Kosten zu addieren.
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