European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080NC00002.25Y.0328.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Akt wird dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurückgestellt.
Begründung:
[1] Der volljährige Antragsteller machte vertreten durch seinen gerichtlichen Erwachsenenvertreter mit Antrag vom 1. 2. 2024 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegenüber der Antragsgegnerin, seiner Adoptivmutter, Kindesunterhalt geltend. Nachdem die Antragsgegnerin vorgebracht hatte, der Antragsteller habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt bereits seit Einbringung des Antrags in 8054 Graz, *, erklärte sich das Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluss vom 11. 12. 2024, ON 24, für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Graz‑Ost. Dieses verweigerte mit Verfügung vom 16. 12. 2024, ON 25, mit dem Bemerken, der Antragsteller halte sich nicht in seinem Gerichtssprengel, sondern in jenem des Bezirksgerichts Graz‑West auf, die Übernahme der Zuständigkeit und ersuchte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, den Akt an das Bezirksgericht Graz‑West zu übertragen. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erklärte sich hierauf mit Beschluss vom 30. 12. 2024 abermals für unzuständig und überwies unter einem den Akt nunmehr an das Bezirksgericht Graz‑West. Dieses verweigerte mit Verfügung vom 8. 1. 2025 unter Hinweis darauf, dass sich der Antragsteller laut aktueller Melderegisterabfrage an der Adresse 1220 Wien, *, befinde, die Übernahme der Zuständigkeit.
[2] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien stellte hierauf (nur) seinen Beschluss vom 30. 12. 2024 den Parteien zu. Nach fruchtlosem Ablauf der Rekursfrist legt es den Akt dem Obersten Gerichtshof „zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit“ vor.
Rechtliche Beurteilung
[3] Diese Aktenvorlage ist verfehlt.
[4] Eine Entscheidung nach § 47 JN für Streitigkeiten zwischen in verschiedenen Oberlandesgerichtssprengeln liegenden Gerichten hat zwar durch den Obersten Gerichtshof – gemäß § 6 OGHG im Fünfrichtersenat (RS0126085) – als einzigem übergeordnetem höherem Gericht zu erfolgen (§ 47 Abs 1 JN). Ein Zuständigkeitsstreit im Sinne des § 47 JN liegt aber nur vor, wenn mehrere Gerichte ihre Zuständigkeit bejaht oder in einer Weise verneint haben, dass die Möglichkeit einer Zuständigkeit eines weiteren Gerichts ausgeschlossen wäre, und diese Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen sind (RS0046374; vgl auch RS0118692; RS0046354). Dies gilt auch in der Konstellation eines vom Adressatgericht nicht akzeptierten Überweisungsbeschlusses nach § 44 JN (RS0046374 [T9]; RS0118692 [T7]; 6 Nc 6/24w [Rz 5]; 8 Nc 10/24y [Rz 7]).
[5] Hier hat bislang nur das Bezirksgericht Innere Stadt Wien rechtskräftig beschlossen, seine Unzuständigkeit auszusprechen (und die Rechtssache dem Bezirksgericht Graz‑West zu überweisen). Es liegt daher derzeit kein vom Obersten Gerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt vor, weshalb der Akt dem vorlegenden Gericht zurückzustellen ist.
[6] Vom Senat wird hier – wie zuletzt auch in 8 Nc 10/24y (Rz 10) – nachdrücklich an die ständige Rechtsprechung erinnert, dass der Überweisungsbeschluss des gemäß § 44 JN überweisenden Gerichts für das Adressatgericht so lange maßgebend bleibt, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird (RS0081664), selbst wenn er unrichtig wäre (vgl RS0046391 [insb T5, T10]). Das Adressatgericht darf seine eigene Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass das überweisende Gericht zuständig sei (RS0046315 [T3]; RS0002439; RS0046391 [insb T11]; RS0081664 [insb T3]). Es darf sich nur mit der Begründung für unzuständig erklären, ein drittes Gericht sei zuständig (10 Ob 56/05s; 2 Nc 5/16g [Pkt 2]). Die Unzuständigkeit ist „durch Beschluss auszusprechen“ (§ 44 Abs 1 JN).
[7] Das Bezirksgericht Graz‑West als Adressatgericht des jüngeren Überweisungsbeschlusses, dem der Akt nunmehr wieder zuzuleiten sein wird, hat von dieser Rechtslage auszugehen.
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