European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00036.25P.0325.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Unionsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu C‑683/24 wird abgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt jedoch über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.
[2] Der Kläger nahm an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen teil und verlor im Zeitraum 17. 11. 2021 bis 1. 2. 2024 insgesamt 30.471,68 EUR.
[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Rückzahlung dieses Verlustes.
Rechtliche Beurteilung
[4] I. Das zu C-683/24 anhängige Vorabentscheidungsersuchen betrifft Auslegungszweifel im Zusammenhang mit Art 45, 46 und 52 EuGVVO 2012 und der „Anerkennungssperre“ Maltas in Bezug auf „Glücksspielurteile“ und damit keine auch hier maßgebliche gemeinschaftliche Rechtsvorschrift. Eine Unterbrechung des Revisionsverfahrens ist daher nicht geboten. Allein der Umstand, dass „Glücksspielurteile“ derzeit in Malta nicht vollstreckt werden, macht die Prozessführung auch nicht aussichtslos (2 Ob 194/24d; 3 Ob 210/24i; 8 Ob 140/24g ua).
[5] II. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Darlegung einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf höchstgerichtliche Rechtsprechung eingehend begründet, warum die vorliegende Zahlungsklage eines Spielers gegen die beklagte – ohne österreichische Konzession tätige – maltesische Online-Glücksspielanbieterin, mit der er den Ersatz seiner Spielverluste anstrebt, nicht am Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO scheitert. Dabei vertrat es die Ansicht, im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen des Klägers überspannte es das Gebot der Präzisierung des Vorbringens, forderte man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen; dennoch sei die Bestimmung der Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils unproblematisch, mache der Kläger doch die Differenz zwischen sämtlichen Ein- und Auszahlungen in einem klar definierten Zeitraum geltend. In der Revision beschränkt sich die Beklagte im Wesentlichen auf die Behauptung, die Klage sei im Sinn des § 226 ZPO unbestimmt. Sie unterlässt es darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig sei. Damit zeigt sie aber schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl 3 Ob 210/24i).
[7] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch den Entscheidungen 5 Ob 506/96 und 10 Ob 2429/96w nicht entnommen werden (zuletzt etwa 2 Ob 194/24d mwN).
[8] 3. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote. Bereits mehrmals wurde vom Obersten Gerichtshof erläutert, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll. Es entspricht daher ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können. Dies gilt im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld ist und ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war, sodass das Argument der Revision, die Rückforderung erfolge wider Treu und Glauben, scheitert (2 Ob 194/24d mwN).
[9] 4. Soweit die Revisionswerberin meint, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht, weil die Spieler sonst einerseits die Einsätze zurückverlangen aber andererseits auf die Auszahlung von Gewinnen vertrauen könnten, lässt sie die mit dem Glücksspielgesetz ebenso verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (8 Ob 21/24g; 2 Ob 194/24d).
[10] 5. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (1 Ob 78/24p; 7 Ob 150/24w; 2 Ob 194/24d ua). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[11] 6. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl etwa die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl 2 Ob 194/24d mwN).
[12] 7. Der behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist nicht zu erkennen.
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