OGH 2Nc13/25x

OGH2Nc13/25x25.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei v*, vertreten durch Mag. Lukas Leszkovics, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 772.775,54 EUR sA, aufgrund der Befangenheitsanzeige der * vom 26. Februar 2025 im Revisionsverfahren zu AZ *, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020NC00013.25X.0325.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit der * in der zu AZ * anhängigen Rechtssache in Zweifel zu ziehen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aufgrund mangelhafter Planungsleistungen geltend. Die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichts, mit dem das überwiegend klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts bestätigt wurde, ist beim * Senat des Obersten Gerichtshofs angefallen.

[2] * ist Mitglied dieses Senats. Sie gibt bekannt, als Mitglied des Berufungssenats bei der Entscheidung über eine Berufung der Beklagten gegen ein Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO beteiligt gewesen zu sein. Eine dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten habe der Oberste Gerichtshof zu * zurückgewiesen. Sie glaube zwar nicht, dass durch ihre Mitwirkung an der Entscheidung über die – rechtskräftig erledigte – Verjährungsfrage der Anschein ihrer Befangenheit bestehe, auch subjektiv fühle sie sich nicht befangen, dennoch zeige sie im Hinblick auf 2 Nc 7/25i ihre Befangenheit an.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Befangenheitsanzeige ist begründet:

[4] 1. Gemäß § 20 Abs 1 Z 5 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen dann ausgeschlossen, wenn sie bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung des „angefochtenen“ Urteils oder Beschlusses teilgenommen haben.

[5] Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, weil * nicht an der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts mitgewirkt hat.

[6] 2. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949). Zu beachten ist jedoch, dass die Vermutung für die Unparteilichkeit des Richters spricht, solange nicht Sachverhalte dargetan werden, die das Gegenteil annehmen lassen (RS0046129 [T1, T2]).

[7] 3. Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer Prozesspartei oder ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RS0045935).

[8] 4. Der Oberste Gerichtshof hat aber schon wiederholt eine Befangenheit auch dann bejaht, wenn eine besondere „Nahebeziehung zur Rechtssache“ insoweit besteht, als ein Richter an einer Entscheidung der Unterinstanzen im Provisorialverfahren mitgewirkt hat und später als Mitglied des Obersten Gerichtshofs über ein Rechtsmittel im Hauptverfahren mitzuentscheiden gehabt hätte. Maßgeblich war jeweils der Umstand, dass sich ein Richter aufgrund seiner vorigen Verfahrensbeteiligung schon eine konkrete Meinung zu jenem Verfahrensgegenstand gebildet hat, der später auch Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof war (vgl 8 Nc 22/17b; 2 Nc 7/25i [jeweils Unterlassungsbegehren im Provisorial- und Hauptverfahren]).

[9] 5. Zwar wird beim Zwischenurteil zur (verneinten) Verjährung nach § 393a ZPO, bei dem die * als Mitglied des Berufungssenats mitgewirkt hat, nur die allfällige (nicht gegebene) Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt und selbstständig im Instanzenzug überprüft (RS0127852). Allerdings hat ein solches nur zu ergehen, wenn zumindest ein schlüssiges Tatsachenvorbringen der klagenden Partei zum Anspruchsgrund vorliegt; andernfalls hätte eine Klageabweisung zu erfolgen (RS0129001). Es liegen daher Umstände vor, die nahe legen, dass sich * zumindest schon insoweit eine konkrete Meinung zur Berechtigung des Klagsanspruchs gebildet haben könnte, als sie das anspruchsbegründende Vorbringen – unterstellt man dessen tatsächliche Richtigkeit und lässt die Einwendungen der Beklagten außer Acht – als ausreichend erachtet hat, der Klage stattgeben zu können. Es reicht daher auch die Beteiligung im Berufungsverfahren über ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO aufgrund der zumindest teilweisen Ähnlichkeit des Verfahrensgegenstands aus, den Anschein der Befangenheit aufgrund einer besonderen Nahebeziehung zur Rechtssache zu begründen.

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