OGH 7Ob40/25w

OGH7Ob40/25w19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Malesich, Dr. Weber, Mag. Fitz und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin K*, geboren * 2003, *, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner L*, vertreten durch Stangl & Ferstl Rechtsanwaltspartnerschaft in Wiener Neustadt, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. November 2024, GZ 48 R 290/24p‑16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 5. September 2024, GZ 29 Fam 46/24i-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00040.25W.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin begehrt von ihrem Vater Unterhalt in Form von Kosten einer Musikschule als Sonderbedarf.

[2] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab, weil die geltend gemachten Kosten keinen Sonderbedarf darstellen würden.

[3] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs – nachträglich – zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob ein Sonderbedarf für Musikunterricht unabhängig vom Vorliegen eines besonderen Talents bei Absolvierung einer gänzlichen anderen Ausbildung dennoch nicht zustehe, keine Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RS0107859) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[5] 1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann grundsätzlich keinen Revisionsrekursgrund bilden (RS0050037). Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen von diesem Grundsatz (vgl RS0043086) liegen im Anlassfall nicht vor.

[6] 2. Erwächst einem unterhaltsberechtigten Kind ein Mehrbedarf, der über den allgemeinen Durchschnittsbedarf („Regelbedarf“) eines gleichaltrigen Kindes in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern hinausgeht, bilden diese Kosten einen Sonderbedarf (RS0109908). Der Sonderbedarf betrifft inhaltlich hauptsächlich die Erhaltung der (gefährdeten) Gesundheit, die Heilung einer Krankheit und die Persönlichkeitsentwicklung (insbesondere Ausbildung, Talentförderung und Erziehung) des Kindes (RS0107180). Der Bedarf muss dabei den Kriterien der Individualität, Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit entsprechen. Eine generelle Aufzählung all dessen, was Sonderbedarf sein kann, ist nicht möglich; maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls (RS0047539 [T8, T10]).

[7] 3. Sonderbedarf kann vorliegen, wenn das Talent des Unterhaltsberechtigten besonders förderungswürdig ist (RS0107180), wobei diese Talentförderung gerade auch mit Blick auf eine berufliche Karriere geschehen soll. Eine solche besondere Förderungswürdigkeit wurde etwa in der Entscheidung zu 4 Ob 242/16s im Fall eines sportlichen Talents bejaht, weil der – dort minderjährige – Unterhaltsberechtigte in den Kader eines Sportverbands aufgenommen wurde und bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen hatte. In der Entscheidung zu 7 Ob 163/09k lag eine besondere Begabung der Antragstellerin vor, der sie im Weg eines Studiums an einer Privatuniversität nachgehen wollte. Im hier zu beurteilenden Fall studiert die mittlerweile 21‑jährige Antragstellerin unstrittig Biologie und besucht daneben eine private Musikschule. Dass sie irgendwelche musikalischen Preise gewonnen hätte, bringt sie selbst nicht vor. Von dem ihr – vom Leiter ihrer Musikschule – schriftlich attestierten Talent sind die Vorinstanzen ohnehin ausgegangen. Die von der Antragstellerin vermisste Feststellung aus dem im Jahr 2020 geführten Pflegschaftsverfahren, wonach „die Minderjährige eine entsprechende Begabung in der Musik aufweist und den Klavier- und Violinunterricht mit großem Fleiß und ausgezeichnetem Erfolg besucht“, würde daher an der rechtlichen Beurteilung nichts ändern.

[8] 4. Aus dem Umstand, dass im Jahr 2020 ein Betrag für den Musikunterricht der damals Minderjährigen als Sonderbedarf zuerkannt wurde und in der Folge vom Unterhaltsberechtigten im selben Jahr auch freiwillig ein solcher Betrag geleistet wurde, bedeutet noch nicht, dass fünf Jahre später ein privater Musikunterricht neben einem damit nicht verwandten Studium weiterhin als Sonderbedarf zu gelten hat. Dass die Zustimmung zum Besuch einer Privatschule eines Minderjährigen Auswirkungen auf die Berücksichtigung dieser Kosten als Sonderbedarf haben kann (RS0107724 [T4] = 9 Ob 40/02a), weil mit der Entscheidung für die Privat- und gegen die öffentliche Schule auch eine Entscheidung gerade für diese zusätzlichen Kosten verbunden ist, hat nicht zur Folge, dass auch nach Erreichen der Volljährigkeit und Einschlagen einer mit der fünf Jahre davor geförderten Begabung nicht verwandten Berufsausbildung, weiterhin jeglicher Musikunterricht einen Sonderbedarf darstellt. Dass hier die Kosten für die Musikstunden der Antragstellerin kein Sonderbedarf sind, hat das Rekursgericht daher insgesamt ohne Korrekturbedarf ausgesprochen.

[9] 5. Der Antragsgegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung weder die Zurückweisung des Revisionsrekurses beantragt, noch auf dessen Unzulässigkeit hingewiesen. Seine Revisionsrekursbeantwortung war damit als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig und daher nicht zu honorieren (vgl RS0035962; RS0035979).

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