European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00015.25T.0319.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten * S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – * S* eines Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 5. Juni 2024 in G* zu den strafbaren Handlungen des (unmittelbaren Täters [§ 12 erster Fall StGB]) * A*, welcher seinen Schuldner * Z* nach Verweigerung des Begleichens seiner Schuld mit Gewalt, und zwar durch einen Faustschlag in das Gesicht, wodurch dieser eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (US 6) und eine an sich schwere Verletzung am Körper (§ 84 Abs 1 StGB) erlitt, zu Handlungen, nämlich zur Behebung von Bargeld bei einer Bankfiliale und zur Übergabe des behobenen Geldbetrags an ihn nötigte, beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er * A* zum Tatort chauffierte (US 6), am Tatort Präsenz zeigte, sich zum Eingreifen zugunsten von * A* bereithielt (US 7), diesen dadurch in seinem Tatentschluss bestärkte und das Fahrzeug zur Behebung des Geldbetrags zur Bankfiliale lenkte.
[3] Nach den Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite wusste * S*, als er * A* zum vereinbarten Treffen chauffierte, dass sie sich mit einer Person treffen würden, gegenüber welcher * A* eine offene Geldforderung hatte, die * A* bei dem Treffen geltend zu machen beabsichtigte. Er hielt es dabei auch ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass * A* seinen Schuldner bei dem Treffen körperlich angreifen könnte, wodurch dieser am Körper verletzt würde, wenn er ihm den Geldbetrag nicht freiwillig zurückzahlen würde, um seine Forderung auf diese Weise durchzusetzen (US 6).
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 (richtig) lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des * S*.
[5] Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS-Justiz RS0119089).
[6] Einen solchen Begründungsfehler zeigt die Mängelrüge (Z 5) nicht auf.
[7] Die Urteilsaussage, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass vor oder während der Fahrt bereits ein konkreter Plan erörtert wurde, wie * A* gegenüber * Z* vorzugehen gedachte (US 6), kann neben den Konstatierungen des Erstgerichts in Bezug auf das Wissen und Wollen des * S* (US 6) nach den Kriterien der Logik und Empirie durchaus bestehen.
[8] Soweit die Rüge eigene Überlegungen anstellt und auf dieser Basis die von den Tatrichtern aus Verfahrensergebnissen gezogenen Schlüsse kritisiert, verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.
[9] Die Behauptung fehlender Begründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite übergeht die gerade dazu getroffenen Urteilsaussagen (US 12 bis 16) und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0119370).
[10] Die objektive und die subjektive Vorhersehbarkeit sind als Teil der objektiven und der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit nicht Gegenstand von (Tatsachen-)Feststellungen, sondern, was die Kritik übersieht, als rechtliche Aspekte einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0089253 [T10] sowie zum Gegenstand der Mängelrüge Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391).
[11] Nach den Konstatierungen des Erstgerichts leistete * S* nicht bloß intellektuelle, sondern (durch Chauffeurdienste) auch physische Tatbeiträge (US 6 ff). Die Kritik an der Feststellung, wonach * S* den unmittelbaren Täter auch in seinem Tatentschluss bestärkte, indem er sich am Tatort zum Eingreifen zu dessen Gunsten bereithielt (US 7), spricht, weil die (unter dem Blickwinkel der Z 5 mängelfreien) Feststellungen zu den physischen Tatbeiträgen den Schuldspruch bereits für sich allein tragen können, keinen entscheidenden Aspekt an. Im Übrigen übergeht die Behauptung fehlender Begründung der Feststellungen die diesbezüglichen Urteilsaussagen (insbesondere US 14), womit die Mängelrüge auch aus diesem Grund nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (erneut RIS‑Justiz RS0119370).
[12] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS-Justiz RS0099431).
[13] Ein solches Fehlzitat behauptet die Rüge nicht.
[14] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellung, wonach es * S* von Beginn an ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass der unmittelbare Täter * Z* körperlich angreifen könnte, wodurch dieser am Körper verletzt würde (US 6), aus dem Wissen des * S*, dass sie sich mit einer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Örtlichkeit gelockten (US 12) Person treffen würden, gegenüber welcher der unmittelbare Täter eine Geldforderung hatte, die der (im Kampfsport erfahrene) unmittelbare Täter bei dem Treffen geltend zu machen beabsichtigte, und der Tatsache, dass er am Ort des Geschehens verblieb und das Opfer trotz der ihm vom unmittelbaren Täter zugefügten Verletzungen zur Behebung des zurückgeforderten Bargelds zur Bankfiliale brachte (US 14), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[15] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum einen ihre Argumentation nicht auf der Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 6 ff) entwickelt, zum anderen die Feststellungen des Erstgerichts in Bezug auf die subjektive Tatseite des Beschwerdeführers (US 7 f) bestreitet, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[17] Die Entscheidung über die Berufungen und die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde gegen den – irrig in die Urteilsausfertigung aufgenommenen (RIS-Justiz RS0120887 [T2 und T3]) – Beschluss nach § 494 Abs 1 StPO kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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