European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0240DS00005.24F.0319.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss sprach der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer * aus, dass aus den Gründen des § 3 DSt kein Grund zur Disziplinarbehandlung des Rechtsanwalts * wegen der Vorwürfe bestehe, er habe
1./ erst am 25. März 2024 eine den Anforderungen des § 8a RAO genügende Geldwäsche-Kanzlei-Risikoanalyse seiner Kanzlei an die Rechtsanwaltskammer übermittelt,
2./ sohin bis 25. März 2024 die ihm dazu am 11. August 2022 erteilten Aufträge des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer * nicht erfüllt und
3./ vom 27. April 2023 bis zum 25. Jänner 2024 (bis zur Anzeigenerhebung durch den Ausschuss) sich auch diesbezüglich trotz Aufforderung durch den Kammeranwalt nicht entsprechend weitergebildet.
[2] Nach den Sachverhaltsannahmen des Einstellungsbeschlusses (BS 2 f) ersuchte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer * den Disziplinarbeschuldigten am 11. August 2022 innerhalb von 14 Tagen eine kanzleiinterne Risikoanalyse (§ 8a Abs 3 RAO) zu übermitteln. Noch am gleichen Tag übermittelte der Disziplinarbeschuldigte eine – allerdings nicht den Vorgaben des § 8a RAO entsprechende – „Risikoanalyse“ (weil es sich dabei bloß um das ausgefüllte Musterformular „Checkliste Geldwäsche/Terrorismusfinanzierung“ handelte).
[3] In weiterer Folge forderte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer * den Disziplinarbeschuldigten (erst) am 27. April 2023 dazu auf, eine „Aus-/Weiterbildungsveranstaltung iS GW/TF-Prävention zu besuchen und einen diesbezüglichen Nachweis“ bis zum 31. Oktober 2023 zu erbringen.
[4] Eine „im Sinn des § 8a RAO ausreichend individualisierte Kanzlei-Risikoanalyse“ sowie eine Teilnahmebestätigung der A* über die Absolvierung eines entsprechenden Live-Webcasts am 25. Jänner 2024 legte der Disziplinarbeschuldigte am 25. März 2024 vor.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der gegen den Einstellungsbeschluss erhobenen Beschwerde des Kammeranwalts kommt keine Berechtigung zu.
[6] Nach ständiger Judikatur kann der Disziplinarrat in nichtöffentlicher Sitzung nur dann mit Einstellungsbeschluss (§ 28 Abs 3 DSt) vorgehen, wenn – sei es auch in Anwendung des § 3 DSt – kein Verdacht einer disziplinären Handlung vorliegt (RIS-Justiz RS0056969 und RS0057005; zu § 3 DSt vgl 21 Ds 2/17g). Vom Fehlen eines solchen Verdachts ist – im Licht des § 212 Z 2 StPO (iVm § 77 Abs 3 DSt) – dann auszugehen, wenn das vorliegende Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass Dringlichkeit und Gewicht des Verdachts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angezeigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (zum Ganzen Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 28 DSt Rz 9).
[7] Nach § 3 DSt ist ein Disziplinarvergehen vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn das Verschulden des Rechtsanwalts geringfügig ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Die Bestimmung ist nur anwendbar, wenn Umstände des Falles erkennen lassen, dass das Verschulden im Anlassfall erheblich hinter jenem typischer Fälle solcher Verstöße zurückbleibt (RIS-Justiz RS0089974, RS0056585).
[8] Vorauszuschicken ist, dass § 8a RAO zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausnahmslos – also unabhängig von der Art der abgewickelten Geschäfte und der Kanzleistruktur – jedem Rechtsanwalt die Verpflichtung auferlegt, eine individuelle Analyse und Bewertung seines konkreten Risikos in Zusammenhang mit Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung („Risikoanalyse“) vorzunehmen, diese schriftlich abzufassen, auf aktuellem Stand zu halten und über Aufforderung der Rechtsanwaltskammer zur Verfügung zu stellen (RIS‑Justiz RS0133236).
[9] Die Nichterfüllung dieser Pflichten ist grundsätzlich geeignet, das Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zu verwirklichen (vgl 24 Ds 10/19h).
[10] Entgegen dem Beschwerdestandpunkt stellt jedoch alleine der Umstand, dass die Bestimmung des § 8a RAO in der hier aktuellen Fassung bereits seit 26. Juni 2017 in Geltung steht (§ 60 Abs 4 letzter Satz RAO), keinen ausreichenden Grund für die Annahme dar, bei jeder dem Rechtsanwalt in diesem Zusammenhang unterlaufenen Fehlleistung sei schon aufgrund der seither verstrichenen Zeit grundsätzlich von einem Verschuldensgrad auszugehen, der der – stets einzelfallbezogen zu beurteilenden (RIS‑Justiz RS0113533) – Anwendung des § 3 DSt entgegenstehen würde. Diese Auffassung entspricht im Übrigen ersichtlich auch jener des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer *, welcher „unter dem Aspekt eines risikobasierten Ansatzes der Prüfung“ in einem ersten Schritt regelmäßig das Modell „Aufklärung statt Strafe“ verfolgt und – soweit erkennbar – im Fall von reinen Säumnissen bei Erstellung und Vorlage einer Risikoanalyse zunächst den Besuch von einschlägigen Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen für ausreichend erachtet (vgl das Schreiben vom 27. April 2023 [unjournalisiert in ON 1]).
[11] Dass Rechtsanwalt * bis zum 11. Oktober 2022 keine (schriftliche) Analyse und Bewertung des Kanzleirisikos vornahm, trifft nach seinen eigenen Angaben zu. Die von ihm am selben Tag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer übermittelte Risikoanalyse beantwortete der Ausschuss in einem Schreiben vom 27. April 2023 weder mit konkreter Kritik an der (bereits mehr als sechs Monate zuvor vorgelegten) Risikoanalyse noch mit einer Aufforderung zu deren Verbesserung, sondern – wie bereits dargelegt ausdrücklich in Verfolgung des Modells „Aufklärung statt Strafe“ – bloß mit dem Auftrag zum Besuch einer einschlägigen Fortbildungsveranstaltung.
[12] Diesem kam * – wenn auch verspätet – nach, womit ein Verstoß gegen § 26 RL‑BA 2015 insgesamt noch nicht zu erkennen ist.
[13] Mit Blick auf die dargestellten konkreten Umstände des Einzelfalls ist in Bezug auf die damit verbleibenden Versäumnisse betreffend die in § 8a RAO normierten Pflichten noch von einem bloß geringfügigen Verschulden des Beschuldigten auszugehen, der sich nach dem Vorgesagten auch stets einsichtig und mitwirkungswillig zeigte, und mangels darüber hinaus erkennbarer Folgen seines Verhaltens (vgl auch dessen Kanzleistruktur und Geschäftsfälle, ON 6) die Anwendung des § 3 DSt und damit der bekämpfte Einstellungsbeschluss nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0113533).
[14] Der Beschwerde ist daher – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – ein Erfolg zu versagen.
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